EKD-Themenjahr 2016 „Reformation und die Eine Welt“ – EKvW Kampagne „Weite wirkt“

Zur Einstimmung auf das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ in 2017 trägt jedes Jahr der Reformationsdekade von 2008 bis 2017 einen besonderen Namen und thematischen Schwerpunkt. Nach „Reformation und Politik“ in 2014 und „Reformation – Bild und Bibel“ in 2015 heißt das kommende Jahr „Reformation und die Eine Welt“. Es lenkt den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus und fragt nach der weltweiten Bedeutung der Reformation.

Was vor etwa 500 Jahren von Wittenberg und Genf aus als Reformbewegung in der damaligen Römischen Kirche begann, war mehr als eine Provinzposse oder Randnotiz der Geschichte, sondern hat sehr schnell die Länder Europas erfasst und die „Alte Welt“ am Ausgang des Mittelalters grundlegend verändert. Die Berufung auf die Heilige Schrift als Grundlage christlichen Glaubens und Handelns, ihre Übersetzung in die deutsche Sprache und Verbreitung durch den Buchdruck, der Bruch mit alten Traditionen wie dem Zölibat, die Gestaltung eines evangelischen, weil am Evangelium orientierten Gottesdienstes und die Feier des Heiligen Abendmahls mit Brot und Wein, die Bildung erster protestantischer Gemeinden und die Erneuerung des Schul- und Bildungswesens: all das hat die reformatorische Bewegung mit ihren Protagonisten Martin Luther und Philipp Melanchthon, Johannes Calvin und Ulrich Zwingli hervorgebracht und angestoßen, ins Rollen gebracht und in Bewegung gesetzt. Die Kernsätze der Reformation „Allein Jesus Christus, allein die Bibel, allein aus Gnade und allein durch Glaube“ sind 500 Jahre später der gemeinsame Nenner vieler Kirchen in der weltweiten Ökumene.

Denn durch ungewollte Vertreibung und gezielte Mission, durch Flüchtlinge wie die Hugenotten oder Pilgerväter und durch Prediger wie John Wesley oder Johannes Goßner zieht die Reformation weite Kreise und erreicht die „Neue Welt“, die gerade entdeckten Kontinente Afrika, Amerika und Asien. Protestantischer Glaube und evangelische Gemeinden wurzeln in sehr verschiedene Klima- und Kulturzonen ein und treiben neue Blüten der Reformation. Mission, Diakonie und Entwicklung gehen häufig Hand in Hand und helfen beim Aufbau von Krankenstationen und Schulen, tragen bei zur Überwindung von Rassendiskriminierung und Ausgrenzung. Mag in unseren Breiten das Wort „Mission“ verstaubt und verbrannt sein, für viele Kirchen im globalen Süden ist es das vitale Interesse der Christen, von ihrem Glauben werbend zu erzählen und die von Jesus gebotene Nächstenliebe praktisch zu leben. Längst sind die ehemaligen Missionskirchen in Asien und Afrika selbständig, unabhängig geworden und setzen ihre eigenen Akzente in Theologie, Gottesdienst und Gemeindeleben. Als Partnerkirchen begegnen wir einander auf Augenhöhe und lernen in Begegnungen und Besuchen miteinander und voneinander.

Wie der Mensch nach Luthers Worten „zugleich ein Gerechter und ein Sünder“ ist, so ist auch die Reformation nicht ohne Fehl und Tadel, sondern oftmals in sich zerstritten und an sich selbst gescheitert, mit schuldig an grausamen Religionskriegen und erbitterten Glaubenskämpfen, verstrickt in die unselige Geschichte von Kolonialismus und Apartheid, viel zu oft auf der Seite der Reichen und Satten und viel zu selten Anwalt der Armen und Stimme der Rechtlosen und Ohnmächtigen. Protestanten sind keinesfalls besser als der Rest der Menschheit, sondern immer nur und immer wieder die Schar gerechtfertigter Sünder, Gemeinde Gottes mitten in dieser Welt – und damit eben auch eine Weltbürgerin. Heute verbinden über 400 Millionen Menschen weltweit ihre geistig-religiöse Existenz mit dem reformatorischen Geschehen, das nicht nur von Wittenberg und Genf ausging, aber von dort entscheidende Impulse erhielt.

Den bis heute andauernden vielfältigen globalen Wirkungen der Reformation nachzuspüren, lädt das Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ ein. Und es macht zugleich die evangelisch-christliche Verantwortung für diese Eine Welt bewusst, die durch himmelschreiende Ungerechtigkeit aufs Äußerste gefährdet ist, durch Krieg, Terror und Gewalt, durch Armut, Hunger und Naturschändung und nicht zuletzt durch einen von Menschenhand verursachten Klimawandel, der zunehmend Lebensräume von Gottes guter Schöpfung zerstört und Menschen ihre Welt nimmt. Damit lenkt das Thema „Reformation und die Eine Welt“ auch den Blick auf die Reform- und Reformationsbedürftigkeit heutigen Denkens und Handelns in Kirche und Gesellschaft und erinnert an Martin Luthers Diktum von der „Ecclesia semper reformanda“, der immer neu zu reformierenden Kirche. Somit ist Reformation kein abgeschlossenes Ereignis, sondern eine bleibende Aufgabe – auch nach 500 Jahren.

Kampagne der EKvW „Weite wirkt“

Zur Entfaltung des Themas „Reformation und die Eine Welt“ in Kirchenkreisen und -gemeinden, Gruppen, Schulen und Initiativen haben die Evangelischen Kirchen in Rheinland, Westfalen und Lippe zusammen mit „Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst“ und der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) die Kampagne „Weite wirkt“ gestartet – mit unterschiedlich akzentuierten Schwerpunkten und Veranstaltungen, aber einem gemeinsamen Logo und Materialheft, mit der Homepage www.weite-wirkt.de und dem Auftaktgottesdienst „Wie Weite wirkt“ am 31.01.2016 um 9.30 Uhr in der Thomaskirche Wuppertal, der live im ZDF übertragen wird.

