Auf ein Wort ….

Ein gutes Wort geht über die
beste Gabe

Geburtstage, Jubiläen und Ehrungen sind ein
geeigneter Anlass, durch ein sorgfältiges ausgewähltes Geschenk
seine Wertschätzung gegenüber einem anderen Menschen zu bekunden
und ihm eine Freude zu bereiten. Dadurch wird die Beziehung aufrechterhalten
und gestärkt.

Als wieder einmal erwachsene Kinder ihren
Vater zum Geburtstag mit einem wertvollen Geschenk überrascht hatten,
glänzten seine Augen vor Rührung und großer Freude. Nachdem er zu
seiner gewohnten Fassung zurückgefunden hatte, meinte er ein wenig
schelmisch, aber dennoch bedeutungsvoll, das Liebste sei ihm
ein gutes Wort, das sie ihm nicht nur zu einem bestimmten Anlass
sagen, sondern das sie ihm auch sonst immer wieder schenken. Ein
gutes Wort gehe eben über die beste Gabe.

In der Bibel lesen wir im Weisheitenbuch Jesu
Sirach (Kap. 18, 15-17): „Mein Sohn, bring keinen Makel auf deine
Wohltaten und füg zu keiner Gabe kränkende Worte! Wie der Tau die
Hitze kühl, so ist ein gutes Wort besser als eine Gabe. Ja, ein
Wort ist oft wichtiger als eine große Gabe, und ein freundlicher
Mensch gibt sie beide.“ Wenn der Ephesserbrief (Kap. 4, 29) uns
Christen auffordert „über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern
nur ein Gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es
hört, Nutzen bringt“ dann steht dahinter die Erfahrung, dass tröstende,
gütige, anerkennende, aufbauende und ermutigende Worte sich immer
wieder als heilsam erweisen.

Im heutigen Medienzeitalter werden wir fast
pausenlos mit Worten überschüttet. Kein Wunder, dass sie so Wirkung
und Heilkraft verlieren. Die tägliche Flut von Informationen kann
man ja kaum mehr aufnehmen, geschweige den auch wirklich verarbeiten.
Dabei schwindet fast unbemerkt die Fähigkeit aufmerksam hinzuhören.
Hierbei lauert die Gefahr, dass der Einzelne für das Wesentliche
taub und stumm wird.

Jede Beziehung und jede Gemeinschaft lebt
aber auch vom Gespräch, vom Austausch und jedem guten Wort. Dieser
Austausch ist ungemein wichtig, um einander verstehen und um sich
gegenseitig eine Stütze sein zu können. Ein Gespräch unterscheidet
sich allerdings von einer Besprechung, die ein umsetzbares Ergebnis
anstrebt. Deshalb muss sich eine Besprechung immer an ihrer Effizienz
messen lassen. Das Gespräch hingegen bleibt nicht nur auf dieser
objektiven Ebene. Seine Qualität wird davon bestimmt, ob es anderen
und uns selbst weiter hilft, oder ob es nichtssagend und oberflächlich
bleibt und dadurch ins Leere läuft. Wenn es um das gute Wort
geht, das wir einander schenken möchten, dann dürfen wir der Frage
nicht ausweichen: Bringen Gespräche uns tatsächlich einander näher
oder reißen sie womöglich tiefe Gräben auf? Sind sie heilsam oder
verletzend? Fördern sie eine offene vertrauensvolle Atmosphäre oder
schweigt man sich am Ende nur noch gegenseitig an? Finden wahre
Gespräche anderswo statt als dort, wo sie eigentlich hingehören
und wo sie zu Recht erwartet werden?

Wie findet man aber nun zu einem guten Wort
bzw. zu einem förderlichen Gespräch?
Für Menschen, die sich in
besonderer Weise um gelingende menschliche Gemeinschaft gemüht haben
– wie der Hl. Benedikt oder auch Dr. Bonhoeffer – hängt das gute
Wort entscheidend mit dem Schweigen zusammen. Ohne diesen Zusammenhang
verkümmert das Wort. Benedikt behandelt in der Ordensregel die Schweigsamkeit
zwischen den Kapiteln über den Gehorsam und die Demut. Offensichtlich
will er betonen: Wer wesentlich sprechen will und tatsächlich etwas
zu sagen haben will, muss zunächst ein aufmerksamer Hörer sein,
einer der horchen und schließlich auch gehorchen kann. Zugleich
darf er, wenn sein Wort wirklich ernst genommen werden soll, nicht
ständig sich selbst in Szene setzen, sondern er spreche mit Demut
und Bescheidenheit.

