Kirchenkampagne gegen Kinderarmut

„Jedes Kind muss die Chance
haben, gleichberechtigt an den vielfältigen Möglichkeiten des Lebens
teilzunehmen“

Kirchenkampagne gegen Kinderarmut startete
am Unteren Schloss

Da kommen Kinder
ohne Frühstück, in abgerissener Kleidung, mit zu kleinen Schuhen,
ohne Hefte und Bücher in die Schule. Da werden Kinder urplötzlich
krank, wenn eine Klassenfahrt geplant ist. Oder sie entschuldigen
sich mit fadenscheinigen Gründen, wenn ein Ausflug ins Schwimmbad
geplant wird oder Freunde zusammen ins Kino wollen. Wer mag denn
schon sagen, dass das nötige Geld dazu fehlt? Armut in Deutschland,
Armut auch im Siegerland.

„Lasst uns nicht
hängen!“ – unter diesem Leitmotiv will die Evangelische Kirche von
Westfalen den Skandal der wachsenden Armut von Kindern mit einer
Kampagne öffentlich machen und zur Sprache bringen. 825.000 Kinder
lebten in Nordrhein-Westfalen in Armut (Sozialbericht der Landesregierung
2007). Alfred Buß, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen:
„Es lässt sich nicht mehr leugnen: Es gibt bei uns in Deutschland
wieder arme Kinder, Kinder, denen es am Nötigsten fehlt, Kinder,
die am alltäglichen Leben ihrer Gruppen- und Klassenkameraden nicht
immer teilhaben können.“ Das ist für die Landeskirche ein Skandal.
Deshalb führt sie jetzt eine Kampagne gegen Kinderarmut durch.


Viele
Kinder ließen jetzt ihre Luftballone in den Siegerländer
Himmel steigen.
Sie machten aufmerksam auf die zunehmende
Kinderarmut in Deutschland.
(Foto Karlfried Petri)

Die Schirmherrschaft
hat Christoph Biemann übernommen, bekannt durch die „Sendung mit
der Maus“ des WDR. Eine am Schwanz hängende Maus ist das Erkennungszeichen
der Kampagne, die  jetzt im Kirchenkreis Siegen angekommen
ist. Kinder und Eltern trafen sich auf Einladung der Ev. Familienbildungsstätte
und des Jugendreferates des Kirchenkreises Siegen auf dem Platz
des Unteren Schlosses und machten auf die wachsende Kinderarmut
in Deutschland aufmerksam.  

Das Signal für
den Ballonstart gab Superintendentin Annette Kurschus. Sie erinnerte
in ihrer kurzen Ansprache an einen Kindergipfel, zu dem die Landeskirche
vor fünf Monate eingeladen hatte und auf dem Kinder und Jugendliche
eine Resolution verfasst haben, der Kinderarmut sehr klar als einen
Skandal bezeichnet. Die Kinder erteilten den Erwachsenen einen deutlichen
Auftrag: „Lasst uns nicht hängen! Setzt euch gegen Kinderarmut ein!“

Superintendentin
Kurschus: „Wir waren lange gewohnt, bei Armut sofort an die Menschen
auf der anderen Seite der Erde zu denken, irgendwo im Süden, auf
dem afrikanischen Kontinent, weit weg von uns. Wer ahnt schon, dass
bei uns in Deutschland, ja, auch hier bei uns in Siegen die Zahl
der Kinder erschreckend zunimmt, die rufen: „Lasst uns nicht hängen!“
Wenn sie das laut rufen, wenn sie ihre Stimme erheben, dann ist
ja schon viel gewonnen. Die meisten aber schämen sich – weil Armut
immer mit Scham zu tun hat – und sagen nichts.“

Die Folge von
Armut ist Ausgrenzung. Und die Folge von Ausgrenzung sind schlechtere
Chancen. Wer aus Armut nicht dabei ist, geht vielleicht erst gar
nicht auf eine gute Schule, verpasst vielleicht einen guten Schulabschluss,
erhält keine gute Ausbildung, keinen Job, kein Geld, keine Perspektive.
Es ist ein Teufelskreis, so die Superintendentin.

Kurschus weiter:
„Jedes Kind – egal wie die soziale Stellung seiner Familie ist –
muss grundsätzlich die Chance haben, seine Gaben zu entfalten und
gleichberechtigt an den vielfältigen Möglichkeiten des Lebens teilzunehmen.
Jesus hat gesagt: “Ich bin gekommen, dass alle das Leben in Fülle
haben sollen.” (Johannes 10,10) Wir als Kirche verstehen dies als
klaren Auftrag, uns mit Worten und Taten dafür einzusetzen, dass
Kinder ihr Leben als wertvoll erfahren und es in all seinen Möglichkeiten
ausschöpfen können; sie sollen sich als gewollt und geliebt wissen
und selbstbewusst ihren Alltag gestalten lernen. Dafür wollen wir
auch als Evangelische Kirche im Siegerland stehen.“

Die Resolution
des Kindergipfels soll in den Gemeinden des Kirchenkreises ankommen,
in den  Kindergärten und Schulen. In Gottesdiensten soll daran
erinnert und in besonderen Veranstaltungen darauf aufmerksam gemacht
werden. Es gilt nun gemeinsam zu überlegen, so Annette Kurschus,
welche Taten vor Ort folgen können – und „wir bitten Sie, dabei
mitzuhelfen“.

Viele Luftballone
stiegen in den blauen Himmel des Siegerlandes. Jeder mit einem Kärtchen
versehen, das auf die Kinderarmut und die Kampagne der Landeskirche
aufmerksam macht. Die Kinder sind gespannt, ob sie eine Antwort
erhalten und wie weit die Ballone geflogen sind.

kp