Text: Mt 7,13-14(15-20)
Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!
Zu diesen beiden Bibelversen gibt es ein altes Bild, das mich in meiner Jugend sehr beeindruckt hat. Kennen gelernt habe ich es im Hausflur meiner Großtante. Dort hing es in einem ernsten, dunklen Holzrahmen – gut sichtbar für alle, die ein- und ausgingen. Im Internet habe ich es wiedergefunden und kann es euch deshalb zeigen.
Da sind sie also dargestellt, der breite und der schmale Weg aus Matthäus 7. Der breite Weg beginnt an einem prächtigen Tor, das weit offen steht. Dahinter sieht man eine gepflegte Straße. Viele Menschen sind dort unterwegs, fröhlich und gut gekleidet. Und in den Häusern rechts und links wird alles geboten, was es vor 150 Jahren an Vergnügungen gab: da ist ein Gasthof mit Tanzsaal, ein Theater, eine „Spielhölle“– in einer modernen Version wär’s wohl eine Disco, ein Kino und ein Casino. Aber hinter dieser Vergnügungsmeile sieht es düster aus: da drohen schwarze Wolken und Feuerflammen, Krieg und Zerstörung. Und für die Menschen, die dorthin gelangen, gibt es keine Rettung mehr. Auf sie warten Tod, Teufel und Hölle.
Am Anfang des schmalen Weges dagegen liegt nur ein kleines Türchen, das man leicht übersehen kann. Dahinter führt ein schmaler Pfad in vielen Windungen bergauf, steil und beschwerlich. Hier gibt es keine Vergnügungen am Wegesrand, sondern eine Kirche, eine Sonntagschule, eine „Kinderrettungsanstalt“. Entsprechend sind da nur wenige Leute unterwegs, und die Anstrengung kann man ihnen ansehen. Aber am Ende des Weges, oben auf dem Berg, da steht der Himmel offen, strahlend und golden, und davor warten die Engel Gottes, um die Glaubenspilger in Empfang zu nehmen.
Euch Konfis von heute werden solche Bilder kaum noch begegnen. Aber die Vorstellung, die dadurch transportiert wurde, die habt ihr vielleicht auch noch im Kopf. Danach ist Christsein eine anstrengende, langweilige und todernste Angelegenheit, wo alles verboten ist, was Spaß macht. Und in der Tat habe ich noch Christen kennen gelernt – hier und da soll es sie immer noch geben –, die das so sahen: Je freudloser ihr Dasein im irdischen Jammertal, desto sicherer waren sie, auf dem Weg zum Himmel zu sein.
Ich hoffe sehr, ihr habt in den letzten zwei Jahren gemerkt, dass man auch anders Christ sein kann. Anstrengend mag es zwar für Christen schon mal werden, in feindlicher Umgebung sogar gefährlich, aber bestimmt nie freudlos und langweilig. Okay, der Spaßfaktor eines normalen Gottesdienstes ist für euch wohl eher niedrig. Sich samstags schon um neun aus dem Bett quälen zu müssen, um pünktlich beim Blocktag zu sein, das hat sicher auch nicht alle begeistert. Und manchmal gehen einem auch die lieben Mitkonfis auf die Nerven. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass die Grundstimmung bei euch gut war. Die Freizeiten zum Beispiel waren für viele ein Highlight, und mancher Blocktag, manches Projekt hat bleibende Eindrücke hinterlassen. Auch uns, euer Konfi-Team, habt ihr, denke ich, nicht als weltfremde Spinner erlebt oder als Spaßbremsen, die immer den Zeigefinger oben und den Daumen drauf hatten. Im Gegenteil: Mancher meint ja schon, dass es bei uns viel zu locker zugeht und die Konfis überhaupt nichts mehr lernen. Ich glaube, dass das nicht so ist. Denn Glauben lernen, das kann man, wenn überhaupt, nicht nur mit dem Kopf, erst recht nicht durch das Auswendiglernen von altertümlichen Texten, die man nicht versteht, sondern am Glauben ist der ganze Mensch beteiligt, mit Verstand und Herz und allen Sinnen. Darum ging es uns, als wir euch mitgenommen haben auf die „Entdeckungsreise ins Land des Glaubens“, und je mehr Spaß ihr dabei hattet, desto besser.
Das Bild meiner Großtante, so beeindruckend es einmal war, führt uns also auf die falsche Spur, wenn wir über die beiden Verse aus der Bergpredigt nachdenken (deshalb mache ich es jetzt auch aus). Jesus will uns nicht die Freude am Leben verderben. Er will uns auch nicht vorhalten, dass es mit uns noch mal ein schlimmes Ende nimmt, wenn wir dies nicht tun oder das nicht lassen. Aber was will er dann? Was haben seine Worte uns zu sagen – vor allem euch, die ihr heute konfirmiert werdet?
Ich will’s mal so versuchen: Ihr seid jetzt vierzehn, und ihr macht euch sicher Gedanken über eure Zukunft: Wie soll es aussehen, mein Leben als Erwachsener, das jetzt langsam näher rückt? Wenn ich recht sehe, gibt es auch da zwei Wege, die ihr gehen könnt. Der eine ist der Weg der Anpassung: die Klamotten anziehen, die alle anziehen, die Musik hören, die alle hören, eure Zeit mit Chatten, Simsen, Daddeln vertun, weil’s alle machen, das Zeug trinken oder rauchen, das gerade in ist, in der Schule bloß nicht zu positiv auffallen, damit man nicht als Streber gilt, Kirche für uncool halten, weil man die frühestens mit 60 gut finden darf. Dieser Weg ist breit und bequem: man lässt sich treiben in dem guten Gefühl, dazu zu gehören, und kriegt keinen Stress, weil man zu sehr auffällt.