Ein gutes Gespräch hängt auch nicht von dessen
Lange und von seiner Häufigkeit ab, sondern entspringt der inneren
Haltung, aus der heraus es geschieht. Wir kennen leider auch das
Gegenteil aus Erfahrung. Durch Reden, das unter negativem Vorzeichen
steht, können die Beziehungen und das Zusammenleben vergiftet werden.
Besonders die kleinen und oft unscheinbaren Bemerkungen verpesten
mit der Zeit das menschliche Klima. In solchen Reden kann sich ein
Herz spiegeln, in dem vermutlich Unordnung und Disharmonie wirksam
sind. Folglich setzt das gute Gespräch ein „reines“ Herz voraus.
Das gute Wort ist also ein Widerschein dessen, was man im Herzen
trägt. Es bereichert den persönlichen Austausch, ist ein Instrument
der Mitteilung und kann Gemeinschaft stiften. Gefragt ist daher
immer das Bemühen um ein wohltuendes Gesprächsklima und die stete
Pflege der guten Rede.

Dazu gehört auch eine entsprechende Streitkultur,
wenn kontroverse Meinungen und Standpunkte aufeinander treffen.
Man wird dann nicht mit provokanter Lautstärke sich durchzusetzen
versuchen. Ebenso macht man sich andere nicht dadurch gefügig, dass
man sich schweigend ins eigene Schneckenhaus zurück zieht. Wenn
andere ernst genommen werden, können Brücken gebaut werden, gibt
es ein echtes Miteinander, und es werden keine Barrieren errichtet,
die man vielleicht eines Tages nicht mehr überwinden kann.

Gerne hören wir dagegen jene Menschen, die
wirklich etwas zu sagen haben und deren Wort deshalb auch gewichtig
ist. Wir empfinden ein solches Wort immer als bereichernd, weil
es wirklich aus dem Herzen kommt. Wohl deshalb geht ein gutes Wort
über die beste Gabe.

Pfr. Burkhard Schäfer

Auf ein Wort ….

Liebe Leserinnen und Leser,

„Lasst euer Licht
leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen.“ Dieser
Bibelvers könnte bei den Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit
in unseren Kirchen groß über dem Schreibtisch hängen. Er klingt
wie die Empfehlung einer Beraterfirma für die nächste Imagekampagne
von Diakonie oder Kirche: „Tut Gutes und redet darüber!“ Ist der
Monatsspruch für Juli also die Rechtfertigung für den nächsten Auftrag
der Landeskirche an eine große Werbeagentur?

Tatsächlich kommt
heute niemand mehr weit, ohne an seinem Erscheinungsbild zu arbeiten,
ohne für sich zu trommeln, ohne an seinem Image zu feilen. Das gilt
für Kirche und Politik ebenso wie für Schülerinnen und Schüler,
die einen Ausbildungsplatz suchen oder für Arbeitslose, die sich
um eine neue Stelle bewerben. In Seminaren können sie lernen, sich
und ihren Lebenslauf so zu präsentieren, dass alles in einem guten
Licht erscheint.
Auch im täglichen Leben bemühen wir uns, bei
anderen einen guten Eindruck zu machen.
Aber wir haben eben auch
gelernt, bescheiden zu sein und sind eher verlegen, wenn wir überschwänglich
gelobt werden. Und stellen unser Licht dann doch lieber unter den
Scheffel.

Davor hat Jesus
in der Bergpredigt gewarnt: „Man zündet nicht ein Licht an und setzt
es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet
es allen, die im Hause sind.“ Und er fordert uns auf: „Lasst euer
Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen
und euren Vater im Himmel preisen.“ Unsere guten Taten dienen also
nicht dazu, uns selbst in ein gutes Licht zu stellen. Sie sollen
nicht den eigenen Ehrgeiz befriedigen, sondern zeigen, aus welcher
Quelle das Licht kommt, das wir ausstrahlen.

