Predigt vom 3.7.2011

 

GOTTESDIENST ZUR 550-JAHRFEIER
SOHLBACH-BUCHEN

Ortsmitte Sohlbach, 3.7. 2011
Pfr.
Dr. Martin Klein
Text: Lk 14,16-24

Es war ein
Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen
zu sagen: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Und sie fingen an alle
nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: „Ich
habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich
bitte dich, entschuldige mich.“ Und der zweite sprach: „Ich habe
fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen;
ich bitte dich, entschuldige mich.“ Und der dritte sprach: „Ich
habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.“ Und der Knecht
kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig
und sprach zu seinem Knecht: „Geh schnell hinaus auf die Straßen
und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden
und Lahmen herein.“ Und der Knecht sprach: „Herr, es ist geschehen,
was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.“ Und der Herr sprach
zu dem Knecht: „Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune
und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich
sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl
schmecken wird.“

Wir feiern heute
ein Fest: 550 Jahre Sohlbach und Buchen. Immerhin knapp anderthalb
dieser 550 Jahre haben wir gebraucht, um dieses Fest vorzubereiten.
Wir haben lange hin und her überlegt, ob und wie und wann wir am
besten feiern. Und als das endlich feststand, haben wir geplant
und organisiert, Mitwirkende gesucht, Briefe geschrieben und Genehmigungen
eingeholt, ein Programm auf die Beine gestellt, für die nötige Infrastruktur
gesorgt, geprobt, eingekauft, Kuchen gebacken, aufgebaut und manches
mehr. Und wir haben eingeladen: Plakate aufgehängt, Handzettel verteilt,
die Presse informiert. Ganz schön viel Arbeit. Aber wie es aussieht,
hat die Mühe sich gelohnt: Viele Menschen sind gekommen – trotz
zahlreicher Konkurrenzveranstaltungen, trotz unsicheren Wetters.
Und im Lauf des Tages kommen hoffentlich noch mehr.

Doch stellen Sie
sich vor, die Pessimisten hätten Recht behalten und es wäre anders.
Stellen Sie sich vor, es ginge uns so, wie dem Hausherrn in dem
Gleichnis Jesu, das die Kindergartenkinder uns vorgespielt haben:
Alles ist bereit – und keiner kommt! Selbst die, die fest zugesagt
hatten, haben plötzlich was Besseres vor. Der Gottesdienst findet
vor leeren Bänken statt. Die Grillwürstchen verbrutzeln und die
Kuchen vertrocknen, weil sie keine Abnehmer finden. Die Verkaufsstände
werden ihre Waren nicht los, und die ausgestellten alten Schätzchen
will keiner sehen. Katastrophe!

Aber dann stellen
Sie sich bitte auch noch vor, kurz bevor das Fest abgeblasen wird,
kämen plötzlich doch noch Gäste. Gäste, mit denen keiner gerechnet
hat. Die Sohlbach-Buchener Neubürger, die hier schon wohnen, aber
noch nicht leben, und die man sonst nie sieht. Die Unbeliebten,
die es sich wegen irgendwas mit der Dorfgemeinschaft verdorben haben.
Die verlorenen Söhne und Töchter, die irgendwann im Zorn aus dem
Sohlbachtal weggegangen sind und nie mehr wiederkommen wollten.
Die Türken aus Geisweid oder Buschhütten. Wie würden wir sie empfangen?
Begeistert und mit offenen Armen? Mit verhaltener Freude – „Na ja,
nicht das, was wir erwartet hatten, aber Hauptsache das Fest ist
gerettet“? Oder mit Ablehnung – „Was wollen die denn hier? Das die
sich hierher trauen!“?

Klar, das ist
alles etwas konstruiert. Aber es macht vielleicht etwas deutlich.
Es zeigt vielleicht, wie ungewöhnlich, ja unerhört das ist, was
der Hausherr im Gleichnis tut. Oder würden Sie wildfremde Menschen
zu sich einladen? Menschen, die Ihnen womöglich die gute Polstergarnitur
ruinieren oder hinterher das Tafelsilber mitgehen lassen? Nein,
kein Gastgeber, der noch alle Tassen im Schrank hat (und sie dort
auch behalten will), würde solche Leute zu sich einladen. Der Hausherr,
von dem Jesus erzählt, muss also komplett verrückt sein.

