Liebe Leserin, lieber Leser,
als Kind habe
ich mich immer besonders gefreut, wenn ich in den Osterferien zu
meinen Großeltern nach Ostfriesland fahren durfte. Dort gab es nämlich
einen Brauch, den man im Siegerland damals nicht kannte: das Osterfeuer.
In der Woche vor Ostern waren vor allem wir Kinder unermüdlich unterwegs,
um alles Brennbare zu sammeln und aufzuschichten. Jedes Dorf hatte
natürlich den Ehrgeiz, ein möglichst großes Osterfeuer abzubrennen.
Am Karsamstag konnte ich es dann kaum erwarten, dass es dunkel wurde
und das Feuer endlich angezündet wurde. Meterhoch schlugen die Flammen
in den Abendhimmel. Von diesem Anblick war ich jedes Mal wieder
begeistert. Aber mir war dabei auch immer ein wenig mulmig. So ganz
geheuer war mir dieses riesige Feuer nie.
Feuer fasziniert
und erschreckt uns zugleich. Wir erschrecken vor seiner Zerstörungswut,
sind fasziniert von seinem Licht, seiner Energie und seiner Beweglichkeit.
Gern verbringen wir behagliche Stunden an einem Lagerfeuer, bei
Kerzenschein oder an einem offenen Kamin. Jahrtausende hindurch
haben die Menschen am offenen Herdfeuer gesessen. Das Herdfeuer
war die gehütete Mitte des Hauses. Da gab es Wärme, Nahrung und
Licht. Wer früher wissen wollte, wie groß ein Dorf war, der zählte
nicht die Einwohner, auch nicht die Häuser, sondern die Feuerstelle.
So viele Feuerstellen – so viele Familien.
Feuer gehört zu
den Urstoffen, zu den vier Elementen, aus denen alles entstanden
ist: Wasser, Erde, Feuer und Luft. Als Naturerscheinung begegnet
uns das Feuer in vielfältiger Weise: Vulkanausbrüche mit glühenden
Lavaströmen zeigen, dass unsere Erde noch viel Feuer in sich hat.
Urplötzlich schlägt der Blitz mit seinem Feuer ein. Die Sonne erhellt
uns den Tag, wenn auch nicht immer so strahlend, wie wir es uns
wünschen. Aber das Licht und die Wärme ihres Feuers macht Leben
auf der Erde überhaupt erst möglich. Waldbrände dagegen zerstören
riesige Gebiete und bedrohen Menschen und Tiere.
Feuer fasziniert
und erschreckt uns zugleich. Und weil es so unberechenbar und schwer
einzudämmen ist, ist es auch zum Bild menschlicher Leidenschaft
geworden. Im übertragenen Sinn steckt das Feuer auch in uns selbst:
im brennenden Schmerz, in der verzehrenden Liebe, im glühenden Hass,
im feurigen Blick, also in Gefühlen, die uns oft eher peinlich sind.
Wir möchten lieber cool sein und versuchen darum, intensive Gefühle
auszulöschen oder schon im Keim zu ersticken. „Sie sind voll des
süßen Wein“, spotteten die Leute, als die Jünger Jesu vom Heiligen
Geist erfüllt wurden und vor Begeisterung außer sich gerieten. Mit
Spott, Angst oder Vernunft engen wir leidenschaftliche Gefühle ein.
Kaum jemand traut sich, im Alltag seine wahren Gefühle zu zeigen.
Es sei denn, er oder sie ist bis über beide Ohren verliebt. Das
Feuer der Liebe ist vielleicht das einzige, das nichts von seiner
Kraft verloren hat. Doch wo das Feuer fehlt, fehlt oft auch die
Erfahrung, Gott unmittelbar zu begegnen.
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In der Bibel ist
Feuer dasjenige Symbol für Gott, das seinem Wesen am nächsten kommt.
Gottes Geist, Gottes Liebe und Gottes Zorn sind wie Feuer, und wenn
Gott den Menschen erscheint, dann häufig in Gestalt des Feuers.
Als Mose Gott begegnet, hört er seine Stimme aus einem brennenden
Dornbusch, der von den Flammen jedoch nicht zerstört wird. Als das
Volk Israel die Gebote bekam, rauchte der Sinai, „weil der Herr
auf den Berg hinabfuhr in Feuer“. In einer Feuersäule zog Gott des
Nachts seinem Volk voran auf dem langen Weg durch die Wüste. Die
Hirten auf den Feldern von Bethlehem fürchteten sich sehr, als die
„Klarheit des Herrn“ sie umleuchtete. Und Paulus stürzt vor Damaskus
zu Boden, weil das „Licht des Herrn“ ihn geblendet hatte.
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Jesus hat
einmal gesagt: „Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden.
Was wollte ich lieber, als dass es schon brennte?“ Das Feuer brennt,
und zwar so, dass niemand es löschen kann. Dieses Feuer brennt in
uns, in allen, die sich anstecken lassen von dem, was Jesus gesagt
und getan hat – so wie seine Jünger. Eben noch waren sie niedergeschlagen
gewesen. Sie vermissten Jesus noch immer und wussten nicht so recht,
was sie ohne ihn anfangen sollten. Doch an Pfingsten erschienen
ihnen „Zungen wie von Feuer“ und sie wurden vom Heiligen Geist erfüllt.
Das Feuer steckte sie an, entfachte neuen Mut und Begeisterung,
und so gingen sie zu den Menschen und gaben Gottes Liebe in Wort
und Tat weiter.
Gott kann auch
uns im Feuer erscheinen, wenn auch nicht gerade in einem brennenden
Dornbusch, in einer Feuersäule oder in kleinen Flammen, die über
unseren Köpfen tanzen. Aber Gott begegnet uns da, wo wir uns mit
ganzem Herzen für etwas einsetzen, wo wir Feuer und Flamme sind,
wo wir uns von seiner Liebe begeistern und anstecken lassen. Feuer
ist unser innerer Antrieb, unsere Kraftquelle. Doch gerade im Dienst
für den Nächsten, in der Fürsorge und dem Einsatz für andere wird
unsere Energie manchmal aufgezehrt – durch Ärger, Enttäuschung oder
Überlastung. Viele kennen das Gefühl, nur noch auf Sparflamme zu
kochen, sich kraftlos und erloschen zu fühlen, ausgebrannt zu sein.
Wer gibt unserem inneren Feuer dann wieder Nahrung?
„Gott“, so heißt
es im 2. Timotheusbrief, „hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Kraft, Liebe
und Besonnenheit brauchen wir vor allem, wenn wir uns für etwas
einsetzen. Gott schenke uns diesen Geist. Denn er ist das eine Feuer,
von dem wir alle zehren.
Ihre Pastorin Almuth Schwichow
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