Manchmal lassen
wir uns durch eine eindrucksvolle Fassade blenden. Denn es ist gar
nicht so leicht, durch den schönen äußeren Schein hindurch in das
Herz eines Menschen zu sehen. Ein guter Maßstab ist es, auf die
Taten eines Menschen zu achten. Wie jemand handelt – nicht nur,
aber auch in schwierigen Situationen, was jemand tut und auch, was
er nicht tut und unterlässt – all das gibt einen Hinweis auf die
Quelle des Lichts, das von einem Menschen ausgeht. Daran kann man
erkennen, ob es bei ihm um Schein oder Sein geht. Ob einer nicht
vielleicht doch zu dick aufgetragen hat. Auch die beste Imagekampagne
wird der Kirche nichts nützen oder gar für Spott sorgen, wenn die
Wirklichkeit in den Kirchengemeinden ganz anders aussieht – eben
nicht so strahlend wie auf den Hochglanzplakaten.

„Lasst euer Licht
leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren
Vater im Himmel preisen.“ Damit meint Jesus: Wenn ihr als Christen
Gutes tut, seid ihr wie eine Laterne. Durch das transparente Fenster
erstrahlt ein Licht, das zurückweist auf die Quelle eures Tuns.
Eure guten Werke machen euch so durchsichtig, dass die Menschen
Gott dahinter wahrnehmen und ihm für das Gute, das sie durch euch
erfahren haben, danken.

Damit legt Jesus
es in unserer Hand, wie Gott unter uns und in der Welt vorkommt.
Wenn wir alle nur an unseren eigenen schönen Glanz denken, ist zwar
auch ein Leuchten in der Welt, aber es ist letztlich nur der Glanz
von Leuchtreklamen. Irgendwann sieht man sich daran satt. Leben
und handeln wir aber so, dass Menschen Gott dafür danken und loben,
dann tragen wir dazu bei, dass ein ewiger Glanz, ein himmlisches
Licht in die Welt kommt.

Viel Leuchtkraft und einen schönen, erholsamen
Sommer wünscht Ihnen

Ihre Pastorin Almuth Schwichow

Auf ein Wort ….

Der Herr, dein Gott, ist ein
barmherziger Gott.
Er lässt dich nicht fallen.

5.
Mose 4, 31

Liebe Mitchristen,

der russische Schriftsteller Daniel Granin
hat vor ca. 20 Jahren einen bemerkenswerten Aufsatz über „Barmherzigkeit“
geschrieben. Er erzählt zunächst ein Missgeschick, das ihm selbst
passiert ist.
Er rutschte auf der Straße aus, fiel und verletzte
sich dabei Arm und Nasenbein. Nur mühsam konnte er sich zu einem
Hauseingang schleppen. Sprechen konnte er wegen seines auf geschlagenen
und blutenden Mundes nicht. So versuchte er mit Mühe nach Hause
zu gehen. Auf dem Weg von etwa 400 Meter begegneten ihm mehrere
Menschen, eine Frau mit einem Mädchen, ein junges Paar, eine ältere
Frau, ein Mann, ein paar junge Burschen. Sie alle blickten ihn zu
nächst neugierig an, dann sahen sie weg und wandten sich ab.
„Wenn
doch wenigstens einer zu mir gekommen wäre und sich erkundigt hätte,
was mir zugestoßen sei, ob ich nicht Hilfe brauche“ – so dachte
Daniel Granin. „Aber es fand sich keiner.“ Später dachte er oft
über dieses Erlebnis nach. Er erinnerte sich an die Notzeiten in
und nach dem Krieg. Damals war das Gefühl noch lebendig, für einander
einstehen zu müssen und sich gegenseitig zu helfen. Aber jetzt waren
Gleichgültigkeit und Eigeninteresse zur Norm geworden. Der Begriff
der Barmherzigkeit wurde als altmodisch angesehen. Im früheren Leningrad
wurde bezeichnenderweise die „Straße der Barmherzigkeit“ in „Textilstraße“
umbenannt.
Der Schriftsteller zeigt in seinem Artikel auf, in
wie vielen Gebieten des Lebens die Barmherzigkeit verkümmert ist,
obwohl alle sich da nach sehnen. Er ist beunruhigt. Schließlich
schreibt er: „Ich habe keine Rezepte dafür, wie das gegenseitige
Verständnis, das wir alle brauchen, geweckt werden kann. …. Ein
einzelner Mensch wie ich kann nur die Alarmglocken läuten und alle
bitten, in sich zu gehen und zu überlegen, was zu tun ist, damit
Barmherzigkeit wieder Wärme in unser Leben bringt.“

