Auf ein Wort ……

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Jesus ist überarbeitet.
Die vielen guten Taten, die er vollbringt, haben ihn völlig ausgelaugt.
Er fühlt sich matt, und auch die Wunder wollen nicht mehr so recht
klappen. Sein Arzt verordnet ihm einen freien Tag. Und Jesus genießt
diesen Tag in vollen Zügen. Er übt Radschlagen in der Wüste, jongliert
mit seinem Heiligenschein, geht schwimmen und macht einen Ausritt
auf seinem Esel. Ein richtig schöner Tag! Aber am Abend plagt ihn
dann doch das schlechte Gewissen. Was hätte er in dieser Zeit nicht
alles Gutes tun können? Stattdessen hat er den ganzen Tag vertrödelt
und nur nutzloses Zeug gemacht. Er sucht Rat bei Gott. Der beruhigt
ihn und sagt: Schau doch mal genau hin, Jesus! Überall, wo du Rad
geschlagen hast, sind in der Wüste Quellen entsprungen. Wo du jongliert
hast, tragen die Bäume die herrlichsten Früchte. Wo du geschwommen
bist, füllen sich die Netze mit Fischen. Und alle, die du auf deinem
Esel getroffen hast, wurden auf einmal fröhlich.

Das erzählt der
englische Schriftsteller Nicholas Allan in seinem Buch „Jesus nimmt
frei“. Hin und wieder hat Jesus tatsächlich frei genommen, wenn
auch wohl nicht zum Radschlagen in der Wüste oder für einen Ausritt
auf seinem Esel. An manchen Tagen wird ihm einfach alles zu viel:
zu viele Menschen, zu viele Erwartungen, zu viele, die ihn umringen
und an ihm zerren. Dann, so lesen wir in den Evangelien, zieht Jesus
sich zurück – auf einen Berg, auf ein Boot, an das andere Ufer des
Sees, dahin, wo er Ruhe findet. Wo er in aller Ruhe mit Gott sprechen,
beten und daraus die Kraft schöpfen kann, die über seine eigene
hinausgeht.

Viele nehmen in
diesen Wochen frei. Sie haben Ferien, machen Urlaub, erholen sich
zu Hause oder auf Reisen. Denn auch wir brauchen Orte, an denen
wir zur Ruhe kommen, Zeiten, in denen wir uns freimachen können
von Terminen und Pflichten, von Erwartungen und Zwängen. Zwischen
Beruf und Familie, zwischen Konsum und verplanter Freizeitgestaltung
bleibt im Alltag ja oft nur Platz für das Allernötigste. Was aber
ist mit dem Instrument, das ich lange Zeit nicht mehr gespielt habe,
mit dem Brief, den ich schon seit Wochen schreiben, mit der Freundin,
die ich endlich mal wieder treffen will? Und was ist mit meinem
Glauben, den ich vernachlässigt habe, mit Gott, zu dem ich lange
nicht mehr gebetet habe? Im Urlaub kann ich all das entdecken, was
im Alltag so leicht verloren geht oder was immer wieder zu kurz
kommt. Ich kann die freien Tage genießen, ohne gleich ein schlechtes
Gewissen zu haben. Kann einfach mal in den Tag hineinleben, herumtrödeln
und lauter nutzloses Zeug machen: eine Strandburg bauen, Muscheln
sammeln, den Wolken hinterherschauen, barfuß über eine Sommerwiese
laufen, Gänseblümchen pflücken oder auch Radschlagen üben – so wie
Jesus in der Geschichte von Nicholas Allan.

Jesus nimmt frei
und tut, was ihm gerade Spaß macht. Am Abend kann er nur darüber
staunen, wie viel Lebenskraft von dem ausgeht, was er für nutzlos
gehalten hat. Genau da tun sich Quellen auf, hängen herrliche Früchte
an den Bäumen, werden die Netze voll und die Menschen froh. Denn,
so sagt Gott am Ende der Geschichte: Nur wenn du selbst froh bist,
kannst du auch andere glücklich machen. Solche Tage wünsche ich
Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, in diesem Sommer: Tage, die
Sie selbst froh und andere glücklich machen.

