Auf ein Wort ….

Liebe Leserinnen und Leser,

„Lasst euer Licht
leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen.“ Dieser
Bibelvers könnte bei den Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit
in unseren Kirchen groß über dem Schreibtisch hängen. Er klingt
wie die Empfehlung einer Beraterfirma für die nächste Imagekampagne
von Diakonie oder Kirche: „Tut Gutes und redet darüber!“ Ist der
Monatsspruch für Juli also die Rechtfertigung für den nächsten Auftrag
der Landeskirche an eine große Werbeagentur?

Tatsächlich kommt
heute niemand mehr weit, ohne an seinem Erscheinungsbild zu arbeiten,
ohne für sich zu trommeln, ohne an seinem Image zu feilen. Das gilt
für Kirche und Politik ebenso wie für Schülerinnen und Schüler,
die einen Ausbildungsplatz suchen oder für Arbeitslose, die sich
um eine neue Stelle bewerben. In Seminaren können sie lernen, sich
und ihren Lebenslauf so zu präsentieren, dass alles in einem guten
Licht erscheint.
Auch im täglichen Leben bemühen wir uns, bei
anderen einen guten Eindruck zu machen.
Aber wir haben eben auch
gelernt, bescheiden zu sein und sind eher verlegen, wenn wir überschwänglich
gelobt werden. Und stellen unser Licht dann doch lieber unter den
Scheffel.

Davor hat Jesus
in der Bergpredigt gewarnt: „Man zündet nicht ein Licht an und setzt
es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet
es allen, die im Hause sind.“ Und er fordert uns auf: „Lasst euer
Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen
und euren Vater im Himmel preisen.“ Unsere guten Taten dienen also
nicht dazu, uns selbst in ein gutes Licht zu stellen. Sie sollen
nicht den eigenen Ehrgeiz befriedigen, sondern zeigen, aus welcher
Quelle das Licht kommt, das wir ausstrahlen.

Manchmal lassen
wir uns durch eine eindrucksvolle Fassade blenden. Denn es ist gar
nicht so leicht, durch den schönen äußeren Schein hindurch in das
Herz eines Menschen zu sehen. Ein guter Maßstab ist es, auf die
Taten eines Menschen zu achten. Wie jemand handelt – nicht nur,
aber auch in schwierigen Situationen, was jemand tut und auch, was
er nicht tut und unterlässt – all das gibt einen Hinweis auf die
Quelle des Lichts, das von einem Menschen ausgeht. Daran kann man
erkennen, ob es bei ihm um Schein oder Sein geht. Ob einer nicht
vielleicht doch zu dick aufgetragen hat. Auch die beste Imagekampagne
wird der Kirche nichts nützen oder gar für Spott sorgen, wenn die
Wirklichkeit in den Kirchengemeinden ganz anders aussieht – eben
nicht so strahlend wie auf den Hochglanzplakaten.

„Lasst euer Licht
leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren
Vater im Himmel preisen.“ Damit meint Jesus: Wenn ihr als Christen
Gutes tut, seid ihr wie eine Laterne. Durch das transparente Fenster
erstrahlt ein Licht, das zurückweist auf die Quelle eures Tuns.
Eure guten Werke machen euch so durchsichtig, dass die Menschen
Gott dahinter wahrnehmen und ihm für das Gute, das sie durch euch
erfahren haben, danken.

Damit legt Jesus
es in unserer Hand, wie Gott unter uns und in der Welt vorkommt.
Wenn wir alle nur an unseren eigenen schönen Glanz denken, ist zwar
auch ein Leuchten in der Welt, aber es ist letztlich nur der Glanz
von Leuchtreklamen. Irgendwann sieht man sich daran satt. Leben
und handeln wir aber so, dass Menschen Gott dafür danken und loben,
dann tragen wir dazu bei, dass ein ewiger Glanz, ein himmlisches
Licht in die Welt kommt.

