Auf ein Wort ….

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Kind habe
ich mich immer besonders gefreut, wenn ich in den Osterferien zu
meinen Großeltern nach Ostfriesland fahren durfte. Dort gab es nämlich
einen Brauch, den man im Siegerland damals nicht kannte: das Osterfeuer.
In der Woche vor Ostern waren vor allem wir Kinder unermüdlich unterwegs,
um alles Brennbare zu sammeln und aufzuschichten. Jedes Dorf hatte
natürlich den Ehrgeiz, ein möglichst großes Osterfeuer abzubrennen.
Am Karsamstag konnte ich es dann kaum erwarten, dass es dunkel wurde
und das Feuer endlich angezündet wurde. Meterhoch schlugen die Flammen
in den Abendhimmel. Von diesem Anblick war ich jedes Mal wieder
begeistert. Aber mir war dabei auch immer ein wenig mulmig. So ganz
geheuer war mir dieses riesige Feuer nie.

Feuer fasziniert
und erschreckt uns zugleich. Wir erschrecken vor seiner Zerstörungswut,
sind fasziniert von seinem Licht, seiner Energie und seiner Beweglichkeit.
Gern verbringen wir behagliche Stunden an einem Lagerfeuer, bei
Kerzenschein oder an einem offenen Kamin. Jahrtausende hindurch
haben die Menschen am offenen Herdfeuer gesessen. Das Herdfeuer
war die gehütete Mitte des Hauses. Da gab es Wärme, Nahrung und
Licht. Wer früher wissen wollte, wie groß ein Dorf war, der zählte
nicht die Einwohner, auch nicht die Häuser, sondern die Feuerstelle.
So viele Feuerstellen – so viele Familien.

Feuer gehört zu
den Urstoffen, zu den vier Elementen, aus denen alles entstanden
ist: Wasser, Erde, Feuer und Luft. Als Naturerscheinung begegnet
uns das Feuer in vielfältiger Weise: Vulkanausbrüche mit glühenden
Lavaströmen zeigen, dass unsere Erde noch viel Feuer in sich hat.
Urplötzlich schlägt der Blitz mit seinem Feuer ein. Die Sonne erhellt
uns den Tag, wenn auch nicht immer so strahlend, wie wir es uns
wünschen. Aber das Licht und die Wärme ihres Feuers macht Leben
auf der Erde überhaupt erst möglich. Waldbrände dagegen zerstören
riesige Gebiete und bedrohen Menschen und Tiere.

Feuer fasziniert
und erschreckt uns zugleich. Und weil es so unberechenbar und schwer
einzudämmen ist, ist es auch zum Bild menschlicher Leidenschaft
geworden. Im übertragenen Sinn steckt das Feuer auch in uns selbst:
im brennenden Schmerz, in der verzehrenden Liebe, im glühenden Hass,
im feurigen Blick, also in Gefühlen, die uns oft eher peinlich sind.
Wir möchten lieber cool sein und versuchen darum, intensive Gefühle
auszulöschen oder schon im Keim zu ersticken. „Sie sind voll des
süßen Wein“, spotteten die Leute, als die Jünger Jesu vom Heiligen
Geist erfüllt wurden und vor Begeisterung außer sich gerieten. Mit
Spott, Angst oder Vernunft engen wir leidenschaftliche Gefühle ein.
Kaum jemand traut sich, im Alltag seine wahren Gefühle zu zeigen.
Es sei denn, er oder sie ist bis über beide Ohren verliebt. Das
Feuer der Liebe ist vielleicht das einzige, das nichts von seiner
Kraft verloren hat. Doch wo das Feuer fehlt, fehlt oft auch die
Erfahrung, Gott unmittelbar zu begegnen.
 

