Predigt zum Konfirmandentaufgottersdienst, Wenschtkirche, Sonntag, 21.05.2017

Tattoos sind in. Gefühlt jeder zweite Fußballstar hat die Arme bis obenhin voll damit (den Rest vielleicht auch, aber das sieht man ja nicht unterm Trikot). Jetzt, bei Sonnenschein im Mai, stellt sich heraus, dass die bebilderte Hautfläche auch bei Normalmenschen wieder zugenommen hat. Und als ich auf einer Fortbildung mal mit Kollegen in der Sauna war, musste ich feststellen, dass der Trend sogar an der Pfarrerschaft nicht gänzlich vorüber gegangen ist.
Vom größten Nachteil der Tattoos haben wir aber auch schon gehört: Sie sind kaum wieder weg zu kriegen. Und so hat dann eben mancher eine „Juliane“ für immer auf dem Arm, obwohl die Liebe längst verflossen ist. Und wie all die vielen Tattoos mal auf alter, verschrumpelter Haut aussehen, mag ich mir auch nicht ausmalen. Demgegenüber hat so ein „Aqua-Tattoo“ natürlich Vorteile: Es mag zwar nie wieder abgehen, aber es ist wenigstens unsichtbar. Andererseits: Wer braucht ein unsichtbares Tattoo?
Trotzdem: Taufe und Tattoo, das ist durchaus ein interessanter Vergleich. Beides geht unter die Haut, beides ist auf lebenslange Haltbarkeit angelegt, beides lässt man freiwillig mit sich machen (oder Eltern lassen es freiwillig mit ihren Kindern machen). Und auch das hat die Taufe mit vielen Tattoos gemein: sie ist das Ergebnis einer Liebesbeziehung.
Dass die Taufe unter die Haut geht, das liegt allerdings nicht am Wasser – da hinkt der Vergleich nun doch. Egal, ob es bei einer Taufe reichlich oder sparsam verwendet wird, es bleibt doch immer an der Oberfläche. Es ist nur ein äußerliches Zeichen und als solches auch nicht von Dauer. Dafür geht das, worauf es bei der Taufe eigentlich ankommt, viel tiefer unter die Haut als jedes Tattoo, nämlich bis ins Herz, mitten ins Zentrum unserer Person. Sie ist das Ergebnis einer Liebesbeziehung habe ich gesagt; denn Gott bestätigt uns mit der Taufe seine Liebe. Er schreibt uns dabei ins Herz: „Du gehörst mir, weil ich dich liebhabe.“ Und was er uns ins Herz schreibt, das geht in der Tat nie wieder weg. Das bleibt ein für alle Mal, solange wir leben, ja, sogar darüber hinaus.
Das mag uns nun in der Tat ein bisschen gruselig vorkommen. „Du gehörst mir, mit Haut und Haar, für immer und ewig“ – das könnte, gefolgt von teuflischem Gelächter, auch ein Satz aus einem Horrorfilm sein. Aber bei der Taufe ist es ja kein Schurke oder Dämon, der so redet, sondern es ist Gott, der uns geschaffen hat. Es ist Gott, der uns so sehr liebt, dass er in Jesus Christus selber Mensch geworden ist, um alles aus der Welt zu schaffen, was uns von ihm trennt. Und es ist Gott, der uns durch seinen guten Geist immer wieder sagt: Du bist mein geliebtes Kind, du darfst frei sein und leben, weil ich für dich da bin.
Allerdings: Etwas, was für immer bleibt, dass lasse ich mir nur von jemandem machen oder zusagen, dem ich vertraue. Schon, wenn ich mir ein Tattoo stechen lassen würde, müsste ich dem Tätowierer vertrauen, dass der seine Sache ordentlich macht, keine verdreckten Nadeln verwendet usw. Erst recht gilt das für die Taufe: „Du gehörst mir“, das lasse ich mir nur von jemandem sagen, dem ich voll und ganz vertraue und von dem ich weiß, dass er dieses Vertrauen nicht missbrauchen wird. Deshalb ist es so wichtig, dass Glaube und Taufe zusammengehören. Denn Glauben heißt im Kern ja nichts anderes als auf Gott zu vertrauen.
