Weihnachtsmarkt 2014: Ein Rückblick der etwas anderen Art

Wir, die vier Glückspilze

Am 24. November schwante uns nichts Gutes, meinen drei Brüdern und mir. Unser Besitzer, „der Wirt des Landes“, kam mit seiner Motorsäge in unsere Fichtenschonung oberhalb von Langenholdinghausen. Ein paar kurze Blicke, einige Handgriffe, dann ohrenbetäubender Lärm. Und schon lagen wir im Gras, wenig später auf einem Anhänger. Ein Trecker zog ihn zum Bauernhof, Hof „Kolwe“ genannt, der von unserem Besitzer und seiner Frau geführt wird. Zwei Tage lang standen wir nebeneinander an der Scheune. „Was haben die mit uns vor?“, fragte unser Kleinster. „Keine Ahnung.“

Dann kamen zwei Männer und ein junges Mädchen. Sie brachten uns zwei Orte weiter an ein riesengroßes Gebäude, die „Talkirche“. Unsere Angst verflog, denn man schmückte uns! Jeden mit zwanzig großen, roten, glänzenden Schleifen. Toll sahen wir aus! Dann wurden die vielen Hütten eingeräumt, und es kamen unzählig viele Besucher. „Wir sind echte Glückspilze, wir vier!“, raunten wir uns zu. „Erst viele Jahre Waldesstille, jetzt Lichterglanz und Budenzauber. Erst Tag für Tag Langeweile und Eintönigkeit, jetzt Trubel und Heiterkeit und gut gelaunte Menschen!“

"Wie der Kleine meine schönen Schleifen bewundert!"
„Wie der Kleine meine schönen Schleifen bewundert!“

Mich hatte man an die rechte Seite der hohen Steintreppe gestellt. Ein exzellenter Platz! Hier hatte ich einen guten Blick. Hier wurde der Weihnachtsmarkt von der „Meisterin der Bürger“ und vom „Meister der Kirche“ eröffnet. Hier kamen die meisten Besucher vorbei, hier spielten die Turmbläser ihre schönen Weisen, hier wurde gegessen und getrunken. Hier war richtig was los. Und wie es hier duftete! Nach Würstchen und Bratkartoffeln. Nach Glühwein und Apfelpunsch. Nach Waffeln und Crêpes. Nach Reibeplätzchen und geräucherten Forellen. Nach „Orgelspießen“ und „Ploff“. Einfach betörend, diese Wohlgerüche!

Tagsüber war es auf dem Markt ziemlich laut. Dann konnten wir vier uns untereinander nicht verständigen. Aber nachdem die emsigen „Beleuchter der Kirche“ am späten Abend alle Lampen weggetragen hatten, ging es los mit dem Erzählen und Berichten. Unser Kleinster, der bei einer Bude mit vielen eingepackten Geschenken stand, war nicht zu bremsen: „Die Leute kaufen wie verrückt. Und ihre Kinder backen Teig an Stöcken. Und alle strömen in das Glashaus; es soll ganz neu sein!“ Unser Größter, den man rechts neben den großen Fenstern postiert hatte, konnte das nur bestätigen. „Das mit dem Glashaus stimmt! Alle sind total begeistert! Dort läuft eine wunderschöne Bilderschau; und es gibt die tollsten Geschenke: Krippen und Adventsgestecke und Marmeladen und Schals und Liköre!“ Der Kleinste fiel ihm ins Wort: „Ja, und Schmuck und beschriebene Weihnachtsbaumkugeln und Pralinen und Engel. Es scheint sehr gemütlich zu sein; alles ist herrlich geschmückt und überall brennen Kerzen! Im alten Steinhaus nebenan stärken sich die Leute mit Kaffee und Kuchen.“