Viel Leuchtkraft und einen schönen, erholsamen
Sommer wünscht Ihnen

Ihre Pastorin Almuth Schwichow

Auf ein Wort ….

Der Herr, dein Gott, ist ein
barmherziger Gott.
Er lässt dich nicht fallen.

5.
Mose 4, 31

Liebe Mitchristen,

der russische Schriftsteller Daniel Granin
hat vor ca. 20 Jahren einen bemerkenswerten Aufsatz über „Barmherzigkeit“
geschrieben. Er erzählt zunächst ein Missgeschick, das ihm selbst
passiert ist.
Er rutschte auf der Straße aus, fiel und verletzte
sich dabei Arm und Nasenbein. Nur mühsam konnte er sich zu einem
Hauseingang schleppen. Sprechen konnte er wegen seines auf geschlagenen
und blutenden Mundes nicht. So versuchte er mit Mühe nach Hause
zu gehen. Auf dem Weg von etwa 400 Meter begegneten ihm mehrere
Menschen, eine Frau mit einem Mädchen, ein junges Paar, eine ältere
Frau, ein Mann, ein paar junge Burschen. Sie alle blickten ihn zu
nächst neugierig an, dann sahen sie weg und wandten sich ab.
„Wenn
doch wenigstens einer zu mir gekommen wäre und sich erkundigt hätte,
was mir zugestoßen sei, ob ich nicht Hilfe brauche“ – so dachte
Daniel Granin. „Aber es fand sich keiner.“ Später dachte er oft
über dieses Erlebnis nach. Er erinnerte sich an die Notzeiten in
und nach dem Krieg. Damals war das Gefühl noch lebendig, für einander
einstehen zu müssen und sich gegenseitig zu helfen. Aber jetzt waren
Gleichgültigkeit und Eigeninteresse zur Norm geworden. Der Begriff
der Barmherzigkeit wurde als altmodisch angesehen. Im früheren Leningrad
wurde bezeichnenderweise die „Straße der Barmherzigkeit“ in „Textilstraße“
umbenannt.
Der Schriftsteller zeigt in seinem Artikel auf, in
wie vielen Gebieten des Lebens die Barmherzigkeit verkümmert ist,
obwohl alle sich da nach sehnen. Er ist beunruhigt. Schließlich
schreibt er: „Ich habe keine Rezepte dafür, wie das gegenseitige
Verständnis, das wir alle brauchen, geweckt werden kann. …. Ein
einzelner Mensch wie ich kann nur die Alarmglocken läuten und alle
bitten, in sich zu gehen und zu überlegen, was zu tun ist, damit
Barmherzigkeit wieder Wärme in unser Leben bringt.“

Im heutigen St. Petersburg hat sich seitdem
einiges bewegt. Es entstanden freiwillige Hilfsgruppen, die in Krankenhäuser
und zu notleidenden Menschen gingen, um ihnen beizustehen und ein
wenig das Leben zu erleichtern. Engagierte Christen und Ordensleute
haben – auch mit westlicher Unterstützung – Suppenküchen und Übernachtungshäuser
für Obdachlose eröffnet. Die diakonische Arbeit der Kirchen entwickelt
mit Phantasie neue Hilfsangebote. Auch anderenorts kam einiges in
Gang. Man begriff auf einmal, dass der Verlust von Barmherzigkeit
etwas zu tun hatte mit dem Verlust des Glaubens an den Gott der
Liebe und der Barmherzigkeit in einer atheistischen Gesellschaftsordnung.

Zu gleich spüren wir deutlich, dass der Verlust von Barmherzigkeit
nicht nur die Gefahr für Menschen in den ehemaligen Ostblockstaaten
dar stellt, sondern ebenso die westliche Wohlstandsgesellschaft
gefährdet. Was hier zählt, ist das Geld. Der praktische Materialismus
ist zur Ersatzreligion geworden. Wer schwach erscheint, wird fallen
gelassen. Wer den Anforderungen einer modernen Leistungsgesellschaft
nicht gerecht wird, findet keinen Platz. Ich denke an die Arbeitnehmer,
deren Betrieb geschlossen werden soll. Ich denke an Jugendliche,
die keinen Ausbildungsplatz finden.