Ihre Pastorin
Almuth Schwichow

 

Konfirmation – „Geh mit Gottes Segen!“

 

Konfirmation –  „Geh
mit Gottes Segen!“

In diesen Tagen
begeht unsere Gemeinde das größte Fest im Jahreslauf – jedenfalls,
was die Zahl der beteiligten Menschen angeht. Fast achtzig junge
Leute feiern mit ihren Familien die Konfirmation. Und deshalb wird
an drei aufeinander folgenden Sonntagen jeweils eine unserer Kirchen
rappelvoll sein. Das schaffen wir noch nicht mal zu Weihnachten.
Die heimische Gastronomie wird gute Geschäfte machen, die Bekleidungsläden
auch. Und bei den Konfirmierten werden sich Geld und Geschenke im
Wert von rund 160 000 € ansammeln. Das ist – auf lokaler Ebene –
durchaus ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges und auch
ein ganz ordentlicher Wirtschaftsfaktor.

Aber wenn ich
das so schreibe, wird sich wohl bei vielen ein gewisses Unbehagen
breit machen. Konfirmation als Gesellschafts-Event und als lukratives
Geschäft? Darum geht es aber doch gar nicht, oder? Es geht doch
um Gottes Segen für den Lebensweg dieser jungen Menschen. Es geht
um das bewusste und persönliche Ja zur Taufe, die immer noch den
meisten als kleinen Kindern zuteil wurde, ohne dass sie sich selber
dazu äußern konnten. Es geht darum, ein mündiges Glied in der Gemeinschaft
der Christen zu werden.

Natürlich haben
Sie recht, wenn Sie so denken. Ich sehe das alles ja auch so. Aber
vielleicht machen die genannten Zahlen und Fakten deutlich, wie
schwer es für die Konfis ist, ihren eigenen Glauben in den Mittelpunkt
ihrer Konfirmation zu stellen. Dieses erste große Fest ihres Lebens
ist ein Ereignis, mit dem sich für Eltern, Familie, Freunde, Geschäftsleute,
Kirche und letztlich auch für sie selbst viele sehr unterschiedliche
Wünsche und Interessen verbinden. Und es kommt in einem Alter über
sie, wo sie gerade erst begonnen haben, ihren eigenen festen Standpunkt
im Leben zu finden und wo es ihnen unheimlich schwer fällt, aus
der Reihe der Menschen zu tanzen, bei denen sie gern anerkannt sein
wollen. Da wäre es ein echtes Wunder, wenn sie sich in großer Zahl
dazu bekennen würden, dass für sie der Glaube an Jesus Christus
im Mittelpunkt der Konfirmation steht. Denn das sagt „man“ eben
nicht einfach so unter Dreizehn-, Vierzehnjährigen. „Ich mach das
wegen dem Geld“ ist da die bequemere, plausiblere Auskunft, aber
nicht unbedingt die ehrlichere.

Um herauszubekommen,
was die Jugendlichen wirklich über ihre Konfirmation denken, muss
man also länger mit ihnen zu tun haben, mit ihnen vertraut werden
und ihnen gut zuhören. Und dann wird man Erstaunliches entdecken.
Zum Beispiel, dass viele Konfis durchaus nicht nur gelangweilt da
sitzen und sich ihren Stundenlohn ausrechnen, wenn wir uns samstags
zum „Blocktag“ treffen, sondern dass sie Spaß haben an dem, was
wir da tun. Zum Beispiel, dass sie am Ende ihrer Konfizeit zwar
kein einziges Gesangbuchlied auswendig können und mit dem Stichwort
„Katechismus“ nichts anfangen können, dass sie aber trotzdem sagen:
„Wir haben hier Wichtiges über den Glauben gelernt und mit dem Glauben
erlebt.“ Zum Beispiel, dass für die allermeisten eben doch das Stichwort
„Gottes Segen“ ganz weit oben rangiert, wenn es um die Bedeutung
der Konfirmation geht. Zum Beispiel, dass gar nicht so wenige bereit
sind, sich über das Nötigste hinaus zu engagieren, auch nach der
Konfirmation. Natürlich gibt es auch die anderen, die dem allgemeinen
Vorurteil eher entsprechen, aber sogar bei denen sind oft mehr Fragen
und mehr Interesse vorhanden, als sie zugeben – und außerdem gab
es die doch schon immer, oder?

Also sollten wir
die Konfirmation weder für eine verlogene Show halten noch sie mit
Bedeutung überfrachten. Sie ist nicht das entscheidende Ereignis
auf dem Weg zum Glauben oder mit dem Glauben, sondern sie ist nur
eine wichtige Station unter vielen auf unserer Lebensreise mit Gott:
ein Stück Erwachsenwerden, ein Stück persönliche Aneignung dessen,
was Glaube bedeutet, ein Sich-Öffnen Gott für seinen Segen und seine
Begleitung ins Leben hinein. Nichts ist fertig an diesem Tag, nichts
ist zu Ende, sondern vieles fängt jetzt erst richtig an. Wenn Sie
mal selber überlegen, was Sie seit Ihrer Konfirmation in Ihrem Verhältnis
zu Gott oder zur Gemeinschaft der Christen alles erlebt haben, wie
viel Auf und Ab und Hin und Her es da gab, dann werden Sie das bestätigen
können.

