Predigt, Sohlbach-Buchen, Sonntag, 08.09.2019

GOTTESDIENST ZUM KARTOFFELBRATFEST

Text: Mt 6,19-21

Ach, der Frederick! Zu nichts zu gebrauchen ist er. Sitzt einfach nur faul herum, während alle anderen rennen, schaffen, sammeln. Sonnen­strahlen, Farben – wer braucht denn so was? Körner, Nüsse, Kartoffeln – darauf kommt es an. Auf Dinge, die satt machen, von denen man leben kann, ganz konkret und handfest. Alles andere ist doch nur Träumerei. Etwas für Schöngeis­ter, die dann entweder nicht lange leben oder von den Fleißigen mit durchgefüt­tert werden müssen.

Bei uns Menschen haben sich die Methoden etwas verfeinert. Für die unmittelbaren Lebensmittel, die wir brauchen, haben wir unsere Leute. Wir selber bauen Korn und Kartoffeln, Obst und Gemüse höchs­tens noch zum Vergnügen an. Aber das Sammeln haben wir deshalb nicht aufgegeben. Im Gegenteil: inzwischen reicht es längst über den täglichen Bedarf hinaus. Wir sammeln Schätze aller Art – weil es uns Spaß macht, vor allem aber, weil wir hoffen unser Dasein damit rundum absichern zu können.

Jesus hat diese Hoffnung mit Recht für trügerisch gehalten. Und deshalb hat er uns seine Version der „Methode Frederick“ empfoh­len:

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motte und Holz­wurm sie verschwinden lassen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Holz­wurm sie verschwinden lassen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.

Was Jesus hier sagt, mag uns ziemlich veraltet vorkommen. Wer legt schon heutzutage noch sein Geld in Textilien an und lässt sie dann von den Motten fressen? Kleidung ist für uns doch längst zur Ex-und-Hopp-Ware geworden. Sie wird angezogen, bis sie aus der Mode ist – was sehr schnell geht – oder Löcher bekommt – was meis­tens auch nicht viel länger dauert – und dann ab in die Tonne damit oder, wenn es hoch kommt, in den Rot-Kreuz-Sack. Wir bewah­ren unsere Schätze auch nicht mehr in gro­ßen Truhen auf, die in irgendwelchen feuchten Kellern langsam vor sich hin modern. Wenn was wurmstichig zu wer­den droht, dann landet es halt auf den Sperrmüll – oder besten­falls auf dem Flohmarkt. Diebe und Einbre­cher gibt’s zwar immer noch zuhauf. Aber die interessieren sich mehr für Bargeld oder Schmuck – und so was muss man ja nicht einfach so rumliegen las­sen.

Nein, das Schätze-Sammeln kann man heute wirklich geschickter anstellen. Man kann Lebensversicherungen und Bausparverträge abschließen, in Immobilien investieren, Wertpapiere kaufen, mit Bitcoins handeln und so weiter. Und dann lässt man einfach das Geld für sich arbeiten und genießt mit den Erträgen das Leben: „mein Haus, mein Auto, meine Segel­yacht“. So wurde uns die schöne neue Welt des Kapitals lange Zeit in der Werbung anger­priesen.

Aber beim genaueren Nachdenken müssen wir zugeben, dass Jesus immer noch Recht hat mit seiner Mahnung. Kreditkarten und Aktiende­pots verrotten zwar nicht, aber ihr Wert ist eher noch vergäng­licher als Schätze in Kisten und Truhen. Da der letzte große Börsen-Crash nun schon eine Weile her ist, haben viele das wieder verdrängt. Aber irgendwann, vielleicht schon bald, wird der nächste kommen, und wieder werden sich gewaltige Vermögen in Luft auflö­sen, viel schneller als Motten oder Würmer jemals arbeiten könn­ten.

Frederick hat es anders gemacht. Er hat Schätze gesammelt, die ihm niemand nehmen konnte. Und als er sie mit den anderen teilte, erkann­ten auch seine fleißigen Mit-Mäuse ihren Wert und lernten ihren angeblich so faulen Bruder ganz neu zu schätzen. Und Jesus bietet uns zu unserem Schätze-Sammeln eine Alternative an, die noch viel weiter reicht und aktuell ist wie eh und je: Schätze im Him­mel sammeln statt Schätze auf der Erde – ohne Verfallsdatum, krisen­fest und diebstahlsi­cher. Weg von den materiellen, hin zu den ideellen, den ewigen Werten, das liegt durchaus im Trend der Zeit. Es fragt sich nur: Wie macht man das? Wie geht das mit der himmli­schen Kapitalan­lage?

