Neu im Notfallseelsorge-Team

Wolfgang Seifert:

Der Einsatzalltag der Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger hat es in sich. Meistens geht es um Leben und Tod, vielfach um einen plötzlichen und unerwarteten Tod. Hier ist einer Mutter von zwei Mädchen die Nachricht zu überbringen, dass sich der Ehemann und Vater das Leben genommen hat. Da muss der Unfalltod eines Kindes den Eltern mitgeteilt werden. Oder Zeugen von schweren Verkehrsunfällen brauchen dringend Hilfe, das Gesehene zu verarbeiten. In solchen extremen Ausnahmesituationen stehen haupt- und ehrenamtliche Mitglieder des Notfallseelsorge-Teams bereit, um den trauernden und fassungslosen Menschen zu helfen und sie für einige Zeit zu begleiten und zu betreuen.

Auch im Siegerland gibt es ein solches Notfallseelsorge-Team; die Mitarbeitenden gehören sowohl der evangelischen und katholischen Kirche als auch ev. Gemeinschaften und Freikirchen an. Seit nunmehr genau zwanzig Jahren ist diese kirchliche Dienstleistung fester Bestandteil unseres hiesigen Rettungswesens. Neu im Notfallseelsorge-Team ist Wolfgang Seifert. Er ist nach Pfarrerin Lara vom Orde, die von 2003 bis 2008 im Wiesental wohnte und während dieser Zeit als hauptamtliche Notfallseelsorgerin unserem Presbyterium zugeordnet war, erst das zweite Klafelder Gemeindeglied, das sich in diesem äußerst schwierigen Aufgabenbereich engagiert. Wir lassen Wolfgang Seifert jetzt zu Wort kommen.

W. Seifert im Gespräch mit Gottesdienstbesuchern
W. Seifert im Gespräch mit
Gottesdienstbesuchern

GEMEINDE JETZT (GJ): Vielleicht stellst du dich unseren Leserinnen und Lesern zunächst einmal kurz vor.

Ich wohne im Ginsterweg 12 im Wenscht, bin verheiratet und habe zwei erwachsene Söhne. Als technischer Angestellter arbeite ich in einem Industrieunternehmen in Kreuztal-Eichen. In unserer Kirchengemeinde bin ich Mitglied im Finanz-, Personal- und Bauausschuss, davor habe ich mich im Ausschuss zur Bewahrung der Schöpfung engagiert.

GJ: Was hat dich dazu gebracht, in die Notfallseelsorge zu gehen? Gab es einen Auslöser, ein bestimmtes Ereignis?

Auslöser war ein Beziehungskonflikt im weiteren Umfeld mit Todesfolge und anschließend die Frage, wer den Betroffenen und den Angehörigen in solch einer Situation beisteht.

GJ: Beschreibe uns bitte die Dauer und die Intensität deiner Ausbildung.

Zur Ausbildung fuhr ich sieben Monate lang an verschiedenen Wochenenden nach Dortmund. Der Kurs umfasste zwölf Themenmodule, z.B. Suizid, Einführung in die Stresstheorie, Überbringung einer Todesnachricht, das Thema „Sterben, Tod und Trauer“, Eigenschutz im Einsatz und Verkehrsunfälle mit Verletzten und/oder Toten. An den Kurstagen wurden die Themenbereiche intensiv besprochen und an Hand von Fallbeispielen in Kleingruppen vertieft. Im Anschluss daran erfolgte ein Einsatzpraktikum im Rettungsdienst vor Ort.

GJ: Zu wie vielen Einsätzen wurdest du schon gerufen? Und gab es einen Fall, der dich besonders belastet hat?

Seit dem Abschluss meiner theoretischen und praktischen Ausbildung bin ich schon zu sieben Einsätzen gerufen worden. Eine besondere Belastung hat sich daraus für mich noch nicht ergeben. Ein Grund dafür ist sicherlich die sehr intensive fachliche und theoretische Ausbildung.

GJ: Was genau tust du bei deiner Arbeit als Notfallseelsorger? Betest du auch mit den trauernden und oft hilf- und ratlosen Hinterbliebenen?

Ich bin da, höre zu und stehe als Gesprächspartner zur Verfügung. Auch gemeinsames Schweigen ist möglich. Gegebenenfalls vermittele ich professionelle, weiterführende Hilfe. Auf Wunsch der Angehörigen oder Betroffenen spreche ich mit ihnen auch gemeinsam ein Gebet.

GJ: Wie verkraftest du die an die Substanz gehenden Erlebnisse? Und: Wer hilft euch, die oft psychisch belastenden Einsätze möglichst unbeschadet zu überstehen?

Hilfe erfahren wir durch die regelmäßige Teilnahme an Aus- und Fortbildungen sowie durch Supervision. Bei Bedarf besteht die Möglichkeit zu Einzelgesprächen mit Mitarbeitenden der Notfallseelsorge, die über eine entsprechende Qualifikation verfügen.

GJ: Lieber Wolfgang, ganz aufrichtigen Dank für dieses Gespräch. Ich zolle dir hohen Respekt für deine extrem schwere Aufgabe und wünsche dir für deinen ehrenamtlichen Dienst viel Kraft und Glaubensstärke sowie Gottes gutes Geleit und seine Unterstützung!

Pfrn. A. Schwichow, Wolfgang Seifert mit Ehefrau Doris sowie Pfr. H. Scheckel
Pfrn. A. Schwichow, Wolfgang Seifert mit
Ehefrau Doris sowie Pfr. H. Scheckel

Am 11. September wurde Wolfgang Seifert im Gottesdienst in der Wenschtkirche in seinen ehrenamtlichen Dienst entsandt. Ganz offiziell. Ein Teil seiner derzeit elf Kolleginnen und Kollegen waren gekommen, um dabei zu sein, um im Gottesdienst mitzuwirken und um dem „Neuen“ ein Segenswort zuzusprechen. Unter ihnen auch Pfarrer Herbert Scheckel (Hilchenbach) aus dem Leitungsteam der Notfallseelsorge Siegerland. Er blickte zurück auf die Entstehungsgeschichte der Institution im Jahr 1996, ging auf die ökumenische Zusammensetzung der Gruppe ein und sprach über die Einsätze und die Belastungen der Einsatzkräfte. Er überreichte Wolfgang Seifert die Berufsurkunde des Superintendenten Peter-Thomas Stuberg sowie seine neue violett-blaue Dienstjacke mit den silbrig reflektierenden Querstreifen und mit dem bekannten Logo. Und einen Teddy. Einen „Tröste-Teddy“ für Kinder – der ist manchmal sehr wichtig! Dann der Zuspruch der Segensworte. Auch Wolfgang Seiferts Ehefrau Doris reihte sich ein. Danach Ursula Behr als Vertreterin von St. Marien und als seine Nachbarin, Wolfgang Birkefeld als Kirchmeister und Almuth Schwichow als Gemeindepfarrerin. In ihren Händen lag die Leitung des gesamten Gottesdienstes. Mit einer Predigt über die Angst und gegen die Angst, über das 365 Mal vorkommende „Fürchte dich nicht“ im Alten und Neuen Testament und über die Zusage „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“. Mit tollen Gebeten und passenden Liedern. Eins davon hatte sich Wolfgang Seifert besonders gewünscht: „Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir … um Beistand bitten wir … in Ohnmacht, in Furcht … in Krankheit, im Tod – sei da, sei uns nahe, Gott“.

Peter-Christian Rose