Predigt Talkirche, Sonntag, 17. August 2014

Gottesdienst für den neunten Sonntag nach Trinitatis

Text: 1. Petr 4,7-11

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun beson­nen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt eine Menge Sünden zu«. Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der vielfältigen Gnade Gottes: wenn jemand predigt, dass er’s rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er’s tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewig­keit! Amen.

Gute Haushalter werden dringend gebraucht. Bei dem Raubbau, den wir an den Ressourcen unserer Erde treiben, bei den vielen Regierun­gen, denen die Staatsverschuldung über den Kopf wächst, bei der Leichtigkeit, mit der man in unserer schönen Konsumwelt über seine Verhältnisse leben kann, sind Menschen, die haushalten können, gefragte Leute. Unsere Kanzlerin hat dazu mal das Vorbild der „schwäbi­schen Hausfrau“ beschworen, die mit dem, was ein­kommt, auch auskommt. Ich fürchte nur, mit der Euro-Krise oder der Energiewende wäre auch die tüchtigste Hausfrau überfordert.

Vielleicht sollten wir deshalb erst einmal fragen, was gute Haushal­ter eigentlich auszeichnet. Sie müssen natürlich rechnen können, aber das allein reicht noch nicht. Erst einmal brauchen sie einen nüchter­nen Blick auf die Realität: „So viel oder so wenig ist da, und damit muss ich zurechtkommen.“ Dann brauchen sie Übersicht und Weitblick: „Was hat es für Folgen, wenn ich jetzt dieses verbrauche oder jenes einspare, und wie kriege ich auch auf längere Sicht einen ausgeglichenen Haushalt hin.“ Dann müssen sie hartnäckig sein und den Mut haben, sich unbeliebt zu machen, denn wer spart und um­schichtet, muss immer auch jemandem was wegnehmen. Weiter brauchen sie Fantasie und müssen auch mal Ungewohntes denken und tun: „Was können wir anders machen und wel­che neuen Quel­len können wir uns erschließen, damit der Haushalt wieder ins Lot kommt?“ Denn immer nur Sparen würgt alles ab und setzt keine Energie frei. Und schließlich brauchen sie auch noch Über­zeugungs­kraft; denn einer allein erreicht ja nichts, wenn die anderen nicht mitziehen.

Wir merken schon: All diese Eigenschaften sind nur selten in einer Person vereint. Und selbst wenn sie es sind, sitzen diese Menschen meist nicht in den Positionen, wo sie ihr Können und Wissen auch umsetzen können. Gut Haushalten geht also letztlich nur, wenn alle Beteiligten das wollen und die Aufgaben unter sich verteilen. Das ist schwierig bei all den egoistischen Interessen, die dabei ins Spiel kom­men, und deshalb haben wir die Probleme, die ich anfangs geschil­dert habe. Hilft da unser Predigttext mit dem, was er über „gute Haushalter“ sagt?

Auch der erste Petrusbrief hat das Stichwort „Haushalter“ aus dem Wirtschafts- und Gesellschaftsleben seiner Zeit aufgegriffen. Es gab schon damals viele schlaue Bücher über die richtige „Oikonomia“, die richtige Haushaltung – gerichtet nicht an schwäbische Haus­frauen, sondern an griechisch-römische Hausväter. Sie behandelten Fragen wie: „Wie kann ich gut wirtschaften? Wie gehe ich richtig mit meinen Untergebenen – also Sklaven, Kindern, Ehefrauen – um? Wie verhalte ich mich richtig gegenüber dem Staat? Und was bin ich den Göttern schuldig?

Der erste Petrusbrief übernimmt das Stichwort, aber er stellt es in einen neuen Zusammenhang, indem er es un­ter das Vorzeichen des Glaubens an Jesus Christus stellt. Deshalb spricht er seine Leute an als die „guten Haushalter der vielfältigen Gnade Got­tes“. Ihr alle habt von Gott Gaben bekommen, sagt er damit, natürli­che Gaben und Gaben des Heiligen Geistes, die man gar nicht streng voneinan­der unterscheiden kann. Und diese Gaben sollt ihr einsetzen, mit ihnen sollt ihr einander dienen. Sie sind sozusagen das Kapital, das Gott euch anvertraut hat, um damit zu wirtschaften und Gewinn zu erzielen – so wie Jesus es in dem Gleichnis von den anvertrauten Talenten erzählt hat, das wir vorhin als Schriftlesung gehört haben.

