Predigt, Konfirmationsgottesdienst, Sonntag, 26. April 2015, Wenschtkirche

Text: Mt 7,13-14(15-20)

Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!

Zu diesen beiden Bibelversen gibt es ein altes Bild, das mich in mei­ner Jugend sehr beeindruckt hat. Kennen ge­lernt habe ich es im Haus­flur meiner Großtante. Dort hing es in einem ernsten, dunklen Holzrahmen – gut sichtbar für alle, die ein- und aus­gingen. Im Inter­net habe ich es wiederge­funden und kann es euch deshalb zeigen.

Da sind sie also dargestellt, der breite und der schmale Weg aus Mat­thäus 7. Der breite Weg beginnt an einem präch­tigen Tor, das weit offen steht. Dahinter sieht man eine gepflegte Straße. Viele Men­schen sind dort unterwegs, fröhlich und gut gekleidet. Und in den Häusern rechts und links wird alles geboten, was es vor 150 Jah­ren an Vergnügun­gen gab: da ist ein Gasthof mit Tanzsaal, ein The­ater, eine „Spielhölle“– in einer modernen Version wär’s wohl eine Disco, ein Kino und ein Casino. Aber hin­ter dieser Vergnügungsmeile sieht es düster aus: da droh­en schwarze Wol­ken und Feuerflammen, Krieg und Zerstö­rung. Und für die Men­schen, die dorthin gelangen, gibt es keine Rettung mehr. Auf sie warten Tod, Teufel und Hölle.

Am Anfang des schmalen Weges da­gegen liegt nur ein klei­nes Tür­chen, das man leicht über­sehen kann. Dahinter führt ein schmaler Pfad in vielen Win­dun­gen bergauf, steil und beschwerlich. Hier gibt es keine Vergnügungen am Wegesrand, sondern eine Kirche, eine Sonntagschule, eine „Kinderrettungsanstalt“. Entsprechend sind da nur wenige Leute unterwegs, und die Anstren­gung kann man ihnen ansehen. Aber am Ende des Weges, oben auf dem Berg, da steht der Himmel offen, strahlend und golden, und davor warten die Engel Gottes, um die Glaubenspilger in Emp­fang zu neh­men.

Euch Konfis von heute werden solche Bil­der kaum noch begegnen. Aber die Vor­stellung, die dadurch transportiert wurde, die habt ihr vielleicht auch noch im Kopf. Danach ist Christsein eine anstren­gende, langweilige und tod­ernste Angelegenheit, wo alles verboten ist, was Spaß macht. Und in der Tat habe ich noch Christen kennen gelernt – hier und da soll es sie immer noch geben –, die das so sa­hen: Je freudlo­ser ihr Dasein im irdischen Jammertal, desto siche­rer waren sie, auf dem Weg zum Himmel zu sein.

Ich hoffe sehr, ihr habt in den letzten zwei Jahren gemerkt, dass man auch anders Christ sein kann. Anstrengend mag es zwar für Christen schon mal werden, in feindlicher Umge­bung sogar gefährlich, aber bestimmt nie freudlos und langweilig. Okay, der Spaßfaktor eines normalen Gottes­dienstes ist für euch wohl eher niedrig. Sich sams­tags schon um neun aus dem Bett quä­len zu müs­sen, um pünkt­lich beim Blocktag zu sein, das hat sicher auch nicht alle begeis­tert. Und manchmal gehen einem auch die lieben Mitkonfis auf die Nerven. Trotzdem hatte ich den Ein­druck, dass die Grundstim­mung bei euch gut war. Die Freizei­ten zum Beispiel waren für viele ein Highlight, und mancher Blocktag, manches Projekt hat blei­bende Eindrü­cke hinterlassen. Auch uns, euer Konfi-Team, habt ihr, denke ich, nicht als weltfremde Spinner erlebt oder als Spaß­bremsen, die immer den Zei­gefinger oben und den Daumen drauf hatten. Im Gegenteil: Man­cher meint ja schon, dass es bei uns viel zu locker zugeht und die Konfis überhaupt nichts mehr lernen. Ich glaube, dass das nicht so ist. Denn Glauben lernen, das kann man, wenn überhaupt, nicht nur mit dem Kopf, erst recht nicht durch das Auswen­diglernen von altertüm­lichen Texten, die man nicht ver­steht, sondern am Glauben ist der ganze Mensch betei­ligt, mit Verstand und Herz und allen Sin­nen. Darum ging es uns, als wir euch mitgenommen haben auf die „Entdeckungs­reise ins Land des Glaubens“, und je mehr Spaß ihr dabei hattet, desto besser.