Bei Dana und Angelina sind es vor allem die Eltern und Paten, bei denen wir dieses Vertrauen voraussetzen. Sie vertrauen ihre Kinder mit der Taufe Gott an, und sie versprechen, das Ihre dafür zu tun, dass auch Dana und Angelina etwas vom christlichen Glauben erfahren und auf Gott vertrauen lernen. Und bei euch Konfirmandinnen und Konfirmanden seid ihr es selbst, bei denen Glaube und Taufe zusammengehören. Ihr sagt mit eurer Taufe: Ja, ich vertraue auf Gott und ich vertraue mich ihm an – mit allem, was ich bin und habe, für mein ganzes Leben.
Ihr merkt: Taufe ist nichts, was man mal eben machen kann, weil’s halt Tradition ist, weil die Oma es unbedingt so haben will oder weil man es lästigerweise über sich ergehen lassen muss, um konfirmiert zu werden. Nein, Taufe ist viel mehr, auch viel mehr als die Konfirmation. Durch sie entsteht ein unauflösliches Band zwischen euch und Gott. Und wenn man schon über ein Tattoo vorher sorgfältig nachdenken sollte, weil’s halt für immer hält, dann gilt das für die Taufe erst recht. Wenn wir euch gleich fragen werden, ob ihr getauft werden wollt, dann habt ihr euch euer „Ja“ also hoffentlich gut überlegt und euch frei dafür entschieden.
Ich sage das nicht, damit euch das mit dem „Aqua-Tattoo“ jetzt doch unheimlich wird und ihr es euch im letzten Moment noch mal anders überlegt. Denn ich bin ja überzeugt, dass Gott das Vertrauen verdient, das ihr ihm mit der Taufe schenkt. Und ich bin auch überzeugt, dass ihr das Vertrauen gar nicht selber hervorbringen müsst, sondern Gott sorgt dafür, dass ihr ihm vertrauen könnt. Ich für mein Teil bin ja froh, dass meine Eltern mich als kleines Kind haben taufen lassen und dass ich bei meiner Konfirmation selber Ja dazu gesagt habe. Ich möchte mein „Aqua-Tattoo“ nicht mehr missen, weil es nichts Schöneres, Befreienderes, Mutmachenderes gibt als zu wissen: „Gott kennt mich und hat mich lieb, und nichts und niemand wird mich je aus seiner Hand reißen.“ Diese Wirkung hat die Taufe aber nur, wenn man diesen Schritt bewusst geht und dann auch dabei bleibt, und das ist mir wichtig für euch.
„Aqua-Tattoos“ kann man nicht sehen, aber man kann spüren, wie sie wirken – so hieß es eben in unserem Anspiel. Und das möchte ich euch zum Schluss noch wünschen zu eurer Taufe: Dass ihr ihre Wirkung spürt, auch wenn das Wasser längst getrocknet und dieser Tag längst vergangen ist. Denn es hat Wirkung, wenn man Gott gehört. Wenn ich ihm gehöre, dann hat eben niemand sonst einen totalen Anspruch auf mein Leben: weder Eltern noch Familie, weder Schule noch Arbeitgeber, weder Staat noch Kirche. Das für mich selber zu wissen, das macht mich frei; und es bei anderen zu respektieren, lässt auch ihnen die Freiheit. Wenn ich Gott gehöre, dann weiß ich auch, dass nichts mich von seiner Liebe trennen kann: kein Unglück und kein Leiden, auch kein Zweifel und keine Gleichgültigkeit. Selbst, wenn ich mich von Gott entferne, steht mir der Rückweg immer offen. Und schließlich: Wenn ich Gott gehöre, dann lässt er mich mitwirken daran, dass diese Welt ein besserer Ort wird: dass Menschen geholfen wird, die Hilfe brauchen; dass Frieden einkehrt und Gerechtigkeit wächst; dass diese Erde auch in Zukunft ein gutes Zuhause bietet für alle Geschöpfe Gottes.
„Aus dem allen ergibt sich die Folgerung“, hat Martin Luther geschrieben, „dass ein Christenmensch nicht in sich selbst lebt, sondern in Christus und in seinem Nächsten; in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben fährt er über sich in Gott, aus Gott fährt er wieder unter sich durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott und göttlicher Liebe. Sieh, das ist die rechte, geistliche, christliche Freiheit, die das Herz frei macht von allen Sünden, Gesetzen und Geboten, die alle andere Freiheit übertrifft wie der Himmel die Erde. Das gebe Gott“ auch euch, die ihr heute getauft werdet, „recht zu verstehen und zu behalten! Amen.“

Ihr Pastor Dr. Martin Klein