Predigt, Wenschtkirche, Sonntag, 30. April 2017

Konfirmationsgottesdienst

 
Text: Joh 6,66-69

Liebe Konfis!

Die Kirche ist heute gut gefüllt, aber trotzdem predige ich mal nur für euch, so als ob wir ganz unter uns wären. Denn um euch geht es; ihr steht im Mittelpunkt. Eure Eltern, Großeltern, Geschwister und Paten, Freunde und Verwandte, Presbyter und Bläser, Küsterin und Organistin – sie alle sind heute euretwegen hier, um mit euch eure Konfirmation zu feiern. Und weil ich weiß, dass ihr keine langen Predigten mögt, halte ich eine kurze Predigt über einen kurzen Text. Er steht im Johannesevangelium, im 6. Kapitel:

Von da an wandten sich viele der Jünger Jesu ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: „Wollt ihr auch weggehen?“ Da antwortete ihm Simon Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“

Wie man gleich merkt, sind Jesus und seine Jünger hier an einem kritischen Punkt angekommen. Gerade hat Jesus eine wichtige Rede gehalten – klar und deutlich, aber auch gewagt und anstößig. „Ich bin das Brot des Lebens“, hat er gesagt. „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nie mehr dürsten.“ Die Leute nehmen ihm das nicht ab. Wie kann ein Mensch so etwas von sich behaupten? Wie kann er verlangen, dass man an ihn glaubt, als ob er der liebe Gott wäre? Bisher fanden sie Jesus ja ganz gut. Kranke gesund machen war okay. Dafür sorgen, dass hungrige Menschen was zu essen kriegen, war auch okay. Da konnte man sogar damit leben, dass Jesus ständig von Gott redete und ihn seinen Vater nannte. Aber das hier ging zu weit. Jetzt reichte es ihnen. Sie ließen Jesus stehen und gingen.
Ich hab den Eindruck, dass es vielen von euch Konfis so ähnlich geht. Ihr seid in einem Alter, wo sich für euch vieles verändert, wo vieles auf euch einstürmt und euch beschäftigt – und wir merken immer, dass es nicht unbedingt der ideale Zeitpunkt ist, um euch auch noch mit Jesus oder den Zehn Geboten zu kommen. Trotzdem habt ihr jetzt gut anderthalb Jahre an unserer Konfirmandenarbeit teilgenommen, habt brav eure Unterschriften gesammelt für Blocktage, Projekte, Freizeiten und Gottesdienste und seid nun heute hier, um konfirmiert zu werden. Vielleicht seid ihr einfach deshalb dabei, weil es halt irgendwie dazu gehört, weil eure Eltern das so wollten, weil es ja schon auch ein bisschen Spaß macht, und wenn nicht, weil wenigstens ein ordentlicher Stundenlohn winkt. Ich habe aber gerade bei euch den Eindruck gehabt, dass euch ganz tief drin, da, wo ihr nicht jeden ran lasst, die Sache mit Gott tatsächlich interessiert. Und dass ihr etwas sucht, woran ihr euch halten, wonach ihr leben und handeln könnt.
Das lese ich auch aus den Konfirmationssprüchen, die ihr euch ausgesucht habt. Da ist viel von der Liebe die Rede, die Gott schenkt und die wir weitergeben, auch vom Glauben, von der Hoffnung, von der Freiheit, von Gott und seinen Engeln, die mich behüten, mir helfen und mir den Weg weisen. Dass es so einen Gott gibt, der uns Menschen liebt und uns durchs Leben begleitet, einen Gott, auf den wir hoffen und vertrauen können, der uns Orientierung gibt, wie wir leben sollen und was wirklich wichtig ist, darauf scheint es euch also anzukommen. Auch wenn ihr vielleicht eure Zweifel habt, ob es diesen Gott denn tatsächlich gibt. Auch wenn ihr dazu sicher noch viele Fragen habt, die wir in der Konfirmandenzeit höchstens ankratzen konnten.
Einen Gott zu haben, der euch liebt, das ist oder wäre für euch also eine gute Sache. Aber dann kommen so Leute wie ich und erzählen euch von Jesus: davon, dass er Gottes Sohn ist, dass Gott in ihm Mensch geworden ist und dass der Weg zu Gott über Jesus führt. Aber das zu glauben, damit habt ihr – und nicht nur ihr – wohl ähnliche Schwierigkeiten wie die Leute damals. Glaubenssätze über Jesus kommen jedenfalls unter euren Konfirmationssprüchen eher selten vor. Vielleicht interessiert euch Jesus gar nicht so sehr, weil das mit ihm schon so schrecklich lange her ist. Vielleicht findet ihr ihn als Menschen durchaus beeindruckend, gesteht ihm sogar zu, dass er Gott besonders nahe war. Aber Gottes Sohn? Wie soll ein Mensch Gottes Sohn sein – und damit selber Gott?