In der Bibel ist
Feuer dasjenige Symbol für Gott, das seinem Wesen am nächsten kommt.
Gottes Geist, Gottes Liebe und Gottes Zorn sind wie Feuer, und wenn
Gott den Menschen erscheint, dann häufig in Gestalt des Feuers.
Als Mose Gott begegnet, hört er seine Stimme aus einem brennenden
Dornbusch, der von den Flammen jedoch nicht zerstört wird. Als das
Volk Israel die Gebote bekam, rauchte der Sinai, „weil der Herr
auf den Berg hinabfuhr in Feuer“. In einer Feuersäule zog Gott des
Nachts seinem Volk voran auf dem langen Weg durch die Wüste. Die
Hirten auf den Feldern von Bethlehem fürchteten sich sehr, als die
„Klarheit des Herrn“ sie umleuchtete. Und Paulus stürzt vor Damaskus
zu Boden, weil das „Licht des Herrn“ ihn geblendet hatte.


Jesus hat
einmal gesagt: „Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden.
Was wollte ich lieber, als dass es schon brennte?“ Das Feuer brennt,
und zwar so, dass niemand es löschen kann. Dieses Feuer brennt in
uns, in allen, die sich anstecken lassen von dem, was Jesus gesagt
und getan hat – so wie seine Jünger. Eben noch waren sie niedergeschlagen
gewesen. Sie vermissten Jesus noch immer und wussten nicht so recht,
was sie ohne ihn anfangen sollten. Doch an Pfingsten erschienen
ihnen „Zungen wie von Feuer“ und sie wurden vom Heiligen Geist erfüllt.
Das Feuer steckte sie an, entfachte neuen Mut und Begeisterung,
und so gingen sie zu den Menschen und gaben Gottes Liebe in Wort
und Tat weiter.

Gott kann auch
uns im Feuer erscheinen, wenn auch nicht gerade in einem brennenden
Dornbusch, in einer Feuersäule oder in kleinen Flammen, die über
unseren Köpfen tanzen. Aber Gott begegnet uns da, wo wir uns mit
ganzem Herzen für etwas einsetzen, wo wir Feuer und Flamme sind,
wo wir uns von seiner Liebe begeistern und anstecken lassen. Feuer
ist unser innerer Antrieb, unsere Kraftquelle. Doch gerade im Dienst
für den Nächsten, in der Fürsorge und dem Einsatz für andere wird
unsere Energie manchmal aufgezehrt – durch Ärger, Enttäuschung oder
Überlastung. Viele kennen das Gefühl, nur noch auf Sparflamme zu
kochen, sich kraftlos und erloschen zu fühlen, ausgebrannt zu sein.
Wer gibt unserem inneren Feuer dann wieder Nahrung?

„Gott“, so heißt
es im 2. Timotheusbrief, „hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Kraft, Liebe
und Besonnenheit brauchen wir vor allem, wenn wir uns für etwas
einsetzen. Gott schenke uns diesen Geist. Denn er ist das eine Feuer,
von dem wir alle zehren.

Ihre Pastorin
Almuth Schwichow

Auf ein Wort ….

AUF EIN WORT …

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt
und erstirbt, bleibt es allein;
wenn es aber erstirbt, bringt
es viel Frucht.

Johannes
12,24 –  Wochenspruch für den Sonntag Lätare (1.3. 2008)
 

Im Märzen spannt
der Bauer bekanntlich die Rösslein an, pflügt seinen Acker und sät
das Korn, das er im Spätsommer ernten möchte. Heutzutage und hierzulande
kommt das „Rösslein“ in der Regel auf vier Rädern und stark motorisiert
daher, aber ansonsten hat sich am Vorgang seit Jahrtausenden wenig
geändert. Denn Getreide wächst nun mal nur so: Einen Teil dessen,
was man geerntet hat, muss man wieder aussäen, damit es auch weiterhin
etwas zu ernten gibt. Wer nur kurzfristig denkt und die ganze Ernte
zu Mehl und dann zu Brot verarbeitet, hat im nächsten Jahr nichts
mehr – oder muss es teuer einkaufen.