Ich denke an Menschen, deren Lebensplanung
gescheitert ist und die deshalb aus der Bahn geworfen wurden. Sie
alle empfinden schmerzvoll die Unbarmherzigkeit, der sie begegnen.

„Der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott. Er lässt dich
nicht fallen.“ Durch die ganze Bibel zieht sich dieses Staunen:
„Gnädig und barm herzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“
(Ps. 103). Gegen alle Erfahrung von Gnadenlosigkeit und Unbarmherzigkeit
setzt die Bibel den Zuspruch „Gott ist barmherzig, er ist wie ein
Vater, der sich seiner Kinder erbarmt“. In diesem Bild vom Vater
kann Jesus das ganze Evangelium zusammenfassen.
Im Gleichnis
vom Vater und den beiden Söhnen macht er es anschaulich. Der Vater
wartet in unendlicher Langmut auf den Sohn, der ihn verlassen hat.
Und nach allem Schmerzlichen und Verletztenden (was geschehen ist)
hält er ihn nach der Heimkehr in den Armen und sagt: „Dieser ist
mein Sohn!“
Da kann Leben wirklich aufblühen, wo ich mich so
gehalten weiß. Andere nicht fallen zu lassen, das ist letztlich
nur dort möglich, wo ich selbst gehalten werde. Dass ich unter Gottes
Vergebung lebe, macht mich fähig, Schuld bei anderen nicht aufzurechnen.
Dass Gott mich nicht fallen lässt, gibt mir Geduld und ein weites
Herz für andere Menschen.

Wer Barmherzigkeit erfährt, kann sie auch
leben.

Jesus Christus hat die Barmherzigkeit Gottes
für uns anschaulich und begreiflich gemacht. Darum orientiert sich
unser Denken, Fühlen und Handeln an ihm, dem Mittelpunkt der christlichen
Gemeinde. Dann können wir Barmherzigkeit gemeinsam erfahren und
 leben.

Es mag sein, dass alles fällt, dass die Burgen
dieser Welt um dich her in Trümmer brechen. Halte du den Glauben
fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: Er hält sein Versprechen.

Burkhard Schäfer, Pfr


Auf ein Wort ….

Liebe Leserin, lieber Leser,

zart wie ein Spinnennetz sind die kunstvollen
Spitzen, die Frauen und Mädchen in Paraguay weben. Spanische Einwanderer
von den Kanarischen Inseln haben dieses ursprünglich arabische Kunsthandwerk
im 17. und 18. Jahrhundert in das Land im Herzen Südamerikas gebracht.
Die einheimischen Guaraní-Frauen erlernten und verfeinerten diese
Technik und gaben ihr den Namen Ñanduti, „Spinnennetz“. Ein Ñanduti
besteht aus kreisförmigen Mustern, die Motive aus der Natur darstellen:
Sonne, Sterne, verschiedene Blüten, Früchte, Regentropfen oder Schneekristalle.
Die über 50 verschiedenen Muster werden von Generation zu Generation
weitergegeben. Neben Deckchen und Decken in allen Farben und Formen
werden auch Tücher, Kleider und sogar Fahnen und Hängematten aus
Ñanduti hergestellt. Das zarte Gewebe ist erstaunlich stabil. Meist
werden Ñanduti in Heimarbeit gefertigt und sichern den Familien
wenigstens ein bescheidenes Einkommen. Für viele Frauen und Kinder
ist das traditionelle Kunsthandwerk so etwas wie ein Vater, der
für das tägliche Brot sorgt.

Ein solches Ñanduti ziert in diesem Jahr die
Gottesdienstordnung für den Weltgebetstag und auch die Ausgabe
März/April der Gemeindenachrichten: eine weiße Spitze auf rotem, grünem und
blauem Grund. Entworfen wurde das Titelbild von der Kunstlehrerin
María Victoria Servin. Zu ihrem Bild „Unter Gottes Zelt vereint“
schreibt sie selbst: „Gott hat uns großzügig beschenkt mit einem
Land mit reicher, fruchtbarer Erde in verschiedenen Farben.