Es muss gar nicht böse ausgehen, wenn ihr so lebt. Die meisten werden schließlich weder süchtig noch kriminell, sondern kommen auf die angepasste Art ganz gut über die Runden. Aber ich denke, richtig zufrieden könnt ihr damit nicht sein, weil ihr nämlich eigentlich einen anderen Weg sucht. Deshalb zeige ich euch jetzt noch ein anderes Bild
Dieses Bild kennt ihr schon – aus eurem Abschlussgespräch neulich. Es soll für euren eigenen Weg stehen – den Weg, der gerade für euch genau der richtige ist, den Weg, auf dem ihr eure ganz persönlichen Träume verwirklichen könnt oder ihnen wenigstens nahe kommt. Dieser Weg ist schmal, denn er muss ja nur für euch selber reichen. Und er macht Mühe: Ihr müsst Vertrautes hinter euch lassen, müsst sozusagen heraus aus dem Kinderzimmer wie der junge Mann auf dem Bild und euch auf Neues und Fremdes einlassen. Ihr müsst nachdenken, um euren Weg zu finden, und euch selber schwierige Fragen beantworten: Was kann ich und was will ich? Wie lange soll ich zur Schule gehen? Was möchte ich gern werden und kriege ich das auch hin? Wer oder was hilft mir, meinen Weg zu finden, wer oder was hält mich davon ab? Und dann müsst ihr Entscheidungen treffen – Entscheidungen, bei denen ihr noch gar nicht absehen könnt, ob sie richtig oder falsch sind. Ihr müsst einen Weg einschlagen und zu anderen Wegen nein sagen, ohne schon zu wissen, ob die Richtung wirklich stimmt – so wie bei den Treppenstufen auf dem Bild, die irgendwo im Dunst verschwinden.
Auf den ersten Blick hat dieser Weg mit dem schmalen Weg aus der Bibel nicht viel zu tun. Aber auf den zweiten Blick doch. Denn euer eigener Weg, der Weg, auf dem ihr das Beste aus euren eigenen Möglichkeiten macht, das ist auch der Weg, den Gott für euch will. Denn er hat euch euer Leben geschenkt und liebt euch so, wie ihr seid. Er weiß, dass jeder und jede von euch einmalig ist; deshalb will er nicht, dass ihr in einer anonymen Masse abtaucht und euch dann hinterher fragt, ob ihr überhaupt richtig gelebt habt. Es gibt mindestens einen Platz, an dem gerade ihr goldrichtig seid, und Gott will euch helfen, diesen Platz zu finden.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht, wie das gehen kann. Nun, so ganz allgemein lässt sich das schlecht beantworten. Aber einen guten Tipp kann ich euch aus eigener Erfahrung geben: Sagt nicht „auf Nimmerwiedersehen“, wenn ihr heute diese Kirche verlasst, sondern sucht euch bei uns einen Platz, an dem ihr mitmachen könnt! Mir zumindest hat das damals sehr geholfen, meinen Weg zu finden. Denn in der Jugendarbeit – bei mir war’s der CVJM – konnte ich selber aktiv werden; ich konnte ausprobieren, was mir lag und was nicht. Ich hatte dort Leute, mit denen ich über meine Zukunftspläne reden konnte, die mich bestärkt oder auch korrigiert haben. Ich habe gelernt, nicht nur an mich selber zu denken und alles selber zu machen, sondern mit anderen zusammen zu leben und zu arbeiten und für andere auch Verantwortung zu übernehmen. Und vor allem hatte ich Möglichkeiten, Gott zu begegnen und mir mit seiner Hilfe über meinen Weg klar zu werden. Auch wenn ich nicht Pastor geworden wäre, sondern ganz was anderes, wäre diese Zeit dafür sehr wichtig gewesen. Und Spaß gemacht hat es außerdem.
Also gebt euch einen Ruck und macht mit – im Kindergottesdienst oder bei der Kibiwo, im Konfi- oder im Technik-Team oder bei was auch immer. Ihr wisst ja jetzt einigermaßen Bescheid über unseren Laden und habt vielleicht sogar die eine oder andere Idee, was man anders und besser machen müsste, damit ihr euch bei uns wohl fühlt. Vielleicht können wir euch nicht alle Wünsche erfüllen, aber wir versprechen euch, dass wir für euch immer ein offenes Haus und vor allem offene Ohren haben werden.
Ansonsten bleibt es dabei, dass ihr euren eigenen Weg finden müsst. Und wenn ihr der Meinung seid, dass der nicht durch die Kirche führt, dann müssen wir das akzeptieren. Ich kann euch dann nur noch versprechen, dass Gott auch auf diesem Weg für euch immer in erreichbarer Nähe ist. Er sagt euch das zu, was die Fans von Borussia Dortmund neulich noch so schön für Jürgen Klopp gesungen haben: „You’ll never walk alone“ – „ihr werdet auf eurem Weg nie allein sein“ – nicht jetzt, nicht in Zukunft und auch nicht, wenn eure Lebensreise eines Tages zu Ende geht. Gott stand am Anfang eures Weges und er erwartet euch auch am Ziel. Sein Segen begleitet euch überall hin. Das solltet ihr wissen, wenn ihr geht – und wenn ihr bleibt, erst recht. Amen.
Pfr. Dr. Martin Klein