Bei unseren riesigen
Agrarüberschüssen mag sich das von selbst verstehen, aber in ärmeren
Zeiten wird es manchen Bauern hart angekommen sein, sich das nötige
Saatgut buchstäblich vom Mund abzusparen. Da war die Versuchung
manchmal groß, lieber jetzt satt zu werden als an die Zukunft zu
denken. Und es kostete Überwindung, das Korn, statt es in die Mühle
zu bringen, erst einmal wegzuwerfen, um es vielfältig zurückzuerhalten
– und das auch nur, wenn alles gut ging. Trotzdem hätte jeder vernünftige
Bauer die Aussage Jesu unterstützt: „Wenn das Weizenkorn nicht in
die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt,
bringt es viel Frucht.“

Aber Jesus geht
es ja nicht um Bauernweisheiten. Wenn er vom Weizenkorn spricht,
dann meint er damit sich selbst und die, die ihm nachfolgen. Denn,
so geht es weiter, „wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren;
und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird es erhalten zum
ewigen Leben.“

Das hören wir
nicht gern. Wir können uns kaum vorstellen, dass man sein Leben
loslassen muss, um es zu gewinnen, dass es notwendig sein könnte,
das Leben zu verlieren, damit es an sein Ziel gelangt und seinen
Sinn erfüllt.

Aber wir brauchen
ja nur an Jesus zu denken: Was wäre gewesen, wenn er seinen Leidensweg
nicht gegangen wäre, wenn er sich der Verhaftung entzogen hätte,
um sein Leben irgendwo in stiller Abgeschiedenheit zu Ende zu leben?
Vielleicht wäre er dann glücklich im Kreis seiner Kinder und Enkel
alt geworden und schließlich einen friedlichen Tod gestorben, aber
er wäre heute vergessen. Denn er hätte dadurch alles entwertet,
was er vorher gesagt und getan hatte. Er hätte nicht dazu gestanden,
dass in ihm Gott zu den Menschen kam, und wir wüssten nichts von
der menschlichen Seite Gottes, blieben verstrickt in unsere Gottesferne
und in all die Schuld, die wir dadurch auf uns laden. Nur durch
den Tod Jesu hindurch konnte Gottes Liebe wirklich zu uns gelangen.
Ohne diesen Tod wäre sie sinnlos verschwendet gewesen. Wie ein Weizenkorn,
das zermahlen und aufgegessen wurde, bevor es Frucht bringen konnte.

Soweit zu Jesus.
Aber wie steht es mit uns? Könnte es auch für uns notwendig sein,
die Länge oder die Qualität unseres Lebens zu verkürzen, damit es
für andere Frucht bringt? Wenn ja, dann jedenfalls nur so, dass
es unsere eigene Entscheidung ist. So wie bei Sophie Scholl zum
Beispiel, die überzeugt war, nur mit sich selbst und mit Gott im
Reinen bleiben zu können, wenn sie ihr Leben im Widerstand gegen
Hitler hingab. Gottlob werden uns hier und heute solche Entscheidungen
nicht abverlangt. Aber eins gilt auch für uns: Unser Leben kann
nicht fruchtbar sein, wenn wir es ganz für uns behalten und nur
an uns selber denken. Nur wenn wir es mit anderen teilen, für andere
einsetzen, gewinnt es vor Gott einen Sinn. Deshalb rät uns die diesjährige
Fastenaktion zu „sieben Wochen ohne Geiz“: Sie will uns ermutigen,
mit dem, was wir an Zeit, an Geld, an Hab und Gut, an Menschlichkeit
besitzen, verschwenderisch umzugehen – zugunsten unserer Mitmenschen.
Es so zu sehen und entsprechend zu handeln, entspricht wahrlich
nicht dem Zeitgeist. Aber es bringt Gottes Geist in unsere Zeit.
Und darauf kommt es an.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete
Passions- und Osterzeit!

Ihr Pastor Martin Klein

Auf ein Wort…..

Liebe
Leserin, lieber Leser,

„Mit 66 Jahren,
da fängt das Leben an“, sang einst Udo Jürgens. Und viele singen
ein ähnliches Lied: Wenn ich erst in Rente bin, wenn die Kinder
aus dem Haus sind, wenn ich endlich volljährig bin, wenn ich meine
Ausbildung abgeschlossen habe, wenn ich erst den Mann oder die Frau
fürs Leben gefunden habe, wenn ich wieder gesund bin – dann geht
das Leben richtig los. Bis dahin scheint das Leben so eine Art Wartesaal
zu sein, in dem wir nur herumsitzen und auf bessere Zeiten hoffen.

