Predigt Talkirche, Sonntag, 02.10.2016

GOTTESDIENST ZUM ERNTEDANKFEST

Text: 2. Kor 9,6-15

Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ern­ten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk; wie geschrieben steht: »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.« Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit. So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu ge­ben in aller Einfalt, die durch uns wirkt Danksagung an Gott. Denn der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heili­gen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken. Denn für diesen treuen Dienst preisen sie Gott über eurem Gehorsam im Bekenntnis zum Evangelium Christi und über der Ein­falt eurer Gemeinschaft mit ihnen und allen. Und in ihrem Gebet für euch sehnen sie sich nach euch wegen der überschwänglichen Gnade Gottes bei euch. Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!

„Und denkt daran: Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb!“ Dieser Satz stand meist am Ende, wenn bei uns in Burbach in der Gemein­schaftsstunde zu Spenden und Kollekten aufgerufen wurde. „Fröh­lich geben“ hieß dabei zunächst einmal „reichlich geben“: das Geld sollte im Kasten möglichst nicht klingeln, sondern nur leise knistern – ich denke, Sie verstehen, was ich meine. Und wenn man das, was man reichlich gab, auch noch gern gab – ohne dass es einem Leid tat um das schöne Geld –, dann durfte man davon ausgehen, dass Gott einen so richtig lieb hatte und man ein echter Christen­mensch in seinem Sinne war. – Nur dann?

„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Wie wir hörten, hat schon der Apostel Paulus diese Worte gebraucht – bei der ersten großen Spendenaktion der jungen Christenheit, die uns überliefert ist. Sie sollte der notleiden­den Gemeinde in Jerusalem zugute kommen. Als Paulus in Jerusalem mit den anderen Aposteln zusammen gewesen war, da hatte er versprochen, dass er in den Gemeinden in Klein­asien und Griechenland, die er gegründet hatte, dafür werben würde. Und das tat er auch mit großem Nachdruck, wie wir sei­nen Briefen entnehmen können. Im zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth widmet er zwei ganze Kapitel dieser Frage. Denn Paulus sieht es so: Von Jerusalem, dem Ort von Tod und Auferstehung Jesu, ist alles ausgegangen, was die Christen in seinen Gemeinden an geistli­chen Gaben empfangen haben. Da ist es nur recht und billig, wenn sie nun im Gegenzug der ganz konkreten Not der Christen von Jerusalem abhelfen. Aber es ist ihm wichtig, dass jeder nur so viel gibt, wie er guten Gewissens und fröhlichen Herzens geben kann – ohne Druck und Zwang. Denn, so zitiert er ein Sprichwort aus sei­nem griechischen Alten Testament, Gott hat eben den fröhlichen Geber lieb und segnet ihn, nicht den, der es nur aus Zwang oder gar aus pseudo-frommer Berechnung tut.

Auch bei uns waren zum Erntedankfest wieder „fröhliche Geber“ am Werk: sie haben heute Gaben für unseren Mittagstisch mitgebracht, sei’s gekauft oder selbst geerntet und sie haben damit Gott zu Ehren und den Bedürftigen zunutze unsere Kirche geschmückt. Und ich gehe davon aus, sie haben das alle gern getan – ohne zu denken: „Schade um die schönen Äpfel – die hätte ich doch lieber selber gegessen“ und ohne auszurechnen, wie sich der persönliche Kredit bei Gott pro gespendeter Nudelpackung verbessert. Sie haben es gern getan, weil es durchaus Freude macht, anderen Gutes zu tun, und auch weil Sie wissen, dass die, die es bekommen, ihre Gaben gut gebrauchen kön­nen.

Da kann man nur sagen: Wenn das Geben doch immer so fröhlich wäre wie zum Erntedankfest! Aber leider ist es das nicht. Dass wir zum Beispiel nicht mehr von Haus zu Haus für die Diakonie sam­meln, hat ja nicht nur mit der zuletzt nur noch kleinen Zahl der Sam­melnden zu tun, sondern auch mit den schlechten Erfahrungen, die so mancher beim Sammeln gemacht hat. „Wir geben nichts!“ hieß es da oft. Oder: „So lange die Kirche für dieses oder jenes Geld raus­schmeißt, kriegt sie von mir keinen Cent mehr!“ Nach fröhlichen Kirchensteuerzahlern wagt man da schon gar nicht mehr zu fragen – bei der ist es mit der Freiwilligkeit ja auch so eine Sache.

