Predigt Wenschtkirche, Sonntag, 04.09.2016

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und Jesus Christus unserem Herrn!

Text: 1. Petrus 5, 5-11

Gott widersteht den Hochmütigen, den Erniedrigten aber schenkt Gott Gnade. Beugt euch nun unter Gottes herrschende Hand. So wird Gott euch erheben, wenn die Zeit gekommen ist. Werft alle Sorgen auf Gott, denn Gott kümmert sich um euch. Lebt ohne Illusionen, haltet die Augen offen!
Der Teufel ist euer Feind. Er geht umher wie ein brüllender Löwe und versucht, Menschen zu verschlingen. Setzt ihm ohne Wanken den Glauben entgegen. Ihr wisst: All dieses Leid erleben auch eure Geschwister in aller Welt. Gott aber schenkt euch volle Zuwendung. Gott hat euch gerufen, damit ihr in Jesus Christus am ewigen göttlichen Glanz teilhabt. Gott selbst wird euch, die ihr kurze Zeit leiden müsst, bereitmachen, ermutigen, Kraft verleihen und euch auf ein festes Fundament gründen. Gott gehört die Macht in Ewigkeit. Amen.

Du Gott des Lebens, öffne uns für dein Wort!

Liebe Gemeinde,

Dieser Text entstammt einem Brief des Neuen Testaments, den wir in der Kirche eher selten hören oder lesen. Der Brief ist aus den letzten Regierungsjahren von Kaiser Domitian. Der verfolgte die Christen. An diese Verfolgten richtet sich der Brief. Kein Wunder also, wenn wir hier und heute den Eindruck haben: Das ist mir fremd!

Dennoch hatte ich bei der Lektüre mehrfach den Eindruck, Situationen, Verhältnisse oder Probleme der Gegenwart wieder zu entdecken.Ich möchte Ihnen meine Gedanken anbieten. Vielleicht treffen sie sich mit Ihren Eindrücken, vielleicht sind sie Anlass zu eigenen Überlegungen.

Beginnen wir also mit Vers 5:

Gott widersteht den Hochmütigen, den Erniedrigten aber schenkt Gott Gnade.

Das ruft in mir die Erinnerung an Marias Gebet, das sie nach dem Besuch des Engel Gabriels betet, wach. Sie lobt Gott, der sich auf die Seite der Armen und Entrechteten stellt. Wie wohltuend ist das, wenn ich mich zu den Erniedrigten zähle – oder zumindest nicht zu den Hochmütigen.

Doch wie weit bin ich von „den Hochmütigen“ entfernt?

Wer sind das: „die Hochmütigen“?

Manchmal habe ich den Eindruck, Medienvertreter neigen zu Hochmut gegenüber allem, was kirchlich oder christlich daherkommt. In den Medien zählen Christen oft zu den ewig-Gestrigen. Der Glaube steht der Individualität im Weg. Ja, stimmt. Lange Zeit haben Glaubensvertreter die Menschen klein geredet. Religion war leib- und lustfeindlich aber zugleich verbunden mit einer schäbigen Doppelmoral.
Und so ist es mancherorts leider immer noch.

Aber gegen solchen Hochmut atheistischer Individualitäts-Gläubiger frage ich: Wo bleiben bei euch die Werte von Gemeinschaft, Mitgefühl und Solidarität?

Aber: Obacht! Die Grenze zum Hochmut ist eine Gratwanderung.

Dann lese ich in Vers 6: Beugt euch unter Gottes herrschende Hand.

Ich merke auf bei den Worten „Gottes herrschende Hand“.
Tatsächlich erlebe ich all zu oft: Menschliche Hände formen, ja, verformen unsere Welt und dominieren sie.
Gott ist hingegen abgeschafft, hat sich überlebt, ist unnötig.
Er wird höchstens von Extremisten im Munde geführt bei Menschen verachtenden Taten.

Menschenverachtung kennen die Hörer des 1. Petrus-Briefes.
Kaiser Domitian hält damals die Macht über die gesamte bekannte Welt in Händen. Und dabei ist er kein Freund der Christen, aber auch sonst keines Menschen – er ist ein Freund der Macht und des Geldes.

Doch genau gegen ihn wenden sich die Worte: So wird Gott euch erheben, wenn die Zeit gekommen ist.

Das heißt doch: Diese Unterdrückung währt nicht ewig! Ein Wort gegen Fatalismus und Alternativlosigkeit. Damals wie heute.
Denn Gott hat bzw. ist die Alternative zum ewig Gleichen.

Darum: Werft alle eure Sorgen auf Gott, er kümmert sich um euch.

Das ist eine Entlastung, aber auch eine Herausforderung. Denn wir versuchen, unser Leben möglichst umfassend abzusichern durch Vorsorgeverträge, Versicherungen und Ähnliches. Aber: Eine Unfallversicherung schützt nicht vor Unfällen.

Zur seelischen Verarbeitung von Unfall und Unglück sind wir auf uns und auf Gott zurück geworfen. Neuen Lebensmut nach einem Schicksalsschlag finde ich nicht durch das Geld einer Versicherung, sondern durch Gottvertrauen und Menschen, die mir nahe sind.