Wie eine Einladung
in diesen Wartesaal kommt mir die Losung für das neue Jahr vor.
Christus spricht: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ Lebe ich
denn noch gar nicht? Oder lebe ich vielleicht nicht richtig? Oder
nicht genug? Woher soll ich denn wissen, ob mein Leben wirklich
gut und sinnvoll ist? Ob ich meine Lebensmöglichkeiten voll ausschöpfe?
Natürlich, es gibt Tage, da rauscht das Leben einfach nur an einem
vorbei. Tage, an denen ich schon froh bin, wenn ich mit den Aufgaben,
die mein Leben mir stellt, einigermaßen zurechtkomme.

Aber es gibt eben
auch Tage, an denen ich viel Freude am Leben habe, Tage, die erfüllt
sind und die mich spüren lassen, wie lebendig ich bin – schon jetzt
und nicht erst dann, wenn bessere Zeiten anbrechen.

Für Jesus und
seine Jünger brechen an diesem Abend schwere Zeiten an. Es ist der
letzte Abend, den sie gemeinsam verbringen. „Ich lebe, und ihr sollt
auch leben“, sagt Jesus, obwohl er weiß, dass er schon bald verhaftet
und hingerichtet wird. Er wird also gar nicht leben, sondern sterben.
Und als der, der schon so gut wie tot ist, spricht er vom Leben:
Ihr sollt leben, wie auch ich lebe! Das verspricht Jesus seinen
Jüngern, die schon bald ohne ihn dastehen werden und sich verwaist
fühlen. Und sich dann fragen, ob es richtig und sinnvoll war, Jesus
ihr Leben anzuvertrauen.

Jesus hat den
Tod vor Augen, aber er spricht von einem Leben, das der Tod nicht
endgültig zerstören kann. Denn Gott schenkt das Leben und hebt es
auf, wenn es hier zu Ende geht. Nicht mehr der Tod setzt die Bedingungen
dieses Lebens, sondern Gott, der Schöpfer. Wenn Jesus sagt: Ich
lebe, und ihr sollt auch leben, dann spielt er also nicht ein Leben
nach dem Tod gegen das Leben vor dem Tod aus. Das Leben, das er
verspricht, ist kein Wartesaal, in dem ich nur auf bessere Zeiten
hoffen kann oder auf das Jenseits. Es gehört voll und ganz in unsere
Gegenwart, in unseren Alltag. Aber dieses Leben hat eine andere
Tiefe. Es lebt aus dem Vertrauen auf Gott, der das Leben schenkt,
erhält und neu schafft. Menschen, die ihrem Schöpfer vertrauen,
werden leben, schon hier und jetzt und dann auch in Ewigkeit.

„Ich lebe, und
ihr sollt auch leben“, spricht Jesus Christus. Das ist unsere Losung
für das neue Jahr. Ein Wort, das mich nach vorne schauen lässt,
auch wenn es gilt, Altes zurückzulassen. Und ihr sollt auch leben.
Ja, ich will leben, an das Leben glauben, auch wenn der Tod immer
wieder ins Leben hineingreift. Auch wenn es mir manchmal schwer
fällt, Lebensfreude zu spüren oder die nötige Lebenskraft aufzubringen.
Ja, ich will leben und mich nicht ständig fragen, ob ich schon lebe,
noch lebe oder genug lebe. Denn mein Leben, das mir an manchen Tagen
so klein und gewöhnlich vorkommt und dann wieder ganz großartig,
steht unter diesem Versprechen: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“

Ein Jahr voller Leben wünscht Ihnen

Ihre Pastorin
Almuth Schwichow

Auf ein Wort ….