Noch mal zurück zum Text: Als die Menschenmenge weg ist, stehen noch zwölf Leute um Jesus herum. Seine engsten Vertrauten, seine besten Freunde. Ich finde interessant, was Jesus zu ihnen sagt. Er sagt nicht: „Gott sei Dank, dass wenigstens ihr noch da seid!“ Er zieht auch nicht mit ihnen zusammen über die ungläubige Menge her. Nein, er stellt ihnen nur eine schlichte Frage: „Wollt ihr auch weggehen?“
Aus dieser Frage lese ich zwei Dinge. Einmal möchte Jesus natürlich, dass seine Jünger da bleiben. Aber dann weiß er auch, dass er sie nicht dazu zwingen kann. Es steht ihnen frei, zu gehen. Und wenn sie das tun, wird er sie nicht aufhalten.
Aber sie gehen nicht. Sie bleiben da. Und Petrus sagt, warum: „Wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ Das ist noch keine fertige Antwort. Kein ausgefeiltes Glaubensbekenntnis, wie wir es gleich sprechen werden. Auch Petrus sagt noch nicht: „Du bist Gottes Sohn.“ Er ist erst auf dem Weg dahin, das zu erkennen. Aber eins weiß er und sagt es auch: „Nirgendwo sind wir Gott so nahe wie bei dir. Nirgendwo sonst können wir erfahren, worauf es wirklich ankommt im Leben. Und deshalb wollen wir mehr von dir hören, weiter mit dir zusammen sein, besser verstehen, wer du bist.“
Wenn ich mir von euch Konfis heute etwas wünschen dürfte, dann wäre es so eine Antwort. Wenn ihr geht und nicht wieder kommt, nachdem ihr heute diese Kirche verlassen habt, dann können auch wir euch nicht daran hindern. Und vielleicht ist es ja so: Vielleicht war es für euch zwar schön mit uns oder zumindest ganz okay, aber jetzt ist es eben erst mal gut mit Kirche. Wenn das so ist, dann müssen wir es akzeptieren und können euch nur mit auf den Weg geben: Geht mit Gott, wenn ihr geht! Möge er immer bei euch sein und euch niemals verlassen!
Aber vielleicht ist es ja auch anders. Vielleicht geht es euch so wie dem Petrus, und ihr habt gemerkt: Bei Jesus und bei seinen Leuten, in seiner Gemeinde, da bin ich Gott näher als sonst. Da kann ich mehr über ihn erfahren und eher Antwort auf meine Fragen finden, als wenn ich ganz allein darüber nachgrüble oder mal dies, mal jenes ausprobiere. Und da kann ich selber aktiv werden und ausprobieren, was ich kann und wie weit mich der Glaube trägt. Wenn das so sein sollte, dann Herzlich willkommen! Dann bleibt da und macht mit! Dann machen wir uns gemeinsam auf den Weg, um mehr von Gott zu entdecken. Vielleicht könnt ihr dann eines Tages das Glaubensbekenntnis, das ihr auswendig gelernt habt, inwendig mit mehr Leben füllen. Und entdecken, dass es nicht nur ein frommer Wunsch sondern Wirklichkeit ist, dass Gott uns ganz nah ist. So wirklich wie der Mensch Jesus. So wirklich wie das Brot und der Wein beim Abendmahl. So wirklich wie unsere Gemeinde: eine Gemeinschaft von Menschen, die füreinander da sein will, und mit der man viel erleben kann – und das nicht nur, wenn es um Glaubensfragen geht. Einige von euch haben ja schon entdeckt, wie viel Spaß man beim Mitmachen haben kann: in der Kibiwo zum Beispiel, beim Krippenspiel oder beim Teen-Treff.
Eins ist klar: Ich und wir alle hier freuen uns über jeden von euch, der heute nicht „Lebewohl für immer“ sagt. Denn dann ist dieser Konfirmationsgottesdienst nicht das Ende einer lästigen Pflicht, sondern nur eine Zwischenstation auf der spannenden „Entdeckungsreise ins Land des Glaubens“, auf der wir eine wichtige Etappe gemeinsam zurückgelegt haben. Es ist eine Reise, die sich lohnt, für jeden von euch. Und eine Reise, die auf jeden Fall ein gutes Ende nimmt, weil sie unter dem Segen Gottes steht. Amen.

Ihr Pastor Dr. Martin Klein