Wenschtkirche, Sonntag Misericordias Domini
Text: Psalm 23
Liebe Konfis,
anders als frühere Generationen musstet ihr ja nicht viel auswendig lernen (auch wenn es euch vielleicht immer noch viel vorkam). Zu dem Wenigen gehörte der Psalm, den wir vorhin gemeinsam gesprochen haben: Psalm 23 – „der Herr ist ein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Ihr habt euch vielleicht gefragt, warum. Das Glaubensbekenntnis – ok, das ist halt die gemeinsame Basis für alles, was Christen glauben. Das Vaterunser, das Gebet, das Jesus uns beigebracht hat, kannten viele von euch schon vor der Konfi-Zeit. Und dass die Zehn Gebote gute Regeln sind für das Miteinander zwischen Menschen und mit Gott, das könnt ihr auch noch nachvollziehen. Aber der Psalm 23? Warum soll gerade der so wichtig sein? So haben wohl viele von euch gedacht – und ihn dann halt doch nicht so gründlich gelernt. Aber immerhin: Einer von euch hat sich einen Vers daraus als Konfirmationsspruch ausgesucht, und so ist es fast jedes Jahr. Und wenn ihr mal ältere Menschen fragt: Da gibt es viele, die gerade diesen Psalm besonders gut kennen und zu schätzen wissen. Wie kommt das?
Es muss wohl daran liegen, wie dieser Psalm von Gott redet. Er gebraucht wunderbare und eindrückliche Bilder dafür: Ich kann mich auf Gott verlassen, heißt es da, wie ein Schaf auf seinen Hirten. Auch wenn ich mich verrannt und verirrt habe, geht er mich suchen. Er versorgt mich mit allem, was ich zum Leben brauche, und er ist dabei nicht knauserig – dafür stehen das frische Wasser, die saftig-grünen Wiesen, der gedeckte Tisch, der randvolle Becher. Er weiß, was mir Angst macht – das finstere Tal, die Feinde – und er bewahrt mich davor. Und er salbt mich mit Öl und sagt mir damit: für mich bist du ein König oder eine Königin, und so behandle ich dich auch: mit Ehrerbietung und mit Respekt, weil du etwas ganz Besonderes bist – nicht aus eigener Kraft, aber weil ich dich so gemacht habe, dich und alle anderen Menschen.
Obwohl der Psalm so schön ist, kann es allerdings sein, dass es euch Konfis gar nicht passt, ihn auf euch selber zu beziehen. Ok, ihr fändet ihr es sicher ganz nett, mal von vorn bis hinten bedient zu werden. Aber wahrscheinlich kennt ihr das nur als Vorwurf eurer Eltern, wenn die mal wieder euren Krempel wegräumen, weil sie die Unordnung einfach nicht so lange aushalten wie ihr. Aber sonst? Wer ist schon gern ein Schaf? Immer brav hinterm Hirten her trotten, auch wenn er seinen Job richtig gut macht – ich denke, das wäre nicht euer Ding. Und wie ein König oder eine Königin behandelt zu werden, das klingt zwar gut. Aber man sitzt dabei auch auf dem Präsentierteller und wird von allen begutachtet, und das wäre euch wohl eher peinlich.
Aber ob ihr nun mit den Bildern des Psalms etwas anfangen könnt oder nicht, darauf kommt es gar nicht an. Entscheidend ist eigentlich nur ein Satz, und der steht nicht zufällig genau in der Mitte: „Du bist bei mir“ – das wollen all die Bilder sagen, und nur darum geht es. Damit ihr mich jetzt nicht falsch versteht: Ihr solltet schon den ganzen Psalm lernen, aber inwendig, in euren Herzen, da braucht ihr nur diese vier Wörter: „Du bist bei mir“. Wenn euch das wirklich aufgegangen ist in den letzten anderthalb Jahren oder auch früher schon, wenn ihr das wirklich mit ins Leben nehmt, dann haben wir mit unserer Konfirmandenarbeit etwas erreicht.