Das Bild meiner Großtante, so beeindruckend es einmal war, führt uns also auf die falsche Spur, wenn wir über die beiden Verse aus der Bergpredigt nachdenken (deshalb mache ich es jetzt auch aus). Jesus will uns nicht die Freude am Leben verderben. Er will uns auch nicht vorhal­ten, dass es mit uns noch mal ein schlim­mes Ende nimmt, wenn wir dies nicht tun oder das nicht lassen. Aber was will er dann? Was haben seine Worte uns zu sagen – vor allem euch, die ihr heute konfirmiert werdet?

Ich will’s mal so versuchen: Ihr seid jetzt vierzehn, und ihr macht euch sicher Gedanken über eure Zukunft: Wie soll es aussehen, mein Leben als Erwachsener, das jetzt lang­sam näher rückt? Wenn ich recht sehe, gibt es auch da zwei Wege, die ihr gehen könnt. Der eine ist der Weg der Anpas­sung: die Klamotten anziehen, die alle anzie­hen, die Musik hören, die alle hö­ren, eure Zeit mit Chatten, Simsen, Daddeln vertun, weil’s alle machen, das Zeug trinken oder rauchen, das gerade in ist, in der Schule bloß nicht zu posi­tiv auffallen, damit man nicht als Streber gilt, Kirche für uncool halten, weil man die frühestens mit 60 gut finden darf. Dieser Weg ist breit und be­quem: man lässt sich trei­ben in dem guten Gefühl, dazu zu gehören, und kriegt kei­nen Stress, weil man zu sehr auffällt.

Es muss gar nicht böse ausgehen, wenn ihr so lebt. Die meis­ten wer­den schließlich weder süchtig noch kriminell, sondern kommen auf die angepasste Art ganz gut über die Runden. Aber ich denke, richtig zufrieden könnt ihr damit nicht sein, weil ihr nämlich eigent­lich ei­nen anderen Weg sucht. Deshalb zeige ich euch jetzt noch ein ande­res Bild

 

Dieses Bild kennt ihr schon – aus eurem Abschlussge­spräch neulich. Es soll für euren eigenen Weg stehen – den Weg, der gerade für euch genau der richtige ist, den Weg, auf dem ihr eure ganz persönlichen Träume verwirklichen könnt oder ihnen we­nigstens nahe kommt. Dieser Weg ist schmal, denn er muss ja nur für euch selber reichen. Und er macht Mühe: Ihr müsst Vertrautes hinter euch lassen, müsst sozusagen heraus aus dem Kinderzimmer wie der junge Mann auf dem Bild und euch auf Neues und Fremdes einlassen. Ihr müsst nachden­ken, um euren Weg zu finden, und euch selber schwierige Fragen beantworten: Was kann ich und was will ich? Wie lange soll ich zur Schule gehen? Was möchte ich gern werden und kriege ich das auch hin? Wer oder was hilft mir, mei­nen Weg zu finden, wer oder was hält mich davon ab? Und dann müsst ihr Entscheidun­gen treffen – Entscheidungen, bei denen ihr noch gar nicht abse­hen könnt, ob sie richtig oder falsch sind. Ihr müsst einen Weg einschla­gen und zu an­deren Wegen nein sagen, ohne schon zu wis­sen, ob die Richtung wirklich stimmt – so wie bei den Treppenstufen auf dem Bild, die irgendwo im Dunst verschwin­den.