November-Gedanken

wer bist du kleines ich
(fünf
sechs jahre alt)
das starrt aus einem hohen
fenster auf das
gold
eines november-sonnenuntergangs
(und fühlt dass wenn
der tag
zur nacht schon werden muss
dies eine schöne weise
ist)

Dieses Gedicht
stammt von dem amerikanischen Maler und Schriftsteller E. E. Cummings.
Das englische Original gehört zu dem wenigen, was ich in meiner
Schulzeit auswendig gelernt und im Gedächtnis behalten habe – wahrscheinlich,
weil ich mich so gut in dieses „kleine ich“ hineinversetzen konnte.
Denn ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal aufgefallen ist, aber
die allerschönsten Sonnenuntergänge des Jahres gibt es tatsächlich
im November. Auch mich beeindrucken sie immer wieder, und das seit
frühster Jugend; denn sie finden ja zu einer Tageszeit statt, die
man auch als kleines Kind schon bewusst miterleben kann.

Ich erwähne das,
weil der November ja wetter- und stimmungsmäßig eher einen schlechten
Ruf hat. Neblig und feucht-kalt kommt er oft daher, stürmische Winde
fegen die letzten Blätter von den Bäumen, und nach der Zeitumstellung
wird uns bewusst, wie früh es plötzlich dunkel wird. Dann sind da
all diese unangenehmen Gedenktage: Allerheiligen, das dem evangelischen
Siegerländer nicht viel sagt, weshalb er dann gern zum Einkaufen
nach Hessen fährt oder den Tag nach einer gruslig-fröhlichen Hallowe’en-Party
verschläft. Der 9. November, der zwar vor achtzehn Jahren auch mal
ein glücklicher Tag der deutschen Geschichte war (Maueröffnung!),
ansonsten aber eher negativ besetzt ist (Reichspogromnacht!). Der
Volkstrauertag, an dem vielen Älteren die Kriegserinnerungen wieder
hoch kommen und viele Jüngere sich fragen, ob es sich nach über
sechzig Jahren nicht endlich ausgetrauert haben sollte.

Der Buß-
und Bettag, mit dem das Kirchenvolk nichts mehr anzufangen wusste
(wer tut schon gern Buße?), so dass man ihn staatlicherseits sang-
und klanglos abschaffen konnte. Und dann die letzten Sonntage des
Kirchenjahres, die uns auf den Tod, das Jüngste Gericht und das
Ewige Leben hinweisen – Themen, die wir gern verdrängen, weil wir
uns doch hier auf Erden alles in allem so gut eingerichtet haben.
Wahrscheinlich würden also viele Menschen nichts vermissen, wenn
gleich nach „Hallowe’en“ der Advent beginnen und mit „Oh-du-fröhliche-Weihnachtszeit“
den November-Trübsinn vertreiben würde.

Jedoch: Wenn es
darüber eines Tages eine Volksabstimmung geben sollte, dann wäre
ich gegen die Abschaffung des Novembers. Und das hat durchaus mit
den November-Sonnenuntergängen zu tun und mit dem, was E. E. Cummings
darüber gedichtet hat. Denn es ist ja so: Der Tag muss immer wieder
der Nacht weichen, der Sommer dem Winter, und auch alles Leben muss
vergehen. Das ist nun mal der Lauf der Dinge; denn wenn es nicht
Nacht würde, könnte es auch nicht wieder Tag werden, wenn der Herbst
nicht wäre, gäbe es keinen Frühling, und wenn Pflanzen, Tiere und
auch Menschen nicht sterben würden, wäre die Erde längst überfüllt,
und es könnte kein neues Leben entstehen. Das Vergehen muss also
sein, es „hat seine Zeit“, wie der Prediger Salomo sagt. Gut also,
wenn es dann wenigstens auf eine „schöne Weise“ geschieht: mit goldenen
Sonnenuntergängen, mit prächtigem Herbstlaub, mit einem Abschied
in Frieden nach einem erfüllten Leben.

Aber so ist es
ja nicht immer, mag jetzt mancher protestieren: Viel zu viele Pflanzen
und Tiere vergehen nicht in Schönheit, sondern werden vergiftet,
kahl geschlagen, ausgerottet, abgeschlachtet. Ganz zu schweigen
von dem Elend, in dem viel zu viele Menschen sterben: an Hunger
und AIDS, in Schützengräben und Gaskammern oder auch nach Monaten
und Jahren an Infusionsnadeln und Beatmungsgeräten.

