Rassismus im Alltag – wo begegnet er mir?

Liebe Gemeinde,

wie schon berichtet, hat sich das Presbyterium bei seinem Wochenende im vergangenen Jahr in Nordhelle ausführlich mit dem Thema „Rassismus“ befasst und möchte dieses Thema auch weiter behandeln. Nachdem im letzten Gemeindebrief Katja Mohn darüber berichtet hat, wo uns Rassismus im Alltag begegnet, sollen diesmal Regeln vorgestellt werden, die man bei ernsthaften Diskussionen beachten sollte.

Die beiden Moderatoren (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg), die uns in Nordhelle durch das Thema geführt haben, hatten dazu die „10 goldenen Regeln“ aufgeschrieben (siehe Bild) und erläutert. Vorher aber gab es ein Rollenspiel: In einer Kneipe, dem Pilsstübchen, sollte kontrovers über die Zunahme des Ausländeranteils in Geisweid diskutiert werden. Dazu mussten ein paar von uns in die Rolle der Ausländergegner schlüpfen und ein paar andere in die Rolle der Befürworter. Das Rollenspiel hat richtig Spaß gemacht, man konnte mal so richtig vom Leder ziehen und sich Argumente an den Kopf werfen – von beiden Seiten. In der anschließenden Beurteilung dieses Rollenspiels wurde dann aber auch aufgedeckt, welches Verhalten und welche Argumente nicht wirklich hilfreich für eine zielführende Diskussion über den Sachverhalte waren und welche gefehlt hatten.

Hier nun diese 10 Regeln mit ein paar Anmerkungen von mir dazu.

I. Gegenüber ernst nehmen

Natürlich muss ich meinen Diskussionsgegner und auch seine Argumente ernst nehmen, sonst diskutiere ich ja nur zum Spaß oder um mir „Luft zu machen“, und damit bin ich dann wieder im Pilsstübchen.

II. Gesprächsregeln betonen

Wir alle kennen Gesprächsregeln (z.B. dem anderen nicht ins Wort fallen, den anderen nicht anschreien, keine aggressive Körperhaltung einnehmen). Im Eifer werden die aber vielleicht doch mal vergessen und dann sollte man ruhig nochmal darauf hinweisen.

III. Grenzen der Gesprächsbereitschaft klarmachen

Auch wenn man mit einer Diskussion Einsicht und Umdenken des Gesprächspartners erreichen will, kann der Verlauf einer Diskussion doch an Grenzen der Gesprächsbereitschaft stoßen, und die Diskussion sollte dann besser beendet werden. Für mich wäre z.B. im Bezug auf Rassismus eine Grenze erreicht, wenn Menschen wegen ihrer Rassenzugehörigkeit als minderwertig bezeichnet oder über sie in beleidigender Weise gesprochen würde.

IV. Polarisierungen auflösen (wir / die)

Wir neigen in Diskussionen manchmal zum Polarisieren: „die Demonstranten sind ja alle Rassisten, aber wir sind der Meinung, dass …“. Mit solchen Polarisierungen vereinfacht man gerne die Dinge, damit wird aber auch vereinfacht, was nicht einfach ist. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern auch viele Grautöne.

V. Parolenspringen unterbinden

Wer keine belegbaren Argumente hat, benutzt gerne Parolen, die man schon öfter gehört hat, z.B. „Flüchtlinge nehmen uns die Arbeitsplätze weg“. Solche Parolen täuschen, weil sie ja nbekannt sind, eine Vertrauenswürdigkeit vor. Beim Hinterfragen wird dann oft mit einer neuen Parole argumentiert. Das muss man in einer Diskussion aber nicht zulassen. Man sollte schon darauf bestehen, dass Argumente oder auch Parolen erklärt oder belegt werden.

VI. Nicht persönlich werden

Persönlich, bzw. persönlich beleidigend zu werden, verbietet sich, denke ich, sowieso – auch dann, wenn mein Gegenüber sozusagen alles dafür tut, dass meine Abneigung gegen ihn und seine Ansichten immer stärker werden.

VII. Ansprüche reduzieren -> Umstehende im Blick haben

Natürlich achtet man darauf, dass Wortwahl und Ausdrucksweise nicht niveaulos werden. Aber es ist auch wichtig, nicht zu „hochtrabend“ zu reden und keine Begriffe oder Fremdworte zu benutzen, die kaum jemand kennt. Dabei soll das Niveau nicht nur dem Gesprächsgegenüber angepasst sein, sondern auch den Leuten, die vielleicht daneben stehen und zuhören.

VIII. Bündnispartner suchen

Auch wenn ich noch so gute Argumente habe und diese gut vorbringe, ist es hilfreich, wenn andere Diskussionsteilnehmer oder Dabeistehende, die gleicher Meinung sind, dies auch zum Ausdruck bringen. Vielleicht muss ich sie dazu auffordern („stimmt doch, was ich sage?“ oder „sag doch auch was dazu!“)

IX. Selbstkritischer Blick

In der Diskussion mit Rassisten oder Menschen die Rassismus weniger kritisch sehen, habe ich für meine Position sicherlich gute Argumente und fühle mich auf der richtigen Seite. Dennoch ist ein selbstkritischer Blick auf mein Diskussionsverhalten und auch auf meine Argumente hilfreich und bewahrt mich vor Überheblichkeit.

X. Humor bewahren (?)

Ja, eigentlich sollte man auch kontroverse Diskussionen mit einem Schuss Humor auflockern und damit die Situation entspannen. Aber hier wurde hinter den Humor ein Fragezeichen in Klammern gesetzt – als doch kein Humor? Ich denke: Humor ist o.k., aber man muss besonders beim Thema Rassismus aufpassen, dass Geschehnisse und das weit verbreitetes rassistisches Gedankengut dadurch nicht verharmlost werden.

Soweit die 10 goldenen Regeln. Vielleicht wird der eine oder andere sich daran erinnern, wenn er oder sie mal in einem Pilsstübchen oder sonst wo mit anderen streitet und kann dadurch eine Konfrontation zu einem zielführenden Gedankenaustausch werden lassen.

Martin Wüst