Konfirmationsgottesdienst, Wenscht, 21. April 2024

Text: 1.Tim 6,11-12

Du aber, Mensch Gottes, jage nach der Gerechtigkeit, der Frömmig­keit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du be­rufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.

Dieser kurze Abschnitt aus dem ersten Brief des Paulus an Timotheus ist ein klassischer Predigttext zur Konfirmation. Und „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“ war auch mal ein beliebter Konfirma­ti­onsspruch – früher, als die Pasto­ren noch die Sprüche ausgesucht haben. Mein Vater hat ihn zum Beispiel be­kommen, anno 1938, vielleicht auch noch jemand von den Älteren, die heute hier sind. Inzwischen überlassen wir den Kon­fis selber die Wahl, und die ist in meiner Zeit noch nie auf diesen Spruch gefallen, obwohl ich ihn noch in meiner Liste habe. Anscheinend könnt ihr mit diesem Bibelwort nicht mehr viel anfan­gen. „Kämpfen“ und „Glauben“ – das sind Dinge, die für euch wohl nicht zusammenpassen.

Wenn man euch fragt, was es für euch heißt, an Gott zu glauben, dann geht es eher um Nähe und Vertrauen. Dass da jemand ist, der mich liebt, der mir ins Herz schaut und bei dem ich in jeder Lage Schutz und festen Halt finde, darauf kommt es euch an. Wahrschein­lich sind deshalb so viele Psalm- und Verheißungsworte unter euren Konfirmationssprüchen. Sie reden von Gottes Liebe, von seinem Segen, seiner Fürsorge und seinem Beistand, von seinen Engeln, die mich behüten auf allen Wegen. Sie sprechen von Glaube, Liebe und Hoffnung, aber nicht von Kampf.

Also: „guter Kampf des Glaubens“, das klingt fremd, nicht nur in euren Ohren. Gekämpft wird um Stimmen bei der Wahl. Gekämpft wird im Fußballstadion – um die Meisterschaft oder wenigstens ge­gen den Abstieg. Gekämpft wird auch im tägli­chen Leben: um An­erkennung, um gute Noten, um Löhne und Gehälter oder einfach gegen den Untergang im täglichen Kleinkrieg. Aber Kämpfe um den Glauben oder gar im Namen des Glaubens? Die gab es bei uns früher mal, und es ist gut, dass sie vor­bei sind. Heute ken­nen wir Glaubens­kämpfer nur noch in Gestalt muslimischer Terroris­ten, und die ma­chen uns Angst.

Meint Paulus es auch so? Ruft er seinen Schüler Timotheus zum „Dschihad“ auf wie ein islamistischer Hassprediger? Nein, das tut er nicht. Das „Kämpfen“ ist hier bildlich gemeint, und es ist auch mehr an Wettkampf als an Krieg gedacht. Vielleicht könnte man’s heute so ausdrücken: Setz dich so für deinen Glauben ein, wie ein Sportler, der unbedingt die Goldmedaille gewinnen will. Denn der ist mit Leib und Seele bei der Sache. Der muss nicht nur körperlich hart trainie­ren, sondern sich auch mental auf den Wettkampf vorbereiten, an sich selber und die eigenen Fähigkeiten glauben und den unbedingten Willen zum Sieg mit­bringen. So, sagt Paulus zu Timotheus, so soll auch dein Glaube an Jesus Christus sein. Er soll kein Schattendasein füh­ren in irgendeinem entlegenen Winkel deines Herzens, sondern er soll dein ganzes Leben bestimmen. Du sollst nicht nur dann bei Gott Halt suchen, wenn dir gerade danach ist, sondern dich ganz und im­mer auf ihn verlassen. Und du sollst dann auch so leben, wie es die­sem Glauben entspricht, sollst dich dafür einsetzen, dass es gerecht zu­geht in dieser Welt, und das mit Liebe, Sanftmut und Geduld.

Doch ich fürchte, auch in diesem Sinne ist der „gute Kampf des Glau­bens“ nicht euer Ding. Denn ehe man für einen Glauben kämpft, müsste man ja erst einmal restlos überzeugt sein. So wie die Sportle­rin, für die Gold bei Olympia oder der WM das Allergrößte ist. Aber in Glaubenssa­chen eine feste Überzeugung zu haben, das ist schwer heutzutage – nicht nur für Jugendliche wie euch, aber für euch erst recht. Ihr habt zwar hoffentlich während eurer Konfi-Zeit ein paar Erfahrungen mit dem Glauben gesammelt und wisst jetzt mehr dar­über als vorher. Und ihr habt mir auch nicht den Eindruck gemacht, als ob euch die Frage nach Gott völlig kalt lässt. Aber daneben bean­sprucht halt auch vieles andere eure Zeit und euren Einsatz: die Schule, die Freunde und die Familie, der Sport, die Musik, das Smart­phone – und einfach mal chillen oder Spaß haben will man ja auch noch. Außer­dem sind ja viele verschiedene Überzeugungen im Angebot. Das macht es schwer, sich für eine zu ent­scheiden. Okay, mögt ihr den­ken, vielleicht hat die Bibel Recht – aber vielleicht ja auch der Koran oder der Buddhis­mus. Oder die, die sa­gen, dass man ohne Religion viel besser klar kommt. Da ist es einfa­cher, das Grü­beln über Gott und die Welt ganz sein zu lassen und das Herz lieber an etwas Hand­festes zu hängen – an Geld und Karriere, an einen Fuß­ballverein oder die neusten Su­perstars, an den Freund oder die Freundin. Schon klar, dass man die nicht mit Gott ver­glei­chen kann! Aber man kann sie we­nigstens greifen und erleben, und wenn sie uns zu sehr enttäuschen, dann su­chen wir uns eben was anderes.