Also lassen wir
unseren Konfis und Ihren Familien ihr Fest, gönnen wir ihnen diesen
Tag, an dem sie endlich mal ganz im Mittelpunkt stehen, und gönnen
wir ihnen auch ruhig den warmen Geldregen, der sich über sie ergießt.
Sie werden schon was Sinnvolles damit anzufangen wissen. Aber vor
allem wünschen wir ihnen von Herzen, was sie selber sich auch wünschen,
nämlich den Segen unseres Gottes. Er ist der einzige, der ihnen
ins Herz schauen kann, und er tut es nicht kalten, prüfenden oder
gar argwöhnischen Blicken, sondern voller Liebe. Bei ihm und mit
ihm sind sie auch als Konfirmierte bestens aufgehoben – so wie wir
alle.

Ihr Pastor Klein

 

Auf ein Wort…..

 

Ich glaube, ich bin viel zu
klein.

Manchmal
fühle ich mich so wie auf dem Bild. Ich passe nicht dahin. Alles
wächst mir über den Kopf. Eigentlich läuft alles normal, aber dann
er kenne ich, dass ich nicht ins Bild passe. Die Proportionen  stimmen
nicht. Und ich weiß auf einmal nicht, wie ich das schaffen soll.
Das Mädchen auf dem Bild. Wie hat sie das geschafft, da herauf zu
kommen? Warum hat sie sich die Mühe gemacht und wirkt dabei noch
so entspannt? Sie lächelt in die Kamera, als wenn nichts gewesen
wäre. Ich bin ein wenig  neidisch, wünsche mir die kindliche
Entdeckerlust, die Spontaneität, einfach mit dem Erklimmen des Stuhles
zu beginnen, ohne darüber nach zu denken.

Die Erfahrungen
des Lebens lehren uns später etwas anderes. Sie lassen  uns
ängstlich werden, weil wir die Gefahren kennen. Sie lehren uns Zurückhaltung,
wo es vielleicht gar nicht gut für uns ist. Dazu zählen oft auch
der Glaube und die Begegnung mit Jesus. Nach wie vor gibt es viele
Menschen, die Hemmungen haben, zum Abendmahl zu gehen. Sie fühlen
sich so, wie bei der Betrachtung des Bildes: da gehöre ich nicht
hin. Dieser Tisch ist zu hoch für mich. Ich bin nicht gut genug,
um an diesem Tisch Platz nehmen zu dürfen. Wie sehr hat sich Jesus
den Mund fusselig geredet, um dieses Denken den Menschen auszutreiben:
„Kommt her alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch
erquicken. Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Jesus
will mit uns allen am Tisch zusammen sein. Da für hat er das Abendmahl
den Jüngern hinterlassen. Da ist kein exklusiver Kreis geladen,
sondern gerade die, die sonst kaum et was zu bieten haben. Lassen
Sie sich darum nicht von den scheinbar so hohen Stühlen abschrecken.
Sie werden sehen, wie es sich lohnen kann. Besuchen Sie einfach
in der nächsten Zeit einen unserer Abendmahlsgottesdienste, vielleicht
in der Osternacht. Und sie werden erleben, wie gut es einfach tut,
ihm zu begegnen.

Ich  wünsche ihnen eine gesegnete Osterzeit

Ihr Frank Boes

 

Auf ein Wort…..

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

sind Sie schon
schwach geworden? Oder halten Sie sich noch an die guten Vorsätze,
mit denen Sie das neue Jahr begonnen haben? Gesünder essen, runter
von der Couch, wieder Sport treiben, öfter mal zu Fuß gehen… Wie
leicht kann man da wieder schwach werden! Kleine Schwächen sind
ja durchaus erlaubt und machen Menschen oft gerade sympathisch.
Aber niemand will schwach sein, schon gar nicht in einer Welt, in
der vor allem Macht, Stärke und Erfolg zählen. Die Schwachen, das
sind die anderen. Wir wollen lieber zu den Starken gehören, zu denen,
die alles im Griff haben und es aus eigener Kraft schaffen.

