Predigt Wenschtkirche, 22. November 2015

GOTTESDIENST FÜR DEN EWIGKEITSSONNTAG

 

Text: Mt 25,1-13

Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: „Siehe, der Bräu­tigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen!“ Da standen diese Jung­frauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. Die törichten aber sprachen zu den klugen: „Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lam­pen verlöschen.“ Da antworteten die klugen und sprachen: „Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst.“ Und als sie hingingen zu kau­fen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: „Herr, Herr, tu uns auf!“ Er antwortete aber und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.“ Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Eine altbekannte Geschichte ist das. Seit anderthalb Jahrtausenden ist sie das Evangelium für den letzten Sonntag des Kirchenjahres. Seit­dem hat sie viele Menschen bewegt. Künstler haben die zehn Jung­frauen an den mittelalterlichen Domen in Stein gehauen. Dichter wie Philipp Nicolai haben sich von ihnen inspirieren lassen – wir haben sein Lied gerade gesungen. Komponisten wie Bach oder Mendels­sohn haben wunderbare Bearbeitungen dazu geschrieben. Und ich denke, auch Sie haben diese Geschichte heute nicht zum ersten Mal gehört. Trotzdem ist es immer noch eine spannende Frage, wovon sie eigentlich handelt. Denn so einfach ist das gar nicht zu sagen.

Lassen wir die Sache mit dem „Himmelreich“ ruhig erst mal beiseite. Dann erzählt Jesus hier schlicht von einem verpassten Hochzeitsfest. Wahrscheinlich setzt die Geschichte einen alten Brauch vor­aus: Der Bräutigam holt seine Braut im Haus ihrer Eltern ab und zieht dann mitsamt der Festgesellschaft zu seinem eigenen Haus, um dort die Hochzeit zu feiern. Weil das Ganze abends oder nachts geschieht, gehen dem Zug vom Haus des Bräutigams junge Frauen mit Fackeln entgegen, und sie geleiten dann alle zum Festsaal. Also war­ten diese jungen Frauen im Haus des Bräutigams, bis sie die Nach­richt be­kommen, dass der Bräutigam im Anmarsch ist. Im erzählten Fall zieht sich die Sache nun aus irgendwelchen Gründen in die Länge. Es wird spät und später, und den Wartenden fallen die Augen zu. Aber dann, mitten in der Nacht, kommt der Hochzeitszug doch noch. Jetzt bricht na­türlich Hektik aus, und zu allem Überfluss merken fünf der zehn jun­gen Frauen erst jetzt, dass sie dummerweise vergessen haben, Öl mitzunehmen. Wenn eine Fackel aber nicht gründlich mit Öl getränkt ist, brennt sie nur unwesentlich länger als ein Streichholz – zu wenig für einen Fackelzug. Was jetzt? Das Öl für fünf Fackeln auf zehn verteilen? Dann würde der Rückweg zum Haus im Dustern stattfin­den, und das wäre für alle ziemlich peinlich. Also hilft nur eins: zum nächsten Laden rennen und Öl kaufen – das ist dann nur peinlich für die fünf dummen Jungfrauen und ärgerlich für den La­deninhaber, der mitten in der Nacht aus dem Bett geholt wird. Also wird es so gemacht – es bleibt ja auch nichts anderes übrig! Nur: bis die fünf ihr Öl beisammen haben, ist der Fackelzug vorbei und die Hochzeit schon in vollem Gange. Die Tür ist zu und bleibt es, da hilft kein Bitten und kein Betteln. Schade, ihr dummen Jungfrauen! Das wäre euer Fest gewe­sen, aber ihr seid nicht dabei!

So weit, so gut. Aber nun ist das Ganze ja nicht einfach ein nettes Geschichtchen über ein Hochzeitsfest im alten Galiläa. Es steht ja unter dem Vorzeichen: So wie mit dieser Geschichte, so verhält es sich mit dem kommenden Reich Gottes, mit der Ankunft von Gottes neuer Welt. Und beson­ders am Ende der Geschichte deutet sich diese ganz andere Dimension auch an: „Herr, Herr, tu uns auf“ rufen die törichten Jungfrauen. Und in Mt 7,21 heißt es: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen.“ „Wahrlich, ich sage euch“, sagt der Bräutigam, wie es Jesus immer tut, „ich kenne euch nicht.“ Das Gleiche wird nach Mt 7,23 Jesus am jüngsten Tag zu denen sagen, die zwar immer „Herr, Herr“ rufen, aber nicht seinen Willen tun: „Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter“.

So wird aus der netten Hochzeitsanekdote plötzlich eine todernste Angelegenheit. Man kann, sagt uns die Geschichte, das Freudenfest in Gottes neuer Welt auch verpassen, sogar wenn man eigentlich zu den Leuten Jesu gehört und auf sein Kommen wartet. Für Matthäus, der das Gleichnis Jesu in diesen Zusammenhang stellt, geht es durch­aus in Ordnung, wenn wir darüber gehörig erschrecken. Und dazu haben wir auch allen Anlass. Denn wie wäre es denn, wenn mich heute der Ruf: „Wohlan, der Bräut’gam kommt“ aus dem Schlaf rei­ßen würde? Wäre mein Ölkännchen gut gefüllt? Könnte ich dem Bräutigam freu­dig entgegengehen, weil ich nicht nur „Herr, Herr“ gerufen, sondern auch seinen Willen getan habe?