Die rote Erde Paraguays erzählt von Leidenschaft
und Stärke der Menschen unseres Volkes, die an jedem Tag immer wieder
neu für ihre Hoffnungen und Ideale arbeiten und kämpfen – seit Beginn
der Geschichte unseres Landes bis zum heutigen Tag. Auf dieser roten
Erde wächst eine reiche Fülle von Pflanzen und Bäumen, aus denen
neues Leben sprosst: Hoffnungsboten, die uns immer wieder neu daran
erinnern, dass positive Veränderungen möglich sind. Als wollten
sie in den Himmel reichen, sprießen die üppigen Pflanzen, die als
Fülle von Grüntönen den Bildhintergrund bilden, nach oben. Der klare
blaue Himmel wölbt sich über uns alle, über jede und jeden einzelnen
von uns, bedeckt und umarmt uns. Überall finden wir die stille Anwesenheit
Gottes – wie ein Zelt, das uns immer und zu allen Zeiten schützt.“

Das Zentrum bildet eine Ñanduti -Spitze. Die
Künstlerin versteht sie als Symbol für das Ineinanderwirken zweier
Kulturen, der europäischen und der indigenen. In den vielfältigen
Mustern und Motiven spiegeln sich die einzigartigen Naturschönheiten
des Landes wider. Jeder Kreis hat sein eigenes filigranes Muster,
und doch wurde dieses Ñanduti aus nur einem einzigen Faden gemacht.
Ein schönes Bild für die Frage, wie Einheit in der Vielfalt möglich
ist: Es muss ein gemeinsames Band geben!

Im Brief an die Gemeinde in Ephesus, den die
Frauen aus Paraguay als einen der Lesungstexte für den Gottesdienst
ausgewählt haben, ist Christus dieses Band: „Bemüht euch, die Einheit
des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.
Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame
Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott
und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist.“
(Eph.4,3-6)

Dieses eine Band wird uns auch zusammenhalten,
wenn wir am 2. März in über 170 Ländern der Erde den Weltgebetstag
feiern, bei uns um 19 Uhr in der Kirche St. Marien im Wenscht. Dann
verbinden wir uns im Glauben zu einer „Einheit in Vielfalt“ – wie
im Symbol der kostbaren Ñanduti -Spitze aus Paraguay.

Almuth Schwichow

Auf ein Wort ….

Die dem Herrn vertrauen, schöpfen
neue Kraft.

Jesaja 40, 31

Wer das Bild einmal gesehen hat, wird beeindruckt
gewesen sein: das Bild des Adlers, der seine Schwingen ausbreitet
und in die Lüfte steigt, vom Aufwind getragen, scheinbar schwerelos.
Man kann nur staunen, wenn man die Flugvorführungen eines Falkners
beobachtet. Schwerelos über die Erde – so müsste man das Leben meistern
können!

Schön wär’s! Aber es ist zu schön, um wahr
zu sein. Auch wenn die Bibel genau dieses Bild benutzt, um die Kraft
des Glaubens und des Hoffnung zu beschreiben, mit der wir als Christen
rechnen dürfen: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass
sie auffahren mit Flügeln wie Adler…“ Schön wär’s! Aber das ist
ja nicht unsere Wirklichkeit. Unser Alltag sieht anders aus. So
wie das Leben der Menschen, an die der Prophet in Gottes Auftrag
dieses Wort erstmals gerichtet hat. In Gefangenschaft saßen sie
damals, die Israeliten, verschleppt in die Weiten des babylonischen
Reiches, heimatlos, rechtlos, hoffnungslos. Immer neuen Depressionen
waren diese Menschen ausgesetzt, sie waren am Ende ihrer Kraft.
Fertig, kaputt.