Im heutigen St. Petersburg hat sich seitdem
einiges bewegt. Es entstanden freiwillige Hilfsgruppen, die in Krankenhäuser
und zu notleidenden Menschen gingen, um ihnen beizustehen und ein
wenig das Leben zu erleichtern. Engagierte Christen und Ordensleute
haben – auch mit westlicher Unterstützung – Suppenküchen und Übernachtungshäuser
für Obdachlose eröffnet. Die diakonische Arbeit der Kirchen entwickelt
mit Phantasie neue Hilfsangebote. Auch anderenorts kam einiges in
Gang. Man begriff auf einmal, dass der Verlust von Barmherzigkeit
etwas zu tun hatte mit dem Verlust des Glaubens an den Gott der
Liebe und der Barmherzigkeit in einer atheistischen Gesellschaftsordnung.

Zu gleich spüren wir deutlich, dass der Verlust von Barmherzigkeit
nicht nur die Gefahr für Menschen in den ehemaligen Ostblockstaaten
dar stellt, sondern ebenso die westliche Wohlstandsgesellschaft
gefährdet. Was hier zählt, ist das Geld. Der praktische Materialismus
ist zur Ersatzreligion geworden. Wer schwach erscheint, wird fallen
gelassen. Wer den Anforderungen einer modernen Leistungsgesellschaft
nicht gerecht wird, findet keinen Platz. Ich denke an die Arbeitnehmer,
deren Betrieb geschlossen werden soll. Ich denke an Jugendliche,
die keinen Ausbildungsplatz finden.

Ich denke an Menschen, deren Lebensplanung
gescheitert ist und die deshalb aus der Bahn geworfen wurden. Sie
alle empfinden schmerzvoll die Unbarmherzigkeit, der sie begegnen.

„Der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott. Er lässt dich
nicht fallen.“ Durch die ganze Bibel zieht sich dieses Staunen:
„Gnädig und barm herzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“
(Ps. 103). Gegen alle Erfahrung von Gnadenlosigkeit und Unbarmherzigkeit
setzt die Bibel den Zuspruch „Gott ist barmherzig, er ist wie ein
Vater, der sich seiner Kinder erbarmt“. In diesem Bild vom Vater
kann Jesus das ganze Evangelium zusammenfassen.
Im Gleichnis
vom Vater und den beiden Söhnen macht er es anschaulich. Der Vater
wartet in unendlicher Langmut auf den Sohn, der ihn verlassen hat.
Und nach allem Schmerzlichen und Verletztenden (was geschehen ist)
hält er ihn nach der Heimkehr in den Armen und sagt: „Dieser ist
mein Sohn!“
Da kann Leben wirklich aufblühen, wo ich mich so
gehalten weiß. Andere nicht fallen zu lassen, das ist letztlich
nur dort möglich, wo ich selbst gehalten werde. Dass ich unter Gottes
Vergebung lebe, macht mich fähig, Schuld bei anderen nicht aufzurechnen.
Dass Gott mich nicht fallen lässt, gibt mir Geduld und ein weites
Herz für andere Menschen.

Wer Barmherzigkeit erfährt, kann sie auch
leben.

Jesus Christus hat die Barmherzigkeit Gottes
für uns anschaulich und begreiflich gemacht. Darum orientiert sich
unser Denken, Fühlen und Handeln an ihm, dem Mittelpunkt der christlichen
Gemeinde. Dann können wir Barmherzigkeit gemeinsam erfahren und
 leben.

Es mag sein, dass alles fällt, dass die Burgen
dieser Welt um dich her in Trümmer brechen. Halte du den Glauben
fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: Er hält sein Versprechen.

Burkhard Schäfer, Pfr


Auf ein Wort ….

Liebe Leserin, lieber Leser,

zart wie ein Spinnennetz sind die kunstvollen
Spitzen, die Frauen und Mädchen in Paraguay weben. Spanische Einwanderer
von den Kanarischen Inseln haben dieses ursprünglich arabische Kunsthandwerk
im 17. und 18. Jahrhundert in das Land im Herzen Südamerikas gebracht.
Die einheimischen Guaraní-Frauen erlernten und verfeinerten diese
Technik und gaben ihr den Namen Ñanduti, „Spinnennetz“. Ein Ñanduti
besteht aus kreisförmigen Mustern, die Motive aus der Natur darstellen:
Sonne, Sterne, verschiedene Blüten, Früchte, Regentropfen oder Schneekristalle.
Die über 50 verschiedenen Muster werden von Generation zu Generation
weitergegeben. Neben Deckchen und Decken in allen Farben und Formen
werden auch Tücher, Kleider und sogar Fahnen und Hängematten aus
Ñanduti hergestellt. Das zarte Gewebe ist erstaunlich stabil. Meist
werden Ñanduti in Heimarbeit gefertigt und sichern den Familien
wenigstens ein bescheidenes Einkommen. Für viele Frauen und Kinder
ist das traditionelle Kunsthandwerk so etwas wie ein Vater, der
für das tägliche Brot sorgt.