Dabei kommt mir der verwegene Gedanke, ob das nicht der tiefere Grund für unsere kirchliche Finanzmisere sein könnte: dass vielen Menschen die Fröhlichkeit des Gebens abhanden gekommen ist. Denn wer nicht mehr gern gibt, der gibt irgendwann gar nicht mehr und legt sein Geld und Gut so an, wie er’s als sinnvoller erachtet. Kann man das ändern? Kann man den Trend umkehren und die Fröhlich­keit beim Geben zurückgewinnen? Ich denke ja, aber dazu müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein.

Die erste Bedingung: Um fröhlich geben zu können, muss ich etwas zum Geben haben. Und da fehlt es natürlich bei vielen: bei den Arbeits­losen und „prekär Beschäftigten“, bei den alleinerziehenden Elternteilen, bei den Älteren mit kleiner Rente. Aber trotzdem: Der Mehrheit in unserem Land geht es finanziell immer noch gut bis sehr gut, vielen sogar besser als noch vor ein paar Jahren. Da bleibt nach Abzug der eigenen und der familiären Bedürfnisse schon einiges zum Freigebigsein übrig. Man muss es nur wollen!

Die erste Bedingung ist also erfüllt. Dann folgt die zweite: Um fröh­lich geben zu können, muss ich überzeugt sein, dass meine Gaben gut angelegt sind. Paulus war in Jerusalem. Er kannte die Not der Gemeinde dort aus eigener Anschauung. Seine Gemeinden wussten das, und sie wussten auch, dass Paulus sich ihre Spenden nicht in die eigene Tasche stecken würde. Heute dagegen gibt es bei vielen Zwei­fel, ob ihre Spenden denn auch den Zweck erfüllen, für den sie ge­dacht sind, und sie halten sich deshalb zurück. Für manche aller­dings ist das auch eine bequeme Ausrede. Bei unseren Erntedank­gaben fällt es mir leicht, Zweifel zu zerstreuen, falls es welche geben sollte. Denn die allermeisten hier wissen ja Bescheid, was es mit unserem Mittagstisch auf sich hat und kennen eine oder mehrere Personen, die dort mitarbeiten. Die kann man fragen, und man kann auch donnerstags mal hier vorbeikommen und sich selber ein Bild machen. Je konkreter ich also den Zweck meiner Spende kenne, desto leichter wird es mir fallen, beim Spenden „fröhlich“ zu blei­ben. Aber auch den großen Spendenorganisationen unserer Kir­che wie „Brot für die Welt“ können Sie durchaus vertrauen – sie werden regelmäßig überprüft und erhalten dabei immer gute Noten. Es las­sen sich also genügend Spendengelegenheiten finden, bei denen auch die zweite Bedingung erfüllt ist.

Aber letztendlich hängt wohl alles an der dritten und wichtigsten Bedingung: Um fröhlich geben zu können, muss ich um all die guten Gaben wissen, die ich selber empfangen habe. Auf diesen Punkt hat schon Paulus das Hauptgewicht gelegt: Ihr Christen in Korinth habt eine Fülle von geistlichen Gaben empfangen: ihr gehört zu Gott, ihr dürft euch sein Volk nennen, obwohl ihr keine geborenen Juden seid, Gott hat euch seine Gnade erwiesen, ihr seid mit ihm im Rei­nen, er hat euch seinen Geist geschenkt, und alles, was ihr zum irdi­schen Leben braucht, noch dazu. Ist es da nicht eine Frage der Ehre und der Dankbarkeit, anderen von diesen Gaben weiterzugeben? Ist es nicht selbstverständlich, nicht zu knausern, wo Gott so freigebig ist? Und was für die Korinther galt, gilt auch für die Klafelder: Ihr lebt von Gottes Güte, Gnade und Barmherzigkeit; auch materiell seid ihr immer noch reich gesegnet. Und letztlich verdankt ihr alles, was ihr seid und habt, nicht euch selbst, sondern Gott, der euch geschaffen hat. Wer das weiß, der dürfte eigentlich kein Problem damit haben, Gott fröhlich zu loben und anderen fröhlich zu geben – und das nicht nur zu Erntedank. Also: Gott hat euch lieb, deshalb könnt ihr fröhliche Geber sein. Gott segne euch dabei, und er segne die, die eure Gaben empfangen. Amen.

Ihr Pastor Dr. Martin Klein