Jetzt meldete sich unser etwas vollschlanker Bruder zu Wort, er stand etwas unterhalb der kleinen Kirchentür: „Das steht auf jeden Fall fest: Die ´Fleißigen der Kirche´ haben hier ganz schön was auf die Beine gestellt! Ihre Leistung wird von allen Besuchern des Marktes sehr bewundert. Eine Frau sagte: ´Das würden wir in … – ich habe den Ortsnamen leider vergessen – … nie hinbekommen!´ Ja, und das Warenangebot soll so gut sein wie nie zuvor! In der Kirche werden auch noch schöne Sachen verkauft, z.B. Mützen und Mengen von Büchern und Strümpfe.“

"An meiner Ecke war drei Tage lang richtig was los!"
„An meiner Ecke war drei Tage lang richtig was los!“

Dann fragte er mich, was mir zu Ohren gekommen sei. Ich antwortete: „Die Leute schwärmen von den kulinarischen Köstlichkeiten. Und von der tollen Beleuchtung und den wunderschönen Feuertonnen. Die Stimmung soll noch nie besser gewesen sein. Und das Miteinander der ´Fleißigen der Kirche´ sei nicht mehr zu überbieten. Und es gebe dieses Mal bestimmt ein Rekordergebnis. Das alles sagte der ´Meister der Kirche´ zu dem Mann mit dem spitzen, grauen Hut, der überall Fotos machte und der mich immer wieder gerade richtete, wenn ich durch den Wind umzufallen drohte.“

Dazu meinte unser Größter: „Wo du gerade vom Wind sprichst: Das Wetter spielte natürlich mit. Kein Regen. Kein Schnee. Kein Sturm. Aber das haben die sich hier auch verdient! Habt ihr eigentlich gesehen, dass auch viele vom ´Nachwuchs der Kirche´ (Anm. d. Red.: Gemeint sind Konfirmanden und Jugendliche) mitgewirkt haben, ich finde das einfach hirschstark!“

„Eine Sache sollte auch noch angesprochen werden: Das hervorragende Programm in der Kirche“, sagte unser vollschlanker Bruder. „Ich habe das hier an der Tür alles genau mitbekommen. Es war immer was los! Und immer waren viele Zuschauer und Zuhörer da! Es tanzten die ´Kinder der Kitas´. Und die ´Kinder der Schulen´ (Anm. d. Red.: Albert-Schweitzer-Schule, Hüttentalschule und Ev. Gymnasium) spielten und musizierten. Einfach toll! Ganz festlich gekleidet kam man am zweiten Abend zu dem großen Konzert (Collegium Vocale und Bach-Orchester), viele auch zu dem Gottesdienst am letzten Tag. Da hörte ich den ´Chor der Kirche´ singen und der, der mittendrin lange redete, soll der oberste Chef aus Siegen sein!“

Unser Größter hatte noch eine, wie ich meine, wichtige Mitteilung: „Wir wollen die ´Schule des Waldes´ in dem großen Anhänger nicht vergessen. Mit Bekannten und Nachbarn von uns, mit Tieren und anderen Pflanzen. Das haben die bestimmt wegen uns gemacht, damit wir uns so richtig wohl fühlen.“ Und mein kleinster Bruder ergänzte: „Und damit wir kein Heimweh bekommen!“ Da plötzlich eine andere Stimme, die von dem „Riesen“, der links neben der großen Treppe stand, der bis jetzt ganz stumm gewesen war und den die „Kinder der Kitas“ erst bei der Eröffnung geschmückt hatten: „Mich haben die ´Fleißigen der Kirche´ aufgestellt, um auf euch aufzupassen. Und ich soll euch beschützen!“ Zusammen antworteten wir: „Deshalb hat uns auch niemand was getan. Danke!“

Am Tag nach dem Markt kam der Mann mit dem spitzen, grauen Hut und steckte unsere großen, roten, glänzenden Schleifen in verschiedene Taschen. Mich packte er und trug mich zu seinem alten Auto. „Macht´s gut“, rief ich meinen Brüdern zu. „Hab keine Angst! Der wird sich bestimmt rührend um dich kümmern“, hörte ich den Größten sagen. Und wirklich! Ich kam in ein warmes Haus und wurde ein zweites Mal geschmückt. Jetzt noch viel schöner. Mit goldenen Kugeln und sogar mit roten Kerzen! Aber das ist eine andere Geschichte.