Predigt Wenschtkirche, Sonntag, 26. Mai 2024

Gottesdienst für den Sonntag Trinitatis

Text: Eph 1,3-14

Gott zu loben und zu preisen, das steht uns Christen gut an. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ – dazu fordert schon der Dichter von Psalm 103 sich selber auf, und wir haben allen Grund, uns ihm anzuschließen: Gott zu loben für all das Gute, das er uns zuteilwerden lässt, aber erst recht ihn zu preisen für das umfassende Heil, das er uns in Jesus Christus schenkt. Dieses Heil beginnt schon vor Anbeginn der Welt und es reicht über ihr Ende weit hinaus. Es umspannt Himmel und Erde. Es gilt allen Menschen zu allen Zeiten, ja, der ganzen Schöp­fung. Es enthüllt uns das Geheimnis der Welt; denn es zeigt uns, wer Gott ist, wie er ist, und wie er für uns Menschen da ist. Und es will uns ganz durchdringen, alles Denken, Reden und Handeln prä­gen.

Lässt sich das überhaupt in Worte fassen? Kann menschliche Spra­che etwas beschreiben, das weit hinausgeht über ihren üblichen Anwendungsbereich? Nein, sie kann es natürlich nicht. Und doch muss sie es tun. Denn wo das Heil Gottes Menschen ge­packt hat, da müssen sie auch davon reden. Wes das Herz voll ist, des geht halt der Mund über. Und das ist auch gut und richtig so, denn schließlich war es Gottes Wort, das in Christus Mensch gewor­den ist und sich in menschlichen Worten unter uns hören ließ. Also ist es recht und billig, dass wir Gott nun auch in menschlichen Wor­ten loben und preisen.

Trotzdem stößt unsere Sprache an ihre Grenzen, wenn wir das tun. Das können wir am heutigen Predigttext aus dem Epheserbrief deut­lich merken. Der Brief beginnt, wie es sich gehört, mit einem Lob­preis Gottes. Und der versucht, alles, was es da zu loben und zu prei­sen gibt, in einem einzigen Satz unterzubringen. Was dabei heraus­gekommen ist, hat ein Kenner der Materie mal „das monströ­seste Satzkonglomerat“ genannt, das ihm in griechi­scher Sprache je begegnet sei. Unsere Lutherbibel hat aus dem ei­nen Satz schon meh­rere gemacht. Aber wenn ich den Text nun lese, werden Sie trotzdem verstehen, was mit „monströs“ gemeint ist:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns geseg­net hat mit allem geistlichen Segen im Himmel in Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe.

Er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herr­li­chen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sün­den, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfah­ren lassen in aller Weisheit und Klugheit.

Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach sei­nem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um die Fülle der Zeiten heraufzuführen, auf dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist, durch ihn.

In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbe­stimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens, damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.

In ihm seid auch ihr, als ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, näm­­lich das Evangelium von eurer Rettung – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wur­det, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der ver­heißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Er­lösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlich­keit.

Und, alles verstanden? Am Ende noch gewusst, wie es angefangen hat? Keine Angst – ich werde jetzt niemanden aufrufen, das Gehörte noch mal in eigenen Worten wiederzugeben. Und ich werde Ihnen auch nicht in allen Einzelheiten erläutern, was da steht. Das ergäbe Stoff für mindestens ein Jahr „Bibel im Gespräch“. Nein, ich be­schränke mich auf den wesentlichen Punkt und ziehe daraus ein paar wichtige Konsequenzen.

Der wesentliche Punkt ist folgender: Alles, was Gott zum Heil der Welt und der Menschen tut, geschieht in Jesus Christus: In Christus hat Gott uns erwählt schon vor Anbeginn der Welt. In Christus hat er uns erlöst und befreit von aller Schuld. In Christus lässt er uns teilha­ben an seiner Liebe, seiner Gnade, seiner Herrlichkeit. In Christus gehören wir zur Gemeinschaft der Glaubenden, und das Siegel da­rauf ist die Taufe in seinem Namen. In Christus wird Gottes Heil einst alles umfassen: Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit. Und wir dürfen dabei sein und darauf jetzt schon hoffen. Und weil das so ist, steht Christus auch im Mittelpunkt, wenn wir Gott loben und prei­sen – so wie in diesem Text.

Das heißt nicht, dass ich all denen das Heil abspreche, die nicht an Jesus Christus glauben. Denn erstens steht mir das gar nicht zu. Und zweitens: Wenn in Christus wirklich „alles zusam­mengefasst“ wird, „was im Himmel und auf Erden ist“, wie es im Text heißt, dann gehö­ren dazu auch die Un- und Andersgläubi­gen. Was Gott am Ende mit ihnen vorhat, wird nicht gesagt, aber er wird es schon richtig machen, darauf vertraue ich.

