Bei unseren riesigen
Agrarüberschüssen mag sich das von selbst verstehen, aber in ärmeren
Zeiten wird es manchen Bauern hart angekommen sein, sich das nötige
Saatgut buchstäblich vom Mund abzusparen. Da war die Versuchung
manchmal groß, lieber jetzt satt zu werden als an die Zukunft zu
denken. Und es kostete Überwindung, das Korn, statt es in die Mühle
zu bringen, erst einmal wegzuwerfen, um es vielfältig zurückzuerhalten
– und das auch nur, wenn alles gut ging. Trotzdem hätte jeder vernünftige
Bauer die Aussage Jesu unterstützt: „Wenn das Weizenkorn nicht in
die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt,
bringt es viel Frucht.“
Aber Jesus geht
es ja nicht um Bauernweisheiten. Wenn er vom Weizenkorn spricht,
dann meint er damit sich selbst und die, die ihm nachfolgen. Denn,
so geht es weiter, „wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren;
und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird es erhalten zum
ewigen Leben.“
Das hören wir
nicht gern. Wir können uns kaum vorstellen, dass man sein Leben
loslassen muss, um es zu gewinnen, dass es notwendig sein könnte,
das Leben zu verlieren, damit es an sein Ziel gelangt und seinen
Sinn erfüllt.
Aber wir brauchen
ja nur an Jesus zu denken: Was wäre gewesen, wenn er seinen Leidensweg
nicht gegangen wäre, wenn er sich der Verhaftung entzogen hätte,
um sein Leben irgendwo in stiller Abgeschiedenheit zu Ende zu leben?
Vielleicht wäre er dann glücklich im Kreis seiner Kinder und Enkel
alt geworden und schließlich einen friedlichen Tod gestorben, aber
er wäre heute vergessen. Denn er hätte dadurch alles entwertet,
was er vorher gesagt und getan hatte. Er hätte nicht dazu gestanden,
dass in ihm Gott zu den Menschen kam, und wir wüssten nichts von
der menschlichen Seite Gottes, blieben verstrickt in unsere Gottesferne
und in all die Schuld, die wir dadurch auf uns laden. Nur durch
den Tod Jesu hindurch konnte Gottes Liebe wirklich zu uns gelangen.
Ohne diesen Tod wäre sie sinnlos verschwendet gewesen. Wie ein Weizenkorn,
das zermahlen und aufgegessen wurde, bevor es Frucht bringen konnte.
Soweit zu Jesus.
Aber wie steht es mit uns? Könnte es auch für uns notwendig sein,
die Länge oder die Qualität unseres Lebens zu verkürzen, damit es
für andere Frucht bringt? Wenn ja, dann jedenfalls nur so, dass
es unsere eigene Entscheidung ist. So wie bei Sophie Scholl zum
Beispiel, die überzeugt war, nur mit sich selbst und mit Gott im
Reinen bleiben zu können, wenn sie ihr Leben im Widerstand gegen
Hitler hingab. Gottlob werden uns hier und heute solche Entscheidungen
nicht abverlangt. Aber eins gilt auch für uns: Unser Leben kann
nicht fruchtbar sein, wenn wir es ganz für uns behalten und nur
an uns selber denken. Nur wenn wir es mit anderen teilen, für andere
einsetzen, gewinnt es vor Gott einen Sinn. Deshalb rät uns die diesjährige
Fastenaktion zu „sieben Wochen ohne Geiz“: Sie will uns ermutigen,
mit dem, was wir an Zeit, an Geld, an Hab und Gut, an Menschlichkeit
besitzen, verschwenderisch umzugehen – zugunsten unserer Mitmenschen.
Es so zu sehen und entsprechend zu handeln, entspricht wahrlich
nicht dem Zeitgeist. Aber es bringt Gottes Geist in unsere Zeit.
Und darauf kommt es an.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete
Passions- und Osterzeit!
Ihr Pastor Martin Klein
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