Nun rechnen wir zwar heute nicht mehr täglich und stündlich mit der Wiederkunft Christi. Aber für uns persönlich kann das Ende trotz­dem jederzeit da sein – wie ein Dieb in der Nacht. Weiß ich denn, ob ich nächstes Jahr am Ewigkeitssonntag noch hier stehe? Ob ich meine nächste Fahrt mit dem Auto überlebe? Ob mich nicht schon bald eine tödliche Krankheit befällt? Viele von Ihnen haben es im letzten Jahr erlebt, wie plötzlich das Leben vorbei sein kann, wie schnell man einen lieben Menschen verlieren kann. Längst nicht im­mer kommt der Tod als Erlösung von langem Leiden. Oft schlägt er auch ganz brutal dazwischen, trifft uns völlig unvorbereitet und macht von jetzt auf gleich Hoffnungen und Lebenspläne zunichte. Und wenn ich mich heute noch aufmachen müsste zum himmlischen Hochzeitsfest – ich glaube kaum, dass das Öl in meinem Gefäß lange reichen würde.

Aber was können wir dann tun? Ständig wachsam sein? Jederzeit mit dem Schlimmsten rechnen? Jeden Tag mit dem Gefühl beginnen, dass es der letzte sein könnte? Ich glaube, das hält kein Mensch durch. Unser Alltag stellt vielfältige Anforderungen an uns, und de­nen kann ich nicht gerecht werden, wenn ich immer nur auf das Ende sehe. Ständig mit dem Tod rechnen, das macht auf Dauer lebensun­tüchtig. Ich glaube, so ist das Gleichnis aus der Bibel auch nicht ge­meint. Denn schließ­lich schlafen die klugen Jungfrauen genauso ein wie die törichten. Aber sie können auch getrost schlafen, denn sie haben ja vorge­sorgt. Welche Vorsorge können wir treffen?

Wir können uns erstens Folgendes bewusst machen: Gott lädt uns nicht vor Gericht, sondern zu einer Hochzeit. Jenseits unseres irdi­schen Lebens liegt nicht ein kaltes Grab in dunkler Erde, kein unde­finierbares Nichts und erst recht keine Furcht erregende Hölle, son­dern ein Fest ohne Ende. Gott und wir, seine Geschöpfe, endlich für immer vereint, das ist Grund genug, um zu feiern, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Daneben wird jede „Traumhochzeit des Jah­res“ armselig wirken. Und das Schönste ist: Gott will nicht nur mit einer kleinen erlesenen Gästeschar feiern. Er will uns alle dabei ha­ben. Keiner soll fehlen, auch nicht einer. Wenn uns das einmal wirk­lich klar wird, wenn wir das wirklich verinnerlicht haben, dann wer­den wir doch ganz von selber alles daran setzen, um mitfeiern zu können, oder? Im Ernst: Welche Jungfrau wäre denn tatsächlich so blöd, kein Öl mitzunehmen, wenn sie zu einem Fackelzug geht? Wir kämen doch auch nicht auf die Idee, bei einer Hochzeit ohne Ge­schenk zu erscheinen! Also: Wenn uns das Fest soviel wert ist, dass wir unbedingt dabei sein wollen, dann werden wir ganz von selbst alles dafür tun, was wir können.

Und was wäre das in Bezug auf das Fest in Gottes neuer Welt? Mat­thäus würde sagen: auf die Worte Jesu hören und den Willen seines Vaters im Himmel tun. Was das inhaltlich heißt, dazu ist in seinem Evangelium manches nachzulesen, von der Bergpredigt an. Und kurz zusammenfassen lässt es sich mit dem doppelten Gebot der Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“ und „Du sollst deinen Nächs­ten lieben wie dich selbst“. Also: Wir müssen nicht ständig ans Ster­ben denken oder an die Wiederkunft Christi. Aber darüber nachden­ken, was wir unseren Mitmenschen Gutes tun können und es dann auch tun, das ist in der Tat unsere tägliche Aufgabe. Wenn uns dabei eines Tages das Ende überrascht, dann können wir unser Leben ge­trost in Gottes Hände legen, auch wenn uns in Sachen Gottes- und Nächstenliebe längst nicht alles gelungen ist. Denn Gott will nicht, dass wir uns zum Per­fektionismus quälen und ihn dann doch nicht erreichen, sondern dass wir fröhlich tun, was dran ist, und uns dann nach getaner Arbeit an seinen gedeckten Tisch setzen. Viele sind uns dorthin schon voran­gegangen, auch im vergangenen Kirchenjahr, aber neben ihnen sind noch eine Menge Plätze frei. Sie reichen für uns alle. Amen.

Pfarrer Dr. Martin Klein