Nur: Woher Gottvertrauen nehmen, wenn nicht stehlen? Im Fall eines Falles einfach Gott vertrauen zu sollen, das ist ein Sprung ins kalte Wasser. Um den zu wagen, muss ich vorher im Kleinen üben. Ich springe ja auch nicht von jetzt auf gleich vom 3-Meter-Brett. Ich beginne mit dem Beckenrand, wechsle auf den Startblock, zum 1-Meter-Brett, und schließlich traue ich mich auf das 3 -Meter-Brett.

Um auf Gott zu trauen, brauche ich erstmal einfache Erfahrungen:
dass Ich von Gott getragen bin, dass er mir auf die Beine hilft, wenn ich zu Fall gekommen bin. Kleine Erfahrungen mit Gott im Alltag.

Doch weiter im Text: Lebt ohne Illusion! Haltet die Augen offen!

Doch was ist Illusion, was Realität? In Zeiten von Reality-Shows im Fernsehen und virtueller Realität im Internet eine schwere Frage.

Wikipedia sagt: Eine Illusion ist eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit

Es stellt sich also die Frage: WER wirkt eigentlich in den Dingen? Wer bewirkt hier etwas? Oder wer will hier etwas bewirken?
Bei Harry Potter heißt es im Bezug auf ein verhextes Tagebuch: Trau keinem Ding, von dem du nicht weißt, wessen Willen es folgt!

Kein schlechter Rat – auch in der nicht-magischen Welt.

Dem folgt – wie bei Harry Potter auch – die Warnung vor dem Bösen:

Der Teufel ist euer Feind. Er geht umher wie ein brüllender Löwe und versucht, Menschen zu verschlingen.

JA, wo immer jemand das Maul aufreißt wie ein brüllender Löwe, lohnt es, dies Gebaren zu hinterfragen. Wo martialisch Stärke demonstriert wird, sei die Frage erlaubt: Ist die Stärke nicht nur vorgegaukelt?  Das gilt sowohl in Hinblick auf die martialischen Werbevideos des IS wie auch die massive Präsenz der Polizei, die bis unter die Zähne bewaffnet unser Bahnhöfe und Innenstädte sichern sollen.

Beides soll uns beeindrucken. Doch der IS hat bei weitem nicht so viele Anhänger, wie es die Videos vermitteln wollen. Und er ist – Gott sei Dank – auch weit von einer Weltherrschaft entfernt.
Aber auch die best ausgerüsteten Ordnungshüter werden in den seltensten Fällen einen Selbstmordattentäter vorher erkennen und daran hindern, seine Tat auszuführen.

Darum rät der Petrus-Brief:

Setzt dem Teufel ohne Wanken den Glauben entgegen.

Also: Besser als Soldaten mit Gewehr an jeder Ecke kann unser Gottvertrauen die vorhandene Angst überwinden.

Aber worauf vertraue ich da? Dass Gott mich vor allem Leid bewahrt?

Bei Gesprächen mit Tauf-Eltern betone ich immer, dass die Taufe eben kein magischer Schutz vor allem Unheil ist.
Gott-Vertrauen schützt uns nicht vor Schmerz und Leid. Aber Gott-Vertrauen schützt uns vor der Allmacht der Angst, vor der Ausweglosigkeit gegenwärtiger Not, vor Hoffnungslosigkeit.

Solange ich auf Gott vertraue ist das Hier und Jetzt nicht das ein und alles.
Gott ist mein Garant für eine andere, heilvollere Welt. Er schenkt uns die Perspektive dieser anderen Möglichkeit. Denn er verspricht uns seine andere Welt. Und die erwartet uns nicht erst nach dem Tod, die ist unsere Hoffnung für unser Hier und Jetzt. Die war zu allen Zeiten die Kraftquelle aller, die sich in Jesu Nachfolge an die Seiten der Schwachen und Benachteiligten gestellt haben – auch wenn das unpopulär oder gar gefährlich war.

Und diese Benachteiligten bekomme ich in der Fortsetzung des Verses in den Blick:

Ihr wisst: All dieses Leid erleben auch eure Geschwister in aller Welt.

Ja, besonders die Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika bekommen die Alternativlosigkeit unserer globalen Weltwirtschaft zu spüren und müssen darunter leiden.

Wie wohl tut da der Zuspruch des vorletzten Verses:

Gott aber schenkt euch volle Zuwendung. Gott hat euch gerufen, (…) Gott selbst wird euch, die ihr kurze Zeit leiden müsst, bereit machen, ermutigen, Kraft verleihen und euch auf ein festes Fundament gründen.

Gott zeigt uns nicht die kalte Schulter. Er hat uns im Blick. Und er traut uns zu, in seinem Sinne aktiv zu werden. Dazu verleiht er uns Mut und Kraft und gibt uns einen festen Stand. Niemand und nichts kann uns so schnell den Boden unter den Füßen entziehen. Nichts soll uns so schnell umhauen, wenn wir unbequeme Steine des Anstoßes im Fluss unserer Zeit sind. Denn:

Gott gehört die Macht in Ewigkeit. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen in Christus Jesus. Amen.

Pfrn. Barbara Plümer