Ein solches Ñanduti ziert in diesem Jahr die
Gottesdienstordnung für den Weltgebetstag und auch die Ausgabe
März/April der Gemeindenachrichten: eine weiße Spitze auf rotem, grünem und
blauem Grund. Entworfen wurde das Titelbild von der Kunstlehrerin
María Victoria Servin. Zu ihrem Bild „Unter Gottes Zelt vereint“
schreibt sie selbst: „Gott hat uns großzügig beschenkt mit einem
Land mit reicher, fruchtbarer Erde in verschiedenen Farben.

Die rote Erde Paraguays erzählt von Leidenschaft
und Stärke der Menschen unseres Volkes, die an jedem Tag immer wieder
neu für ihre Hoffnungen und Ideale arbeiten und kämpfen – seit Beginn
der Geschichte unseres Landes bis zum heutigen Tag. Auf dieser roten
Erde wächst eine reiche Fülle von Pflanzen und Bäumen, aus denen
neues Leben sprosst: Hoffnungsboten, die uns immer wieder neu daran
erinnern, dass positive Veränderungen möglich sind. Als wollten
sie in den Himmel reichen, sprießen die üppigen Pflanzen, die als
Fülle von Grüntönen den Bildhintergrund bilden, nach oben. Der klare
blaue Himmel wölbt sich über uns alle, über jede und jeden einzelnen
von uns, bedeckt und umarmt uns. Überall finden wir die stille Anwesenheit
Gottes – wie ein Zelt, das uns immer und zu allen Zeiten schützt.“

Das Zentrum bildet eine Ñanduti -Spitze. Die
Künstlerin versteht sie als Symbol für das Ineinanderwirken zweier
Kulturen, der europäischen und der indigenen. In den vielfältigen
Mustern und Motiven spiegeln sich die einzigartigen Naturschönheiten
des Landes wider. Jeder Kreis hat sein eigenes filigranes Muster,
und doch wurde dieses Ñanduti aus nur einem einzigen Faden gemacht.
Ein schönes Bild für die Frage, wie Einheit in der Vielfalt möglich
ist: Es muss ein gemeinsames Band geben!

Im Brief an die Gemeinde in Ephesus, den die
Frauen aus Paraguay als einen der Lesungstexte für den Gottesdienst
ausgewählt haben, ist Christus dieses Band: „Bemüht euch, die Einheit
des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.
Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame
Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott
und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist.“
(Eph.4,3-6)

Dieses eine Band wird uns auch zusammenhalten,
wenn wir am 2. März in über 170 Ländern der Erde den Weltgebetstag
feiern, bei uns um 19 Uhr in der Kirche St. Marien im Wenscht. Dann
verbinden wir uns im Glauben zu einer „Einheit in Vielfalt“ – wie
im Symbol der kostbaren Ñanduti -Spitze aus Paraguay.

Almuth Schwichow

Auf ein Wort ….

Die dem Herrn vertrauen, schöpfen
neue Kraft.

Jesaja 40, 31

Wer das Bild einmal gesehen hat, wird beeindruckt
gewesen sein: das Bild des Adlers, der seine Schwingen ausbreitet
und in die Lüfte steigt, vom Aufwind getragen, scheinbar schwerelos.
Man kann nur staunen, wenn man die Flugvorführungen eines Falkners
beobachtet. Schwerelos über die Erde – so müsste man das Leben meistern
können!

Schön wär’s! Aber es ist zu schön, um wahr
zu sein. Auch wenn die Bibel genau dieses Bild benutzt, um die Kraft
des Glaubens und des Hoffnung zu beschreiben, mit der wir als Christen
rechnen dürfen: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass
sie auffahren mit Flügeln wie Adler…“ Schön wär’s! Aber das ist
ja nicht unsere Wirklichkeit. Unser Alltag sieht anders aus. So
wie das Leben der Menschen, an die der Prophet in Gottes Auftrag
dieses Wort erstmals gerichtet hat. In Gefangenschaft saßen sie
damals, die Israeliten, verschleppt in die Weiten des babylonischen
Reiches, heimatlos, rechtlos, hoffnungslos. Immer neuen Depressionen
waren diese Menschen ausgesetzt, sie waren am Ende ihrer Kraft.
Fertig, kaputt.