Im Mittelalter hat man es bekanntlich sehr wörtlich genommen: Geld und Stiftungen für die Kirche bringen Kredit für die Ewigkeit – „sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“. Über diesen platten Spruch fühlen wir uns natürlich seit Luthers Zeiten erha­ben – die Katholiken übrigens auch schon lange. Trotz­dem glaube ich, wir sind noch stärker in dieser Denke gefangen, als wir wahrhaben wollen. Vielleicht erwarten wir die Gewinnaus­schüt­tung nicht mehr so sehr im Jenseits. Aber warum es ihnen hier auf Erden so schlecht geht, wo sie doch immer so viel gespendet und Gutes getan haben, das fragen sich immer noch viele Men­schen. Und welcher Mit­arbeiter in FeG oder Kirche hat sich nicht schon bei dem Gedanken er­tappt: Was habe ich eigentlich davon, dass ich in diese Arbeit so viel Zeit, Kraft, Nerven und, ja, auch Geld investiere? Kriege ich dafür irgendwas zurück? Oder heißt „für Gotteslohn“ schlicht „umsonst“?

Wir Menschen, auch wir Christenmenschen können da anscheinend nicht heraus aus unserer Haut. So sind wir nun mal gestrickt: Wenn kein Gewinn zu erwarten ist, wird auch nicht investiert – ganz egal, ob es sich um materielle oder sogenannte „höhere“ Werte handelt. Selbst die Liebe geht zugrunde, wenn sie nicht irgendwann auf Ge­genliebe stößt. Echte Selbstlosigkeit hält keiner lange durch. Das mag bedauerlich sein, doch wir müssen uns wohl damit abfinden.

Aber wo ist dann der Unterschied zwischen dem Schätze-Sammeln auf Erden und dem Schätze-Sammeln im Himmel? Ich denke, er liegt im letzten Satz des kurzen Textes aus der Bergpredigt: „Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“ Und das ist für mich die entscheidende Frage: Woran hängt letzten Endes unser Herz? Denn – so hat es Martin Luther formuliert – „woran du dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott.“

Wir sollten unser Herz in dieser Sache ernstlich prüfen. Hängt es wirklich an Gott, dem Schöpfer und Erhalter allen Lebens, dem Urhe­ber aller guten Gaben, oder haben die muslimi­schen Fundamenta­listen in all ihrer Verblen­dung doch Recht, wenn sie ihren Hass und ihren Terror immer wie­der auf Symbole des westli­chen Kapitalismus richten? Dienen wir im einst christlichen Abend­land nicht doch längst dem Mammon? Sind nicht die Börsen und die Banken und die Shopping-Malls unsere wahren Heiligtü­mer?

Gott möge uns davor bewahren – aber wie wäre es wohl, wenn das alles eines Tages zusammenbrechen würde? Wenn unsere Geldanla­gen plötzlich nichts mehr wert wären? Wenn Staat und Wirtschaft Massen von Menschen entlassen müssten, um zah­lungsfähig zu blei­ben? Wenn unser soziales Netz einfach nicht mehr zu finanzieren wäre? Und wenn dann irgendein autoritärer Verführer von rechts oder links außen auftauchen würde, um den Protest der Enttäusch­ten auf seine Mühlen zu lei­ten? Hätten wir Christen dem etwas entge­genzusetzen? Hätte unser Glaube noch genug Substanz, um uns dann Zuflucht und Orientie­rung zu bieten? Oder hängt auch unser Herz so sehr an Geld und Gut, an Ruhe und Sicherheit, dass wir nur noch verzweifeln könnten, wenn sie uns genommen wür­den?

Es ist leicht gesagt, dass unser Herz nicht an dem hängt, was wir haben und besitzen. Es tut uns auch nicht weh, etwas davon abzuge­ben, solange immer noch genug für uns selber übrig bleibt. Aber was mit meinem Herzen passieren würde, wenn es eines Tages hart auf hart käme, das wage ich nicht vorherzusagen. In mancher Hinsicht wäre es da wohl leichter, so radikal zu sein wie Jesus und auf irdische Schätze ganz zu verzichten.

Es mag sein, dass wir das nicht schaffen. Denn wirklich radikal und konsequent sein, das können immer nur wenige. Aber wenn wir zu denen nicht gehören, dann möchte ich uns wenigstens an den Schatz im Himmel erinnern, der dort immer schon für uns bereit liegt. Und zwar ist das ein Schatz, den wir nicht selbst ge­sammelt haben, sondern den Gott für uns angelegt hat: einen Schatz an Gottver­trauen und Zuversicht, an Glaube, Hoffnung und Liebe. Von diesem Schatz können wir jederzeit abheben, so viel wie wir brau­chen – ohne Kreditkarte und ohne Rückzahlungspflicht, so wie Fre­derick seine Farben und Sonnenstrahlen. Und dieser Schatz wird reichen fürs ganze Leben und für alle Lebenslagen. Wenn unser Herz daran hängt, dann sind wir in guten Händen. Und mit unserem Be­sitz mögen wir dann verfahren, wie unser Herz es uns gebietet. Amen.

Ihr Pastor Martin Klein