Das wäre also mein Wunsch: dass euch diese Worte immer wieder in den Sinn kommen, euch trösten, Kraft geben, Mut machen, oder was auch immer ihr gerade nötig habt: Wenn in der Schule alles schiefläuft, wenn’s Fünfen hagelt und die Versetzung gefährdet ist – du, Gott, bist bei mir! Wenn mich alle Freunde im Stich lassen, wenn ich ganz allein dastehe und alle auf mir rumhacken – du bist bei mir! Wenn die Familie kaputt geht, weil die Eltern sich trennen oder weil ich es zu Hause nicht mehr aushalte – du bist bei mir! Wenn die Angst vor der Zukunft mich packt, weil in der Welt irgendwie alles immer schlimmer wird – du bist bei mir! Aber auch wenn ich gerade happy bin und alles super läuft und ich an Gott gar nicht denke – auch dann bist du bei mir! Und wenn ich eines Tages alt, krank und gebrechlich werde und schließlich sterben muss – dann bist du immer noch da und führst mich durch dieses letzte dunkle Tal.
Du bist bei mir – das ist ein Satz aus dem tiefes Vertrauen spricht. Und dieses Vertrauen auf Gott, das ist der innerste Kern unseres christlichen Glaubens. Dieses Vertrauen können wir nicht selber machen. Wir können uns nicht hinsetzen und sagen: „So, ab jetzt vertraue ich auf Gott!“ Wir können uns das auch nicht einreden, indem wir es uns immer wieder vorsagen. Das mag eine Weile funktionieren. Aber irgendwann wird etwas passieren, was uns so erschüttert, dass wir merken: Es war ja gar nicht wirklich da, das Vertrauen
Nein, Gott vertrauen zu können, das ist ein Geschenk: Gott selber sorgt dafür, dass ich ihm vertrauen kann. „Na toll“, denkt ihr jetzt vielleicht, „warum tut er es denn dann bei mir nicht? Warum kriegen andere dieses Geschenk und ich nicht? Ich würde Gott doch auch gern vertrauen, aber ich kann es nicht!“
Wenn es euch so geht, dann kann ich euch nur empfehlen: Schaut euch noch mal genau um! Vielleicht entdeckt ihr doch noch irgendwo die Spuren Gottes in eurem Leben und merkt: Er ist ja längst bei mir – ich hab es nur nicht gewusst!“ Und wenn nicht, dann redet mit Gott! Sagt ihm: „Ich möchte dir so gern vertrauen, hilf mir dabei!“ Vielleicht müsst ihr dabei ziemlich hartnäckig sein, aber irgendwann, da bin ich sicher, gibt Gott euch Antwort.
„Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ So endet der Psalm 23. Oder wie es in einer neueren Übersetzung heißt: „Nichts als Liebe und Güte begleiten mich alle Tage meines Lebens. Mein Platz ist im Haus des Herrn. Dorthin werde ich zurückkehren – mein ganzes Leben lang!“ Das „Haus des Herrn“, das ist für uns die Kirche, oder besser gesagt: die Gemeinschaft der Menschen, die an Gott, an Jesus Christus glauben. Und diese Gemeinschaft tut gut. Sie gibt Halt. Und sie bietet euch die Chance, euch einzubringen mit dem, was ihr gut könnt. Deshalb freue ich mich, dass sich recht viele aus eurem Jahrgang für unser Trainee-Programm interessieren und Lust haben, in unserer Jugendarbeit mitzumachen. Andere von euch haben dagegen eher nicht vor, regelmäßig ins „Haus des Herrn“ zurückzukehren – nach dem Motto: Konfi-Pass voll, Pflicht abgehakt, jetzt ist erst mal gut mit Kirche. Auch das ist eure freie Entscheidung, an der wir euch nicht hindern. Aber dann lasst euch wenigstens sagen: Wenn ihr Gott gern vertrauen wollt, dann gelingt das besser gemeinsam mit anderen, die das auch tun. Und noch was: Ihr habt einen Platz im Haus Gottes – spätestens, seit ihr getauft seid. Und das bleibt euer ganz persönlicher Platz, immer. Niemand kann ihn euch wegnehmen. Ihr könnt ihn jederzeit wieder einnehmen, denn Gott hält ihn für euch frei. Und das ist doch gut zu wissen, oder? Amen.
Pastor Martin Klein