Aber wenn das alles so ist, wieso predige ich dann überhaupt über diesen Spruch? Wieso noch vom Kampf des Glaubens reden, wenn ihn kaum noch jemand kämpfen will?

Einmal tue ich es deshalb, weil ich glaube, dass wir das Kämpfen wieder lernen müssen. Denn wir merken ja allenthalben, dass Dinge wie Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit oder eine intakte Umwelt nicht selbstverständlich sind, sondern unseren vollen Einsatz brauchen. Und dafür ist für mich der christliche Glaube eine gute Basis – auch, damit der Kampf friedlich bleibt.

Aber der entscheidende Grund steckt für mich in der Anrede am An­fang des Tex­tes: „Du aber, Mensch Gottes“. Konkret ist damit Ti­motheus gemeint. Aber genauso gut könnten wie da unseren eigenen Namen einsetzen. Wir alle sind „Menschen Gottes“. Denn es geht kein Mensch über diese Erde, den Gott nicht liebt – und zwar so sehr, dass er selber Mensch geworden ist: der Mensch Jesus. Das gilt auch für euch ganz persönlich: Du, Inga, Lilly, Liah, Sophie, Kiana, du, Arjen, Alexander, Leon, Marco, Jamie, du bist ein Mensch Got­tes! Du gehörst zu ihm, egal, was du von ihm hältst, egal, ob du das gut findest oder nicht, egal, ob das für dich Konsequenzen hat oder keine. Gott ist für dich da, jederzeit, und er wartet geduldig dar­auf, dass du das für dich wahr sein lässt – irgendwann oder immer wie­der. Er beruft dich zu einem erfüllten Leben – hier und jetzt und über den Tod hinaus – und er möchte, dass du es ergreifst und fest­hältst.

Eigentlich gibt es dafür keine bessere Gelegenheit als heute bei eurer Kon­firmation. Es wäre toll, wenn ihr das Glaubensbekenntnis gleich nicht nur auswendig aufsagt. Es wäre toll, wenn ihr sagt: „Ja, das ist auch mein Bekenntnis, auch wenn ich das eine oder andere daran so nicht glauben kann, auch wenn ich noch nicht alles verstehe. Aber ich möchte zu der Gemeinschaft der Christen gehören, die durch die­ses Bekenntnis verbunden sind. Ich möchte dabeibleiben und mitma­chen, auch wenn andere das vielleicht uncool finden.“

Aber es könnte auch sein, dass dafür jetzt nicht der richtige Zeit­punkt ist. Denn mit vierzehn sucht man ja eher nach eigenen Wegen, will sich selber finden und das Leben selber in die Hand nehmen. Auch dafür ist der heutige Tag ein wichtiger Schritt: Ihr seid jetzt „religions­mün­dig“. Ihr könnt also mit eurem Glauben machen, was ihr wollt: Ihr könnt be­wusst damit le­ben, ihn erst mal gut wegpacken oder ihn gleich weg­werfen. Nur eins wünsche ich mir dabei für euch: Wenn ihr den gu­ten Kampf des Glau­bens nicht kämpfen könnt, weil euch dazu die nötige Überzeu­gung fehlt, dann kämpft we­nigstens weiter darum, eure eigene Glaubens­überzeugung zu finden. Gebt euch nicht zufrieden mit dem, was andere euch vorkauen. Hängt euch nicht mit allem, was ihr seid, an vergängliche Dinge oder an Menschen, denn sie kön­nen keinen wirkli­chen Halt bieten, so wichtig und wertvoll sie auch sein mö­gen. Fragt weiter nach Gott. Sucht eu­ren eigenen Weg, wie ihr an ihn glau­ben könnt, auch wenn der viel­leicht ganz anders aussieht als das, was ihr bei uns kennen gelernt habt. Wenn es stimmt, dass Gott Mensch ge­worden ist und ihr seine Menschen seid, dann wird er sich von euch finden lassen, auch auf verschlungenen Wegen. Und wenn wir euch dabei helfen können, wie und wann auch immer, dann wol­len wir es gern tun.

Am Ende meiner Predigt steht ein Lied. Ihr habt es kennengelernt in eurer Konfi-Zeit – und ich muss sagen: Nur selten habe ich Konfis so begeistert singen gehört! Also darf es natürlich auch heute nicht feh­len. Aber es hat nicht nur eine mitreißende Melodie, sondern auch einen Text, der gut hierher passt, und damit möchte ich schließen:

Wenn ich zweifle und kämpf mit mir,
wenn ich falle, bleibst du doch hier.
Auch im Schweigen bist du stets da,
in den Fragen bleibt dein Wort wahr.
Ich fürchte nicht, was die Zukunft bringt,
ich geh vorwärts und mein Herz singt:
Deine Liebe trägt mich durch.
Du bist mein Halt in der rauen See.
Sei mein Licht, sei mein Licht!
Du strahlst wie ein Leuchtturm und ich schau auf dich.
Sei mein Licht, sei mein Licht!
Du gast das Versprechen: sicher bringst du mich bis ans Land.
Amen.

Pastor Martin Klein