So weit entfernt sind wir von jenen Ersthörern
nicht. Auch wenn Tausende von Jahren zwischen ihnen und uns liegen.
Ist nicht mit Händen zu greifen, dass die Zahl der gefährdeten und
belasteten Menschen ständig zu nimmt, dass Depressionen zu- und
Lebensmut ab nimmt, ganz zu schweigen von der „Erschöpfung“ unserer
Erde, die längst unsere Gewässer, die Luft und unser Großklima erfasst
hat? Und auch im Blick auf unseren Glauben sieht es nicht viel anders
aus. Wer weiß denn nichts von Talfahrten seines Glaubens, von Durststrecken
der Hoffnung, von innerer Müdigkeit? Da sehen dann auch junge Leute
auf einmal ganz alt aus. Nein, wir sind keine Adler, die sich schwerelos
über die Lasten und Sorgen des Alltags erheben können. Wie viele
sehnen sich aber gerade nach neuen Kräften, nach Tankstellen der
Zuversicht.

Ob uns hier der alte Prophet nicht Hilfe geben
kann? „Die auf Jahwe harren, erneuern ihre Kraft“, so sagt der hebräische
Wortlaut. Harren auf Gott – das ist etwas anderes als das ungeduldige
Warten, bei dem einer alle 5 Minuten auf die Uhr schaut. Solches
Warten taugt nicht für den Umgang mit Gott. Harren – das meint das
feste Vertrauen in zuversichtlicher Gelassenheit, das da von aus
geht, dass Gott jetzt und hier handeln kann und dass er mit seiner
Kraft Einfluss nehmen kann auf unsere Schwächeperioden. Harren –
das ist ein Warten jenseits von Ungeduld und Nervosität, aber auch
abseits von jedem gleichgültigen Fatalismus. Es ist das Beharren
auf Gottes Zusage „Ich bin bei dir, dass ich dir helfe“.

Wo man dieses Harren übt, kann man Gottes
Kraft erfahren, darf man inmitten der eigenen Erschöpfung neue Kraft
schöpfen. Freilich: diese Kraft Gottes hat nicht viel zu tun mit
dem, was in unserer Welt Kraft genannte und als Kraft angepriesen
wird, mit Finanzkraft, mit Körperkraft, mit PS oder Atomkraft, mit
Muskel- oder Nervenkraft. Wir müssen an dieser Stelle unsere üblichen
Vorstellungen korrigieren lassen. Gottes Kraft – dieses Wort zeigt
geradewegs auf Jesu Kreuz. Dort ist die Kraft Gottes, die „neue
Kraft“ am eindrucksvollsten sichtbar geworden. Die Kraft, die im
Unterliegen siegt. Die Kraft, die wir erfahren, wenn wir frei geworden
sind von menschlichem Kraftdenken und irdischem Machtstreben. Wenn
wir das Leben und auch das Glauben nicht mehr aus eigener Kraft
schaffen wollen. „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft
ist in den Schwachen mächtig“, so hat es Paulus erfahren.


Die gleiche Erfahrung hat in der Barockzeit
auf seine Weise der Gründer des Hallischen Waisenhauses, August
Hermann Francke, gemacht. Er war Pfarrer in einer Vorstadt von Halle
a.d. Saale, die ein ganz schwieriger sozialer Brennpunkt war. Beherzt
nahm der Pfarrer einige Straßenkinder in sein Pfarrhaus auf. Dann
organisierte er einen ersten Elementarunterricht im Hause für weitere
Kinder. So begann aus kleinsten und bescheidensten Anfängen das
Glaubenswerk der bedeutenden Franckeschen Stiftungen. Den Giebel
des Hauptgebäudes ziert der Wahlspruch A.H. Franckes „Die auf den
Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln
wie Adler.“

Ich wünsche uns als Kirchengemeinde in der
gegenwärtigen schwierigen Umstrukturierungsphase etwas von dieser
Erfahrung – und ich wünsche Ihnen in Ihrem jeweiligen ganz persönlichen
Ergehen.

Es grüßt Sie

B. Schäfer, Pfr.