Das Motto „Weite wirkt“ bezieht sich zum einen auf die weltweite Wirkung und Wirkungsgeschichte der Reformationsbewegung, zum anderen lädt es ein, die eigenen Kreise nicht zu eng zu ziehen, sondern „das Bewusstsein der Menschen und Institutionen, Unternehmen und Organisationen darin zu stärken, dass es nur die Eine Welt gibt. Wir können erfahr- und erlebbar machen, dass jeder Mensch auf dieser Erde durch sein Handeln und Wirken an der Gestaltung der Einen Welt beteiligt ist. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Menschen immer wieder Kraft aus dem reformatorischen Glauben gewinnen, um zur Lösung der weltweiten Herausforderungen und zu der notwendigen großen Transformation beizutragen.“ (Zitat aus: www.weite-wirkt.de)

In der Ev. Kirche von Westfalen werden viele Gottesdienste, Konzerte und Veranstaltungen das „Weite wirkt“ Motto aufnehmen. In Südwestfalen bildet das MÖWe-Forum „Reformation weltweit“ am 15.02.2016 um 19 Uhr in Haus Nordhelle den regionalen Auftakt des Themenjahres: Pfarrerin Annette Muhr-Nelson wird als Leiterin des landeskirchlichen Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung die weltweite Ausbreitung der Reformationsbewegung nachzeichnen, während drei junge Christen aus Indonesien, Kamerun und Tansania vom Evangelisch-Sein in ihrer Heimat berichten. Am 19. und 20.02.2016 laden das Institut für Kirche und Gesellschaft (IKG) und das Amt für MÖWe zur ersten überregionalen Veranstaltung ein, der Studientagung in Haus Villigst „Die neuen UN-Nachhaltigkeitsziele – Was bedeuten sie für Nordrhein-Westfalen?“. Vom 23.04. bis 21.05.2015 zeigen Haus Nordhelle und das Amt für MÖWe die Ausstellung „Weite wirkt – Kirchen und Kulturen in der Einen Welt“: Christliche Kunst aus Afrika, Asien und Lateinamerika, sehenswerte Exponate aus dem VEM-Museum in Wuppertal und dem Forum der Völker in Werl sowie wertvolle Leihgaben privater Sammler.

Der Mai bildet den Höhepunkt des Weite-wirkt-Jahres: Zum einen haben alle westfälischen Kirchenkreise ihre ökumenischen Partner aus Afrika, Asien, Europa und Amerika eingeladen und werden gemeinsam mit ihnen ein vielfältiges Programm mit Besuchen und Begegnungen in Gemeinden, Kirchen und Kommunen gestalten. Zum anderen lockt das „Weite wirkt Festival“ vom 06. bis 08.05. mit einem attraktiven Programm und aktuellen Themen ins Gerry-Weber-Stadion im ostwestfälischen Halle (www.weite-wirkt-festival.de). Zwei Großkonzerte – Adel Tawil „Lieder“ und das vielstimmige Oratorium von Karl Jenkins „The Peacemakers“ – und vier Hauptforen – Menschen Zuflucht geben; Klimagerechtigkeit jetzt; Faire Textilproduktion; Christlicher Glaube und solidarisches Handeln – sowie mehrere weitere Themenforen, Workshops, Konzerte, Aktionen, ein weiter Markt der Möglichkeiten zum Informieren, Anschauen und Mitmachen und natürlich die vielen Menschen von fern und nah machen dieses Festival zu einem Ökumenischen Kirchentag und Globalen Erlebnisfest. Wem der Weg von Süd- nach Ostwestfalen zu weit ist, kann dennoch Ökumene und Reformation hautnah erleben – beim bunten, fröhlichen und vielsprachigen Pfingstgottesdienst am 15.05.2016 um 11 Uhr in Haus Nordhelle mit zahlreichen Gästen und Delegationen der regionalen Kirchenpartnerschaften aus Indonesien, Kongo, Peru und Tansania.

Im Herbst schließt das Themenjahr mit zwei unterschiedlichen Veranstaltung: Die Studientagung „Gemeinsam Kirche Sein“ vom 23. bis 25.09.2016 in Haus Villigst lenkt den Blick auf die multinationale und multikulturelle Vielfalt der Kirche vor der eigenen Haustür und gibt Impulse, zusammen mit Christen anderer Sprache und Herkunft Gemeinde zu leben. Vom 08. bis 14.10.2016 schließlich laden das Amt für MÖWe und die Westfälische Missionskonferenz zur gemeinsamen Studien- und Begegnungsreise nach Prag ein: Unter dem Motto „Weite wirkt – vor und nach der Reformation“ geht es auf eine interessante Spurensuche zu den Wurzeln der Hussitischen Bewegung wie der Böhmischen Brüder, zu bedeutenden Schauplätzen europäischer Geschichte vor und nach der Wende – und natürlich auf die Karlsbrücke, den Hradschin und den Wenzelsplatz in der Goldenen Stadt.

Weite wirkt – Seien Sie gespannt auf ein interessantes und intensives, bereicherndes und faszinierendes Themenjahr auf dem Weg zum Reformationsjubiläum!

Pfarrer Martin Ahlhaus – Kampweg 2 – 58566 Kierspe-Rönsahl

Tel.: 02269-927621 – Mail: martin.ahlhaus@moewe-westfalen.de