Wohl wahr! Aber
wenn wir nüchtern fragen, wer denn daran schuld ist, dann müssen
wir uns an die eigene Nase packen: Menschen zerstören die Ordnung
und Schönheit der Natur, Menschen bringen andere Menschen um oder
nehmen ihren Tod in Kauf, Menschen schaffen die Verhältnisse, an
denen Menschen leiden. Also können Menschen auch eine ganze Menge
daran ändern, und jeder kann bei sich selber anfangen: bei der eigenen
Einstellung, der eigenen Aufmerksamkeit, dem eigenen Verhalten gegenüber
Tod und Sterben.

Der November mit
seinen Sonnenuntergängen und fallenden Blättern, aber auch mit seinen
unbequemen Gedenktagen gibt uns in besonderer Weise Zeit, um darüber
nachzudenken, und deshalb möchte ich ihn nicht missen. Er lenkt
unsere Gedanken darauf, wie Menschen trotz Leid und Trauer auf schöne,
friedliche Weise diese Welt verlassen können – so wie Gott es gewollt
hat und wie seine Schöpfung es uns zeigt. Er fragt uns, was wir
selber dafür tun können, damit es so wird – für uns und für andere.
Und schließlich lässt er auch aufscheinen, welcher neue Tag denn
für uns anbricht, nachdem die Nacht des Todes eingetreten ist, welche
Zukunft Gott für uns bereit hält und wie wir daraus Hoffnung schöpfen
können. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen gesegneten November
– und danach eine frohe Advents- und Weihnachtszeit!

Pfr. Martin Klein

Auf ein Wort ….

Ein gutes Wort geht über die
beste Gabe

Geburtstage, Jubiläen und Ehrungen sind ein
geeigneter Anlass, durch ein sorgfältiges ausgewähltes Geschenk
seine Wertschätzung gegenüber einem anderen Menschen zu bekunden
und ihm eine Freude zu bereiten. Dadurch wird die Beziehung aufrechterhalten
und gestärkt.

Als wieder einmal erwachsene Kinder ihren
Vater zum Geburtstag mit einem wertvollen Geschenk überrascht hatten,
glänzten seine Augen vor Rührung und großer Freude. Nachdem er zu
seiner gewohnten Fassung zurückgefunden hatte, meinte er ein wenig
schelmisch, aber dennoch bedeutungsvoll, das Liebste sei ihm
ein gutes Wort, das sie ihm nicht nur zu einem bestimmten Anlass
sagen, sondern das sie ihm auch sonst immer wieder schenken. Ein
gutes Wort gehe eben über die beste Gabe.

In der Bibel lesen wir im Weisheitenbuch Jesu
Sirach (Kap. 18, 15-17): „Mein Sohn, bring keinen Makel auf deine
Wohltaten und füg zu keiner Gabe kränkende Worte! Wie der Tau die
Hitze kühl, so ist ein gutes Wort besser als eine Gabe. Ja, ein
Wort ist oft wichtiger als eine große Gabe, und ein freundlicher
Mensch gibt sie beide.“ Wenn der Ephesserbrief (Kap. 4, 29) uns
Christen auffordert „über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern
nur ein Gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es
hört, Nutzen bringt“ dann steht dahinter die Erfahrung, dass tröstende,
gütige, anerkennende, aufbauende und ermutigende Worte sich immer
wieder als heilsam erweisen.

Im heutigen Medienzeitalter werden wir fast
pausenlos mit Worten überschüttet. Kein Wunder, dass sie so Wirkung
und Heilkraft verlieren. Die tägliche Flut von Informationen kann
man ja kaum mehr aufnehmen, geschweige den auch wirklich verarbeiten.
Dabei schwindet fast unbemerkt die Fähigkeit aufmerksam hinzuhören.
Hierbei lauert die Gefahr, dass der Einzelne für das Wesentliche
taub und stumm wird.