Dabei kennen wahrscheinlich
die meisten von uns Momente, in denen sie sich schwach vorkommen,
hilflos und unterlegen. Schon in der Schule und später auch im Beruf
gibt es die, die immer groß rauskommen und im Mittelpunkt stehen,
denen offenbar alles mühelos gelingt. Die einen starken Willen haben
und die nötige Kraft, um das, was sie sich vornehmen, auch zu erreichen.
Und wir stehen dumm daneben und fühlen uns an den Rand gedrängt.
Manchmal denken wir dann: So schlecht bin ich doch eigentlich auch
nicht. Ich möchte gut sein, leistungsfähig, möchte alles richtig
machen. Aber andere haben im Leben einfach viel mehr Chancen als
ich. Sie kommen überall an, sind beliebt und scheinen viele Freunde
zu haben.

Im Vergleich mit
anderen schnitt auch der Apostel Paulus nicht gerade gut ab. In
der Casting-Show „Korinth sucht den Superstar“ wäre er wahrscheinlich
gleich in der ersten Runde rausgeflogen. Andere, die in dieser Stadt
öffentlich auftraten, hatten viel mehr zu bieten als er: mehr Spiritualität,
mehr wundertätige Kraft, mehr Talent zum Reden, mehr Selbstbewusstsein,
eine überzeugendere Persönlichkeit. Das mag ja alles stimmen, antwortet
Paulus denen, die ihm seine Schwächen vorhalten und daran zweifeln,
ob er wirklich ein Apostel, ein Diener Jesu Christi ist. Paulus
kennt seine Schwächen ganz genau und versucht nicht, sie zu verbergen.
Aber hält dagegen: Viel wichtiger ist doch, was Jesus Christus gesagt
hat: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in
den Schwachen mächtig.“

„Meine Kraft ist
in den Schwachen mächtig“, diese Zusage steht als Losung über dem
Jahr 2012. Ein Bibelwort, das mir Mut macht, weil es sagt: Du musst
Gott nichts beweisen. Er vergleicht dich nicht ständig mit anderen,
sondern mag dich genau so, wie du bist. Er ist für dich da, und
deshalb musst du nicht alles aus eigener Kraft schaffen. Vertrau
auf ihn und seine Stärke, wenn du dir schwach vorkommst. Denn seine
Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Ist denn der Glaube
nur etwas für Schwache? Oder nur etwas für Zeiten, in denen ich
mich schwach fühle? Nein, das ist er nicht. Aber gerade dann merke
ich oft erst, dass ich mein Leben nicht mir selbst verdanke, nicht
meiner Arbeit und meinem Erfolg, nicht meiner eigenen Kraft und
Stärke, sondern der Gnade Gottes. Darum wirkt seine Kraft gerade
dann, wenn ich schwach bin. Dann, wenn in meinem Leben nicht alles
glatt läuft. Und dann tut es gut, wenn ich weiß: Gott sucht keine
Superstars, sondern Menschen, die sich auf ihn und seine Kraft verlassen,
Menschen, die ihm etwas zutrauen, egal, ob sie sich stark oder schwach
fühlen. Er ist für uns da, wenn wir stark sind und alles im Griff
haben, aber auch dann, wenn wir verunsichert und hilflos sind. Er
ist für uns da, auch in diesem Jahr.

Das wäre doch
mal ein guter Vorsatz für das neue Jahr: nicht immer der eigenen
Kraft und Stärke zu vertrauen, sondern dem, der sagt: „Meine Kraft
ist in den Schwachen mächtig.“ Dieses Vertrauen wünscht Ihnen

Ihre Pastorin Almuth Schwichow

 

Auf ein Wort…..

 

Auf ein Wort…..

Warum ich evangelisch bin

Neulich war der
Papst in Deutschland. Viele Menschen waren gespannt, ob sich dabei
etwas bewegen würde im Umgang mit Priestermangel, Ehescheidung und
Missbrauchsopfern oder auch in Sachen Ökumene. Doch Benedikt XVI.
hat eigentlich wieder nur gesagt, warum die katholische Kirche so
bleiben oder wieder werden muss, wie sie immer schon war. Das war
natürlich zu erwarten, und das großartige, theologisch durchdachte
Bild, das der Papst von seiner Kirche entwirft, ist durchaus imponierend.
Trotzdem kann ich verstehen, dass viele katholische Geschwister,
die seit Jahren an und mit ihrer Kirche leiden, nun enttäuscht sind.