Braucht man für dieses „geistliche Haushalten“ die gleichen Eigen­schaf­ten, wie ich sie eben für einen „guten Haushalter“ beschrie­ben habe? Zum Teil schon, aber doch auf andere Weise. Auch die Chris­ten werden hier erst einmal zu Besonnenheit und Nüchternheit er­mahnt. Auch sie sollen also die Wirklichkeit so neh­men, wie sie ist, und dann mit Übersicht und Weitblick ihre Folgerun­gen daraus ziehen. Allerdings kann man dabei auch schnell resignieren und verzweifeln, denn so schlimm wie die Wirklich­keit oft ist, lässt sich ihr mit Nüchternheit und Besonnen­heit allein nicht beikommen.

Also setzt der erste Petrusbrief einen neuen Akzent: „Seid besonnen und nüchtern zum Gebet“. Nehmt die Welt wie sie ist, aber dann bringt sie vor Gott, der sie geschaffen hat. Beten ist also alles andere als Weltflucht und Schwärmerei – im Gegenteil: Wer im Gespräch mit Gott durchs Leben geht, der gewinnt Kraft, um die raue Wirklich­keit zu ertragen, aber auch, um sie zu verändern. Denn der weiß, dass es ein „Ende aller Dinge“ gibt: Diese Welt mit ihrem Elend ist nicht das Letzte, sondern Gottes neue Welt kommt – nicht so bald, wie man sich das damals vorgestellt hat, aber doch unaufhalt­sam. Ja, wo ich mit der vielfältigen Gnade Got­tes, die mir anvertraut ist, Zeichen setze, da ist diese neue Welt jetzt schon da.

Und weiter? Gute Haushalter müssen sich auch schon mal unbeliebt machen, habe ich vorhin gesagt. Für Haushalter der Gnade Gottes scheint allerdings das Gegenteil zu gelten: „Habt untereinander bestän­dige Liebe“, heißt es da, „denn die Liebe deckt eine Menge Sünden zu.“ Typisch Christen, sagt da vielleicht mancher, die haben sich immer nur lieb, verzeihen auch noch die schlimmsten Fehler und können nie mal deutlich Nein sagen und Grenzen setzen – Gutmen­schen halt, aber bestimmt keine guten Haushalter. Und un­ter dem berühmten Deckmantel der Liebe sind sie auch nicht besser als alle anderen.

Aber so ist das hier nicht gemeint. Erstens: Wenn die Liebe eine Menge Sünden zudeckt, dann heißt das nicht, dass die Sünde unter der Decke immer noch da ist, sondern sie ist endgültig vergeben und damit weg. Zweitens: Es ist die Liebe Gottes, die auf diese Weise Sünden zudeckt. Er hat sie uns in Jesus Christus erwiesen, er spricht sie uns immer wieder zu, wenn wir ihn um Vergebung bitten, und er rüstet uns damit aus, damit wir sie untereinander weitergeben. Mit dieser Liebe lässt sich Schuld, die zwischen Menschen steht, aus der Welt schaffen. Um dieser Liebe willen müssen wir aber auch Nein sagen und Halt rufen, wo Dinge verkehrt laufen, wo Menschen sich und andere ins Verderben führen. Das nicht zu tun, wäre keine Liebe sondern Gleichgültigkeit. Also: Liebe üben und gut haushalten, das geht durchaus zusammen.

Wer gut haushalten will, habe ich außerdem gesagt, braucht Fanta­sie und muss auch ungewohnte Wege gehen. Die „vielfältige Gnade Gottes“ ist zu die­sem Zweck ein unerschöpflicher Schatz. Immer wieder hat der Geist Gottes mit seinen Gaben Christen beflügelt, um Neues zu wagen und Überholtes hinter sich zu lassen. Die Vielfalt der Gaben, die das möglich macht, hat natürlich nicht einer ganz allein. Wenn sie zur Wirkung kommen soll, setzt das voraus, dass wir auch die Gaben erkennen und anerkennen, die Gott anderen geschenkt hat. So kom­men immer wieder neue Gedanken ins Spiel, werden neue Wege begangen, und wir machen Gewinn mit den unterschiedlichen Talenten, die einem jeden anvertraut sind.