Auf den ersten Blick hat dieser Weg mit dem schmalen Weg aus der Bibel nicht viel zu tun. Aber auf den zweiten Blick doch. Denn euer eigener Weg, der Weg, auf dem ihr das Beste aus euren eigenen Mög­lichkei­ten macht, das ist auch der Weg, den Gott für euch will. Denn er hat euch euer Leben geschenkt und liebt euch so, wie ihr seid. Er weiß, dass jeder und jede von euch einmalig ist; deshalb will er nicht, dass ihr in einer anonymen Masse abtaucht und euch dann hinterher fragt, ob ihr überhaupt richtig ge­lebt habt. Es gibt mindes­tens einen Platz, an dem gerade ihr gold­richtig seid, und Gott will euch helfen, diesen Platz zu finden.

Jetzt fragt ihr euch vielleicht, wie das gehen kann. Nun, so ganz all­gemein lässt sich das schlecht beantworten. Aber einen guten Tipp kann ich euch aus eigener Erfahrung ge­ben: Sagt nicht „auf Nim­merwiedersehen“, wenn ihr heute diese Kirche ver­lasst, sondern sucht euch bei uns einen Platz, an dem ihr mitmachen könnt! Mir zumindest hat das damals sehr geholfen, meinen Weg zu finden. Denn in der Jugendarbeit – bei mir war’s der CVJM – konnte ich selber aktiv werden; ich konnte ausprobieren, was mir lag und was nicht. Ich hatte dort Leute, mit denen ich über meine Zukunfts­pläne reden konnte, die mich bestärkt oder auch korrigiert haben. Ich habe gelernt, nicht nur an mich selber zu denken und alles selber zu ma­chen, sondern mit anderen zusammen zu leben und zu arbeiten und für andere auch Verantwortung zu übernehmen. Und vor allem hatte ich Möglichkeiten, Gott zu begegnen und mir mit seiner Hilfe über meinen Weg klar zu werden. Auch wenn ich nicht Pas­tor geworden wäre, sondern ganz was anderes, wäre diese Zeit dafür sehr wichtig gewesen. Und Spaß gemacht hat es außerdem.

Also gebt euch einen Ruck und macht mit – im Kindergottes­dienst oder bei der Kibiwo, im Konfi- oder im Technik-Team oder bei was auch immer. Ihr wisst ja jetzt einiger­maßen Bescheid über unseren Laden und habt viel­leicht sogar die eine oder andere Idee, was man anders und besser machen müsste, damit ihr euch bei uns wohl fühlt. Viel­leicht können wir euch nicht alle Wünsche erfüllen, aber wir verspre­chen euch, dass wir für euch immer ein offenes Haus und vor allem offene Ohren haben werden.

Ansonsten bleibt es dabei, dass ihr euren eigenen Weg fin­den müsst. Und wenn ihr der Meinung seid, dass der nicht durch die Kirche führt, dann müssen wir das akzeptieren. Ich kann euch dann nur noch ver­sprechen, dass Gott auch auf diesem Weg für euch immer in erreich­barer Nähe ist. Er sagt euch das zu, was die Fans von Borussia Dortmund neulich noch so schön für Jürgen Klopp gesun­gen haben: „You’ll never walk alone“ – „ihr werdet auf eurem Weg nie allein sein“ – nicht jetzt, nicht in Zukunft und auch nicht, wenn eure Lebens­reise eines Tages zu Ende geht. Gott stand am Anfang eures Weges und er erwartet euch auch am Ziel. Sein Segen begleitet euch überall hin. Das solltet ihr wissen, wenn ihr geht – und wenn ihr bleibt, erst recht. Amen.

Pfr. Dr. Martin Klein