Jede Beziehung und jede Gemeinschaft lebt
aber auch vom Gespräch, vom Austausch und jedem guten Wort. Dieser
Austausch ist ungemein wichtig, um einander verstehen und um sich
gegenseitig eine Stütze sein zu können. Ein Gespräch unterscheidet
sich allerdings von einer Besprechung, die ein umsetzbares Ergebnis
anstrebt. Deshalb muss sich eine Besprechung immer an ihrer Effizienz
messen lassen. Das Gespräch hingegen bleibt nicht nur auf dieser
objektiven Ebene. Seine Qualität wird davon bestimmt, ob es anderen
und uns selbst weiter hilft, oder ob es nichtssagend und oberflächlich
bleibt und dadurch ins Leere läuft. Wenn es um das gute Wort
geht, das wir einander schenken möchten, dann dürfen wir der Frage
nicht ausweichen: Bringen Gespräche uns tatsächlich einander näher
oder reißen sie womöglich tiefe Gräben auf? Sind sie heilsam oder
verletzend? Fördern sie eine offene vertrauensvolle Atmosphäre oder
schweigt man sich am Ende nur noch gegenseitig an? Finden wahre
Gespräche anderswo statt als dort, wo sie eigentlich hingehören
und wo sie zu Recht erwartet werden?

Wie findet man aber nun zu einem guten Wort
bzw. zu einem förderlichen Gespräch?
Für Menschen, die sich in
besonderer Weise um gelingende menschliche Gemeinschaft gemüht haben
– wie der Hl. Benedikt oder auch Dr. Bonhoeffer – hängt das gute
Wort entscheidend mit dem Schweigen zusammen. Ohne diesen Zusammenhang
verkümmert das Wort. Benedikt behandelt in der Ordensregel die Schweigsamkeit
zwischen den Kapiteln über den Gehorsam und die Demut. Offensichtlich
will er betonen: Wer wesentlich sprechen will und tatsächlich etwas
zu sagen haben will, muss zunächst ein aufmerksamer Hörer sein,
einer der horchen und schließlich auch gehorchen kann. Zugleich
darf er, wenn sein Wort wirklich ernst genommen werden soll, nicht
ständig sich selbst in Szene setzen, sondern er spreche mit Demut
und Bescheidenheit.

Ein gutes Gespräch hängt auch nicht von dessen
Lange und von seiner Häufigkeit ab, sondern entspringt der inneren
Haltung, aus der heraus es geschieht. Wir kennen leider auch das
Gegenteil aus Erfahrung. Durch Reden, das unter negativem Vorzeichen
steht, können die Beziehungen und das Zusammenleben vergiftet werden.
Besonders die kleinen und oft unscheinbaren Bemerkungen verpesten
mit der Zeit das menschliche Klima. In solchen Reden kann sich ein
Herz spiegeln, in dem vermutlich Unordnung und Disharmonie wirksam
sind. Folglich setzt das gute Gespräch ein „reines“ Herz voraus.
Das gute Wort ist also ein Widerschein dessen, was man im Herzen
trägt. Es bereichert den persönlichen Austausch, ist ein Instrument
der Mitteilung und kann Gemeinschaft stiften. Gefragt ist daher
immer das Bemühen um ein wohltuendes Gesprächsklima und die stete
Pflege der guten Rede.

Dazu gehört auch eine entsprechende Streitkultur,
wenn kontroverse Meinungen und Standpunkte aufeinander treffen.
Man wird dann nicht mit provokanter Lautstärke sich durchzusetzen
versuchen. Ebenso macht man sich andere nicht dadurch gefügig, dass
man sich schweigend ins eigene Schneckenhaus zurück zieht. Wenn
andere ernst genommen werden, können Brücken gebaut werden, gibt
es ein echtes Miteinander, und es werden keine Barrieren errichtet,
die man vielleicht eines Tages nicht mehr überwinden kann.

Gerne hören wir dagegen jene Menschen, die
wirklich etwas zu sagen haben und deren Wort deshalb auch gewichtig
ist. Wir empfinden ein solches Wort immer als bereichernd, weil
es wirklich aus dem Herzen kommt. Wohl deshalb geht ein gutes Wort
über die beste Gabe.

Pfr. Burkhard Schäfer