Damit bin ich bei dem letzten Punkt von vorhin, nämlich dass ein guter Haushalter allein noch kein gutes Haushalten bewirken kann – jedenfalls nicht, wenn es um ein größeres Gemeinwesen oder gar um die ganze Welt geht. Da müssen viele an einem Strang ziehen und einen gemeinsamen Willen entwickeln. Da müssen alle ihre Gaben einbrin­gen und ihren Teil beitragen. Daran scheitert es dann meis­tens – siehe EU-Gipfel, Weltklimakonferenzen und UN-Resoluti­onen. Aber bei Vereins- oder Presbyteriumssitzungen, ja selbst im „Familienrat“ fängt es damit schon an.

Sieht es bei den „Haushaltern der vielfältigen Gnade Gottes“ anders aus? Ja, denn ihnen ist von vornherein ein gemeinsames Ziel, ein gemeinsamer Wille vorgegeben: „damit in allen Dingen Gott geprie­sen werde durch Jesus Christus“. Also: alles was Christen tun, alles, wofür sie ihre Gaben einsetzen, dient dazu, dass Menschen Gott die Ehre geben – nicht nur die, die schon an ihn glauben, sondern auch die anderen die das noch nicht tun. „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ – so sagt es Jesus in der Bergpredigt (Mt 5,16). Wenn Christen von Gott reden, wenn sie in seinem Namen handeln, dient es letztlich immer diesem Ziel – bis irgendwann die ganze Welt Gott die Ehre gibt, die ihm seit Anbeginn der Schöpfung zukommt.

Das ist natürlich das größtmögliche Ziel, das man sich stecken kann – oder besser: gesteckt bekommt. Da braucht es für den Alltag natür­lich noch viele kleine Etappenziele. Zum Beispiel: Mein Kind oder Enkelkind soll biblische Geschichten kennenlernen, also erzähle ich sie oder lese sie vor. Oder: Auch die Bedürftigen hier in Geisweid sollen ganz praktisch Gottes Liebe erfahren, also bieten wir für sie einen Mittagstisch an. Wichtig ist nur, dass wir unsere kleinen Ziele aus dem großen Ziel ableiten und es nicht aus den Augen verlieren. Das passiert natürlich auch unter Christen ganz schnell. Dann erstar­ren wir in frommer Routine und spulen zum Beispiel in unserer Kirchen­gemeinde immer wieder das gleiche Programm ab, weil’s so schön ist und weil wir‘s schon immer getan haben, aber ohne groß an die Ehre Gottes zu denken. Oder wir geben es ganz auf, von Gott zu reden oder bewusst seinen Willen zu tun, weil uns der Antrieb dazu fehlt. Dann sollte ein Predigttext wie der heutige uns zur kriti­schen Selbstprüfung anregen: Ist es für mich eigentlich ein Ziel, Gott mit meinem Leben zu loben und zu preisen, mich ihm dankbar zu zeigen für seine Gnade und seine Gnadengaben? Ist es mir ein Anlie­gen, dass die Zahl derer, die Gott loben und preisen stetig wächst, so dass ich mich ihnen zuwende in Wort und Tat? Und welche Ga­ben hat Gott mir geschenkt, mit denen das gelingen kann? Da soll­ten wir mal alle, die wir heute hier sind, uns ein paar Gedanken drum ma­chen!

Und noch ein Allerletztes: Haushalter der vielfältigen Gnade Gottes haben einen großen Vorteil gegenüber Haushaltern, die es nur mit Geld und Gut zu tun haben: Sie müssen nie einen Mangel verwalten und haben es nie nötig, mit ihrem anvertrauten Gut zu knausern. Denn Budgets sind begrenzt, Ressourcen sind endlich, aber Gottes Gnade hat kein Ende, sondern ist jeden Morgen neu – und Gleiches gilt für seine Gnadengaben: Je reichlicher wir von ihnen Gebrauch machen,  desto mehr wird uns davon zuteil. Ein Grund mehr, den Gott aller Gnade zu preisen: „Sein ist die Ehre und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!“

Pfarrer Dr. Martin Klein