Stimmt, das ist
er, und genau deshalb erzählt Jesus von ihm. Denn er liebt solche
verrückten Typen. Den Kaufmann, der seinen ganzen Besitz für eine
einzige Perle hergibt. Den Hirten, der 99 Schafe ohne Aufsicht lässt,
um ein einziges wieder zu finden. Den Vater, der seinem Sohn ohne
jeden Tadel um den Hals fällt, obwohl der gerade sein halbes Vermögen
verprasst hat. Mit solchen Typen, solchen Geschichten will Jesus
unsere Maßstäbe verrücken und damit zurechtrücken. Denn Gott, will
er uns mit der Geschichte vom Gastmahl sagen, ist genauso verrückt
wie der Gastgeber. Er lädt schlicht und einfach alle ein: die Frommen
und die Gottlosen, die anständigen Bürger und die zwielichtigen
Gestalten, die Erfolgreichen und die Gescheiterten, die Stadtneurotiker
und die Landeier, die Alteingesessenen und die Zugereisten. Und
Jesus hat nicht nur so von Gott geredet, sondern er hat es uns allen
vorgelebt. Kein Naserümpfen und keine Feindseligkeit konnte ihn
davon abhalten.

Was heißt das
nun für uns? Erstens heißt es: auch wir alle sind eingeladen – nicht
nur zum Ortsjubiläum, sondern zu Gottes großem Fest. Er will uns
dabei haben, wenn er seine Herrschaft aufrichtet, wenn endlich Frieden
und Gerechtigkeit auf Erden einkehren. Er will mit uns zusammen
sein, denn dazu hat er uns geschaffen. Und bis es soweit ist, will
er das Fest mit uns gemeinsam vorbereiten. Dazu ruft er uns in die
Gemeinschaft mit ihm, in seine Kirche – und es ist völlig egal,
zu welcher Unterabteilung wir dabei gehören – evangelisch oder katholisch,
landes- oder freikirchlich, Klafeld oder Buschhütten. Überall hat
er seine Leute. Wir können uns daran freuen und vor allem können
wir dazu gehören und mitmachen. So wie heute bei diesem Fest, so
wünschen wir es uns auch für unsere Gemeinden: dass viele, am besten
alle, mit anpacken, jeder nach seinen Fähigkeiten und Interessen.
Zu tun gibt es immer genug!

Und das zweite:
Wenn alle zu Gott eingeladen sind, dann nicht nur ich oder wir,
sondern die anderen auch. Klingt selbstverständlich und gerät doch
leicht in Vergessenheit. Denn viel zu oft geben wir uns mit denen
zufrieden, die schon dazu gehören und die uns vertraut sind, und
lassen die anderen links liegen. Das gilt sowohl für Dorfgemeinschaften
als auch für christliche Gemeinden. Also sollten wir uns erinnern
lassen: Denke bei jedem Menschen, dem du begegnest daran, dass auch
er oder sie zu Gottes großem Fest eingeladen ist. Das kann heißen,
dass ich sie oder ihn auf diese Einladung erst einmal aufmerksam
machen muss: „Stell dir vor, Gott lädt dich ein!“ Es heißt aber
vor allem, dass ich alle Menschen, die mir begegnen, als geladene
Gäste ernst und wichtig nehme. Auch die, die mir fremd sind. Auch
die, über die man so wunderbar herziehen und lästern kann. Auch
die, um die ich sonst einen Bogen mache. Denn stellen Sie sich vor,
Sie sitzen eines Tages an Gottes Festtafel, und neben Ihnen sitzt
der Nachbar, mit dem Sie wegen irgendeiner Streitigkeit jahrzehntelang
kein Wort geredet haben. Oder jemand, von dem Sie gedacht haben,
dass der wegen seines falschen Glaubens oder falschen Verhaltens
bestimmt nicht in den Himmel kommt, und den Sie entsprechend behandelt
haben. Das wäre doch peinlich, oder?

Aber soweit muss
es ja nicht kommen. Noch sind wir alle unterwegs zum Fest und können
uns auf dem Weg zusammen tun, damit wir gemeinsam und sicher dorthin
gelangen. Und so rufe ich im Namen Gottes uns allen noch einmal
die Einladung zu: „Kommt, denn es ist alles bereit! Schmeckt und
seht, wie freundlich der HERR ist!“

Amen.