„Wie können christliche Gemeinden Asylbewerber willkommen heißen?“

Niemand kann sich gegen erste Eindrücke wehren

Das Thema Flüchtlinge und Asylbewerber interessiert die christlichen Gemeinden im Siegerland. Etwa 100 Gemeindeglieder kamen am Montagabend (2. Februar 2015) aus Kirchengemeinden und Freikirchen im Siegerland und angrenzenden Ortschaften in das Gemeindehaus

Christliche Gemeinden wollen Flüchtlinge willkommen heißen.
Christliche Gemeinden wollen Flüchtlinge willkommen heißen.

Altstadt der Nikolaikirchengemeinde in Siegen. „Wie können christliche Gemeinden Asylbewerber willkommen heißen?“, lautete das Thema, zu dem der Synodale Ausschuss für Gemeindeentwicklung „Gemeinsam unterwegs“ eingeladen hatte. Es sollte ein Abend werden mit vielen Tipps und Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis.

„Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“, zitierte die Referentin für Erwachsenenbildung des Ev. Kirchenkreises Siegen Heike Dreisbach das Jesuswort aus Matthäus 25, 35 und begrüßte die vielen Interessierten herzlich: „Wir wollen Antworten der christlichen Gemeinde finden auf die Herausforderung der vielen Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Wir wollen andere Antworten geben als: Das christliche Abendland ist bedroht.“

Pfarrer Ulrich Schlappa aus Freudenberg-Büschergrund stellte Hans-Peter Ginsberg aus Wahlbach vor, der sich seit eineinhalb Jahren in Burbach um Flüchtlinge kümmert. Seit einiger Zeit ist er Flüchtlingsbeauftragter der ev. Kirchengemeinde Burbach. Ginsberg erzählte, wie sie in der

Flüchtlingsbeauftragter der Ev. Kirchengemeinde Burbach Hans-Peter Ginsberg (links) im Gespräch mit Ulrich Schlappa.
Flüchtlingsbeauftragter der Ev. Kirchengemeinde Burbach Hans-Peter Ginsberg (links) im Gespräch mit Ulrich Schlappa.

Kirchengemeinde die Flüchtlingsarbeit begonnen haben und die Menschen mit Kleidung, Schuhen, Koffern und Spielsachen versorgen.

Die Menschen in Burbach kämen beispielsweise aus dem Balkan, Nigeria, Eritrea, Irak, Iran, China, Afghanistan, dem Tibet, Georgien, Marokko, Algerien oder Ägypten. Es sei kein Problem, mit den Menschen über Gott zu sprechen. Zur Allianzgebetswoche seien in diesem Jahr auch Muslime gekommen. Die Flüchtlinge hätten Menschen kennengelernt, die für sie beteten. Während des Abendessens werde zu den Gottesdiensten und Andachten im Flüchtlingsheim oder in der ev. Kirche in Burbach eingeladen. Christen aus den Gottesdiensten und Andachten lernten sich kennen, gingen aufeinander zu und erlebten Gemeinschaft. Es wurde die Aktion „Jedem Christen eine Bibel“ ins Leben gerufen. Hunderte von Bibeln habe man verteilt.

Flüchtlingsbeauftragter Ginsberg sieht eine wichtige Aufgabe darin, die Menschen aufzufangen, die nun im weiteren Asylverfahren in den Ortschaften des Siegerlandes wohnen: „Niemand kann sich gegen Ersteindrücke wehren. Jedes freundliche Lächeln, jeder Gruß wird registriert. Niemand wehrt sich gegen Freundlichkeit. Wir müssen Menschen anders aufnehmen, als sie in Deutschland aufgenommen worden sind.“

Ortspfarrer Jochen Wahl berichtete über eine veränderte Gottesdienstkultur, die auch die evangelische Gemeinde in Burbach verändert hat. Zwischen 15 und 50 Flüchtlinge aus den Unterkünften nehmen an den Gottesdiensten teil, Christen wie Muslime. Es erfolgt eine Übersetzung ins Englische. Selbst ältere, eher reservierte Menschen laden Flüchtlinge zum Mittagessen ein. Es entstehen Begegnungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen.

André Schmidt verantwortet als Fachbereichsleiter der Stadt Siegen die Unterbringung von Flüchtlingen. Die Verteilung erfolgt in NRW nach einem Schlüssel auf alle Kommunen. In 2014 habe die Stadt Siegen 200 Flüchtlinge zugewiesen bekommen, in diesem Jahr seien es bereits 60 in einem Monat. Es würden nun Wohnungen auf dem freien Markt gesucht. Für alle Menschen, die jetzt kämen, müsse eine Unterbringung improvisiert werden.

Das Netzwerk Flüchtlingshilfe in Freudenberg setzt sich dafür ein, dass Flüchtlinge menschenwürdig leben können. Christoph Reifenberger betont die Bedeutung von persönlichen Beziehungen.
Das Netzwerk Flüchtlingshilfe in Freudenberg setzt sich dafür ein, dass Flüchtlinge menschenwürdig leben können. Christoph Reifenberger betont die Bedeutung von persönlichen Beziehungen.

In der Stadt Freudenberg hat sich das Netzwerk Flüchtlingshilfe organisiert. Christoph Reifenberger aus Büschergrund erzählte, wie das christlich motivierte Netzwerk entstanden ist und was es leistet. Die Möglichkeiten der Kommunen seien begrenzt. Daher sei man froh gewesen, als 50 Menschen ihre Hilfe zugesagt hätten. Ohne Sprache funktioniere das Leben nicht. Sechs pensionierte Lehrer hätten sich bereit erklärt, Sprachunterricht zu geben. Fünf Begrüßungsteams kümmern sich in den fünf Unterkünften um ankommende Flüchtlinge. Sie stellen die menschlichen Kontakte her und fragen, was benötig wird. In Freudenberg habe man für die 75 Flüchtlinge Fahrräder besorgt, mit denen sie ihre Einkäufe erledigen könnten. Reifenberger: „Ziel des Netzwerkes ist es, den Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dabei sind persönliche Beziehungen wichtig. Nicht selten wird gefragt, warum die ehrenamtlich Helfenden diese Arbeit leisten.“

Eine Willkommenskultur ist der Sozialarbeiterin Dorothee Kahm wichtig.

Dorothee Kahm macht sich für eine offene Willkommenskultur stark.
Dorothee Kahm macht sich für eine offene Willkommenskultur stark.

Sie berät Flüchtlinge bei der Integrationsagentur der Diakonie in Südwestfalen. Sie plädiert für Räume der Begegnung, dafür, dass Menschen offen sind und freundlich aufeinander zugehen. Kahm: „Dazu muss man Interesse an Menschen haben und sich auf Menschen einlassen. Wenn man allen Befürchtungen und Ängsten nachgibt, dann passiert nichts.“ Hilfreich sei es, unterschiedliche kulturelle Gebräuche und Sitten zu kennen. Der interkulturelle Kalender biete sich als ein hilfreiches Instrument an. Kahm: „Damit man beispielsweise eine muslimische Familie nicht während des Ramadan zu einem guten Essen einlädt.“

In vier Arbeitsgruppen wurde vertieft, wie Gemeinden sich engagieren können und wie man speziell christliche Flüchtlinge begleiten kann. Aber auch das Asylrecht und das Organisieren von Sprachkursen wurden angesprochen. Christoph Reifenberger in einer der Arbeitsgruppen: „Man kann nur etwas falsch machen, wenn man nichts macht.“

Karlfried Petri
Öffentlichkeitsreferent des ev. Kirchenkreises Siegen