Für mich selber
hatte der Papstbesuch aber auch ein Gutes: Mir ist neu bewusst geworden,
wie viel es mir wert ist, evangelisch zu sein. Und weil uns Evangelischen
zum Reformationsfest ein bisschen Selbstvergewisserung sicher gut
tut, gebe ich hiermit an Sie weiter, warum ich evangelisch bin und
es auch bleiben möchte:

Erstens bin ich
evangelisch, weil ich an die bedingungs- und grenzenlose Liebe Gottes
glaube. „Ein glühender Backofen voller Liebe“ ist Gott, hat Martin
Luther gesagt und damit eins seiner vielen treffenden Bilder gefunden.
Dieser glühende Backofen steht nicht in einem verschlossenen Raum,
zu dem nur eine bestimmte Sorte Menschen Zugang hat, sondern wie
die Sonne wärmt er die ganze Welt. Es wäre also Unsinn zu sagen:
Diese Wärme gilt mir und nicht dir; ich habe sie verdient, aber
nicht du. Es wäre auch Unsinn, einen schon glühenden Backofen erst
noch anheizen zu wollen. Es wäre allerdings auch unklug, den Respekt
vor diesem Backofen zu verlieren und ihm zu nahe zu treten – dann
könnte man sich ganz schön verbrennen!

Zweitens bin ich
evangelisch, weil ich glaube, dass ich diese Liebe Gottes bitter
nötig habe. Denn ich bin von mir aus nicht so, wie ich gern wäre
und wie Gott mich gern hätte. Ich habe es auch nicht selbst in der
Hand, so zu werden. Ich lebe in einer Welt, die in Schuld verstrickt
ist, und deshalb kann ich gar nicht anders, als selber immer wieder
schuldig zu werden, wie anständig ich auch leben mag. Mein Leben
ist endlich und wird deshalb immer ein Fragment bleiben, auch wenn
ich noch so viele Ziele erreiche. Ich bleibe dem Tod unterworfen,
auch wenn ich hundert Jahre alt werde. Und weil das so ist, kann
nur Gott bewirken, dass ich mit ihm, mit mir selbst und mit meinen
Mitmenschen im Reinen bin. Denn er spricht mir zu: „Du bist mir
recht, so wie du bist, weil ich dich lieb habe.“

Drittens bin ich
evangelisch, weil Gottes Liebe bewirkt, dass vor ihm alle Menschen
gleich sind. Für mich sind alle Christen nichts anderes als begnadigte
Sünder. Wir alle haben den gleichen unmittelbaren Zugang zu Gott,
weil Gott selbst in Jesus Christus eine menschliche Seite hat. Von
daher kann für mich kein Christ einen geistlichen Vorsprung vor
anderen haben oder gar als Mittler zwischen Gott und Mensch auftreten.
„Was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es
schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei“, schreibt Martin
Luther. Auch ich als Pfarrer bin darüber nicht hinaus. Deshalb halte
ich auch keinen Gottesdienst, sondern wir feiern ihn gemeinsam.
Ich vertrete beim Abendmahl nicht den Gastgeber, sondern bin mit
Ihnen gemeinsam Gast am Tisch des Herrn. Und was Glaubens- und Lebensfragen
angeht, habe ich Ihnen nichts vorzuschreiben, sondern kann Sie höchstens
auf Gottes Wort und Gebot hinweisen, so wie ich es verstehe. Beurteilen
müssen Sie das, was ich sage, selber – und Sie können es auch, weil
Gottes Geist Sie dazu anleitet.

Viertens schließlich
bin ich evangelisch, weil mir das eben Gesagte viel Freiheit gibt,
mein Glaubensleben in der Verantwortung vor Gott selbst zu gestalten.
Deshalb empfinde ich auch die große Vielfalt der Frömmigkeits- und
Lebensstile in der evangelischen Kirche nicht als Mangel, sondern
als Bereicherung. Natürlich sorgt diese Vielfalt auch für Streit.
Natürlich macht das Mit-, Neben- und Gegeneinander von Kirchen,
Verbänden, Vereinen und Gemeinschaften die evangelische Kirche unüberschaubar
und sorgt für unscharfe Konturen. Aber was wäre die Alternative?
Eine Kirche, die straff von oben nach unten organisiert ist? Kleine
abgeschottete Kreise von Gleichgesinnten? Eine Kirche, die sich
neu erfindet und aggressiv auf Kosten anderer missioniert? Nein,
danke! Da halte ich lieber unsere evangelische Freiheit aus und
das Risiko der Unverbindlichkeit für das kleinere Übel. Und im Übrigen
will ich es mit Martin Luther halten. Er folgte in Glaubensdingen
nur seinem Gewissen, das an der Bibel geschult war, und ließ sich
von niemandem den Mund verbieten. Gott sei Dank, dass er das getan
hat. Und weil ich weiß, dass viele Katholiken dem meisten von dem,
was ich hier geschrieben habe, zustimmen würden, ist Gott sei Dank
auch die Ökumene noch lange nicht am Ende.

Ihr Pastor Klein