Nein, wenn alles Heil in Jesus Christus liegt, dann heißt das für mich, dass ich es nirgendwo anders suchen muss: weder in den Heils­verspre­chen von Politikern noch in denen von religiösen Füh­rern. Weder in den Tiefen meiner Seele muss ich es suchen, noch darin, dass ich den richti­gen Glauben habe, noch darin, dass ich das Richtige tue. Nein, an mir liegt es ganz und gar und überhaupt nicht, wenn ich gerettet werde, auch an keinem anderen Menschen, son­dern einzig und allein an Jesus Christus. In ihm hat Gott uns erwählt schon vor Grundlegung der Welt, sagt der Epheserbrief. Oder wie es ein Kinderlied etwas anschaulicher formuliert: „Schon vor Millio­nen von Jahren, als noch Dinos hier waren, hat Gott fröhlich gelacht, wenn er an dich gedacht.“ Er wollte schon immer unser Gott sein, und wir sollten schon immer seine Menschen sein, und das hat sich erfüllt, als er selber in Jesus Christus Mensch geworden ist. Das ist nicht mehr zu überbieten, und dahinter geht es auch nicht mehr zurück.

Eine erste Konsequenz daraus: Gott ist für Christen nicht ohne Jesus Christus zu haben. Entweder er ist der in Christus Mensch gewor­dene Gott oder er ist nicht unser Gott. Das klingt selbstverständlich. So wie Christen sich Gott oft vorstellen und wie sie von ihm reden, scheint es aber nicht so selbstverständlich zu sein. Da ist Gott zwar irgendwie der Vater im Himmel, der mich liebt und mir vielleicht noch einen Engel sendet, um mich durchs Leben zu führen. Und Jesus ist ein Mensch, den ich mir beim Glauben, Hoffen und Lieben zum Vorbild nehmen kann. Aber dabei geht oft völlig unter, dass ich Gott nur deswegen meinen Vater im Himmel nennen darf, weil er der Vater Jesu Christi ist. „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich“ – das sagt Jesus im Johannesevangelium nicht den Anhängern anderer Religionen, sondern er sagt es seinen eigenen Jüngern, die das offenbar immer noch nicht begriffen oder schon wieder verges­sen haben. An Jesus vorbei führt für uns kein Weg zu Gott – nicht deshalb, weil Jesus ein Mensch wäre, der Gott besonders nahe gekom­men ist, sondern weil Gott in Jesus uns nahekommt, weil er selber wahrer Mensch und wahrer Gott ist.

„Da vertrittst du aber steile theologische Thesen“, hat mir ein Pfarrkol­lege gesagt, als ich mal Ähnliches in einem Leserbrief in der „Siegener Zeitung“ geschrieben habe. Und auch unter Ihnen denkt vielleicht mancher: „Das ist mir zu hoch“ oder „Ist das denn wirklich so wichtig?“. Aber ich bin zutiefst überzeugt, dass ich Ihnen und mir und allen anderen Christen diese steilen Sätze nicht ersparen darf. Denn für mich hängt schlechterdings alles daran, dass in Jesus Chris­tus Gott und Mensch eins geworden sind. Nur wenn es so ist, bin ich wirklich von Gott erwählt. Nur wenn es so ist, bin ich wirklich geret­tet in Zeit und Ewigkeit. Nur wenn es so ist, habe ich wirklich einen festen Halt, einen Trost im Leben und im Sterben. Dank sei dem Lobpreis aus dem Epheserbrief in all seiner sprachlichen „Monstrosi­tät“, dass er uns zumindest das unmissverständlich deutlich macht. Und Dank sei Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns die Gewissheit schenken will, dass das wirklich wahr ist.

Ich ziehe aber noch eine zweite Konsequenz, damit klar wird, dass ich nicht irgendwo in himmlischen Regionen schwebe. Wenn Gott und Mensch in Christus wirklich eins geworden sind, dann ist das der eigentliche und tiefste Grund dafür, warum Menschen­verach­tung und christlicher Glaube nicht zusammenge­hen. Ich kann nicht an Jesus Christus glauben und so über Menschen reden und mit ihnen verfahren wollen, wie es die AfD und ihr rechtsradikales Um­feld tun, und wenn sie sich noch so sehr als „Verteidiger des christli­chen Abend­landes“ inszenieren. Ich kann nicht an Jesus Christus glauben und die Augen davor verschließen, wie viele Menschen je­den Tag durch menschliche Ge­walt und menschli­che Gleichgültigkeit sterben – im Kugel- und Raketenhagel, vor Hunger, an Seuchen, auf der Flucht, auch vor Ein­samkeit und Verzweiflung. Ich kann nicht an Jesus Chris­tus glauben und zu alle­dem schweigen. Und ich kann nicht an ihn glauben, ohne mein Bes­tes zu tun, um diesen Men­schen beizu­stehen.

Denn dazu sind wir ja von Gott erwählt, sagt der Epheserbrief, „dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe“. Auch das kommt natürlich nicht aus uns selber, denn dass wir alles andere als vollkommen sind, muss ich ja niemandem erzählen. Nein, wir sind immer nur so „heilig und untadelig“, wie wir uns von Gottes Liebe antreiben und führen lassen. Aber dabei dürfte noch viel Luft nach oben sein!

Und noch ein letztes: „Gelobt sei Gott“, so beginnt der Text aus dem Epheser­brief. Und zum Schluss benennt er noch einmal das Ziel des­sen, was Gott zu unserem Heil getan hat: „dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit“. Am Anfang und am Ende steht also der Lobpreis. Das ist also letztlich unsere einzig angemessene Antwort, auf das, was Gott uns schenkt: ihn zu preisen mit Herzen, Mund und Händen. Mit Worten und Taten. Mit Singen und Beten. Mit alten und neuen Liedern. Also noch mal mit Psalm 103: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Amen.

Ihr Pastor Martin Klein