So weit entfernt sind wir von jenen Ersthörern
nicht. Auch wenn Tausende von Jahren zwischen ihnen und uns liegen.
Ist nicht mit Händen zu greifen, dass die Zahl der gefährdeten und
belasteten Menschen ständig zu nimmt, dass Depressionen zu- und
Lebensmut ab nimmt, ganz zu schweigen von der „Erschöpfung“ unserer
Erde, die längst unsere Gewässer, die Luft und unser Großklima erfasst
hat? Und auch im Blick auf unseren Glauben sieht es nicht viel anders
aus. Wer weiß denn nichts von Talfahrten seines Glaubens, von Durststrecken
der Hoffnung, von innerer Müdigkeit? Da sehen dann auch junge Leute
auf einmal ganz alt aus. Nein, wir sind keine Adler, die sich schwerelos
über die Lasten und Sorgen des Alltags erheben können. Wie viele
sehnen sich aber gerade nach neuen Kräften, nach Tankstellen der
Zuversicht.

Ob uns hier der alte Prophet nicht Hilfe geben
kann? „Die auf Jahwe harren, erneuern ihre Kraft“, so sagt der hebräische
Wortlaut. Harren auf Gott – das ist etwas anderes als das ungeduldige
Warten, bei dem einer alle 5 Minuten auf die Uhr schaut. Solches
Warten taugt nicht für den Umgang mit Gott. Harren – das meint das
feste Vertrauen in zuversichtlicher Gelassenheit, das da von aus
geht, dass Gott jetzt und hier handeln kann und dass er mit seiner
Kraft Einfluss nehmen kann auf unsere Schwächeperioden. Harren –
das ist ein Warten jenseits von Ungeduld und Nervosität, aber auch
abseits von jedem gleichgültigen Fatalismus. Es ist das Beharren
auf Gottes Zusage „Ich bin bei dir, dass ich dir helfe“.

Wo man dieses Harren übt, kann man Gottes
Kraft erfahren, darf man inmitten der eigenen Erschöpfung neue Kraft
schöpfen. Freilich: diese Kraft Gottes hat nicht viel zu tun mit
dem, was in unserer Welt Kraft genannte und als Kraft angepriesen
wird, mit Finanzkraft, mit Körperkraft, mit PS oder Atomkraft, mit
Muskel- oder Nervenkraft. Wir müssen an dieser Stelle unsere üblichen
Vorstellungen korrigieren lassen. Gottes Kraft – dieses Wort zeigt
geradewegs auf Jesu Kreuz. Dort ist die Kraft Gottes, die „neue
Kraft“ am eindrucksvollsten sichtbar geworden. Die Kraft, die im
Unterliegen siegt. Die Kraft, die wir erfahren, wenn wir frei geworden
sind von menschlichem Kraftdenken und irdischem Machtstreben. Wenn
wir das Leben und auch das Glauben nicht mehr aus eigener Kraft
schaffen wollen. „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft
ist in den Schwachen mächtig“, so hat es Paulus erfahren.


Die gleiche Erfahrung hat in der Barockzeit
auf seine Weise der Gründer des Hallischen Waisenhauses, August
Hermann Francke, gemacht. Er war Pfarrer in einer Vorstadt von Halle
a.d. Saale, die ein ganz schwieriger sozialer Brennpunkt war. Beherzt
nahm der Pfarrer einige Straßenkinder in sein Pfarrhaus auf. Dann
organisierte er einen ersten Elementarunterricht im Hause für weitere
Kinder. So begann aus kleinsten und bescheidensten Anfängen das
Glaubenswerk der bedeutenden Franckeschen Stiftungen. Den Giebel
des Hauptgebäudes ziert der Wahlspruch A.H. Franckes „Die auf den
Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln
wie Adler.“

Ich wünsche uns als Kirchengemeinde in der
gegenwärtigen schwierigen Umstrukturierungsphase etwas von dieser
Erfahrung – und ich wünsche Ihnen in Ihrem jeweiligen ganz persönlichen
Ergehen.

Es grüßt Sie

B. Schäfer, Pfr.


Auf ein Wort…..

Monatsspruch für den November 2006

Gott spricht: Seht, ich mache alles neu. Offenbarung
21,5

Liebe Leserinnen und Leser!

Da sitzt einer auf einer auf einer Gefangeninsel.
Endstation Patmos. Und jener Johannes fand sich dort wieder, weil
er sich eben mehr als die Finger verbrannt hatte. Wegen Gehorsamsverweigerung
gegenüber dem Kaiser wurde er verhaftet und auf die Gefangeneninsel
verfrachtet. Von dieser Insel gab es keine Entlassungspapiere, sondern
nur Totenscheine. Um sich herum sieht Johannes nur Totenfelder und
Bestattungsorte – fast muß es ihm erschienen sein, als sei diese
Insel ein einziger großer Friedhof besetzt mit den Grabsteinen gestorbener
Hoffnungen. Und da sitzt er nun tagaus und tagein und ich frage
mich, ob wir denn so viel mehr sehen als dieser Johannes. Unsere
Erde ist ja auch so etwas wie eine Toteninsel, die nichts und niemandem
einen ewigen Aufenthalt gewährt. Wie viel mehr wird uns das immer
wieder in diesem dunklen Monat November schmerzvoll bewußt. Auch
jeder und jedem von uns ist diese Frist bis zum Tod schon gesetzt.
Und gerade deshalb hängen wir so an unserem Jetzt-und-Hier, deshalb
haben wir oftmals nur das Vergängliche vor Augen und werden traurig
darüber.

Aber Johannes auf seiner Gefangeneninsel sah
mehr: An einem Sonntagmorgen fiel es ihm wie Schuppen von den Augen:
Er sah die neue Welt. Da gab es keine Schreie, keine Tränen und
keine Schmerzen mehr: „Siehe, ich mache alles neu!“ Menschen legen
sich nicht mehr zum Sterben, Särge werden nicht mehr gezimmert,
Friedhöfe werden abgeschafft. Johannes sieht die Botschaft von Weihnachten
und Ostern zusammen:

Jesu Sieg ist zum endgültigen geworden. Er
hat den dunklen Horizont Tod schon für uns durchbrochen. Und: „Hinterm
Horizont geht’s weiter…
„Siehe, ich mache alles neu!“, diese
Hoffnung verlieren wir diesseitigen Menschen häufig vor dem dunklen
Hintergrund unseres begrenzten Daseins auf dieser Erde aus den Augen.
Eigentlich
müßten wir Gott immer wieder bitten: „Gib uns Augen, die was taugen!“
– so müssen wir bitten, damit auch uns die neue Welt, das wunderbare
Reich Gottes, in den Blick kommt. Eine Welt, die wir nicht schaffen
können und vor allen Dingen nicht schaffen müssen, weil Gott sie
für uns schon begonnen hat und letztendlich schaffen wird.
In
all dem was uns hier auf der Erde beschäftigt, sei es persönlich,
in der Gemeinde, in unserem Land und auf der ganzen Erde, fühlen
wir uns manchmal wie gefangen. Wie schön und wie gut tuend ist da
diese Aussicht: „Siehe, ich mache alles neu!“ Und der britische
Historiker Arnold Toynbee (1889-1975) hat recht, wenn er schreibt:
„Ohne diese Sicht nach vorne ist die Geschichte nicht mehr auszuhalten.“
Diese von Jesus gegebene Aussicht kann und wird uns tragen, durch
alle dunkle Zeiten hindurch und gibt uns immer wieder Hoffnung und
Kraft im Glauben uns für das schon begonnene Reich Gottes ganz einzubringen.

Seien sie alle Gott befohlen, in der dunklen
Jahreszeit, die durch Advent und Weihnachten immer heller wird.

In dieser Hoffnung grüßt sie ihr Pastor Jörg
Hoffmann-Petzold