Gedanken über den Sommer…

Viele von Ihnen kennen wahrscheinlich die „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. In diesem Werk hat der berühmte Barock-Komponist jeder Jahreszeit ein eigenes Concerto gewidmet. Der Sommer kommt dabei nicht gut weg. In der Musik flirrt sengende Hitze und es entladen sich heftige Gewitter, und wer ermattet im Schatten vor sich hin döst, wird von Mücken und Stechfliegen geplagt. Das mag daran liegen, dass Vivaldi Italiener war; denn auch heutzutage verkriecht sich der Südeuropäer vor der Hitze eines Sommertages am liebsten ins Haus. Nur Touristen sind so verrückt, bei 40 Grad im Schatten über alte Trümmer zu stolpern oder sich am Strand wie die Brathähnchen grillen zu las­sen.

Hierzulande, wo laut Heinrich Heine der Sommer nur ein „grün angestrichener Winter“ ist, weiß man die relativ wärmste Jahres­zeit eher zu schätzen. Hier konnte Paul Gerhardt die „liebe Som­merzeit“ mit fünfzehn Strophen besingen. Hier konnte Rudi Carrell die Sehnsucht vieler Menschen in die Worte fassen: „Wann wird es mal wieder richtig Sommer – Sommer, wie es frü­her einmal war?“ „Angeblich“, müsste man da freilich hinzufü­gen, denn Heinrich Heine ist Zeuge, dass das mit dem „Sonnen­schein von Juni bis September“ schon immer ein Wunsch­traum war.

Was mich persönlich angeht: Ich liebe den Sommer. Ich genieße die langen Tage und die lauen Abende, ich lasse mich gern von der Sonne bescheinen, und auch Gewitter faszinieren mich, so­lange ich nicht gerade hinterher den Keller leer pumpen muss. „Summertime, and the living is easy“. Porgy und Bess haben recht, finde ich: Irgendwie lebt es sich tatsächlich leichter im Sommer. Ich als Pastor merke das jedenfalls immer in der Ferien­zeit, die jetzt bald anbricht: weniger Sitzungen, weniger Termine, dafür öfter mal ein Stündchen im Garten, und alles läuft ein bisschen ruhiger. Viel zu schnell ist das wieder vorbei.

Bleibt noch die Frage: Hat der Sommer eigentlich auch etwas mit unserem Glauben zu tun? Wenn wir dazu einen Blick in die Bibel werfen, in eine Zeit und Gegend, wo die meisten Menschen Bau­ern waren, dann stellen wir fest, dass Sommer dort das Gleiche ist wie Erntezeit: die Zeit, wo die Früchte reifen und eingebracht werden, die Zeit der Vorsorge für den Winter. So hat Gott es geordnet, und er hat zugesagt, dass es immer so bleiben wird: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22) Ein Nichtsnutz ist demnach, wer den Sommer und damit die Ernte verschläft (Sprüche 10,5), und Not herrscht, wenn der Sommer dahin ist und es nichts zu ernten gab (Jeremia 8,20).

Im Neuen Testament kann der Sommer dann auch ein Bild für das Ende der Welt werden. Wenn das Ende der Zeit kommt, dann schickt Gott seine Engel als Schnitter aus, sammelt die Früchte, die die Menschheit hervorgebracht hat und trennt die Spreu vom Weizen (Matthäus 13,30; Offenbarung 14,15). So steht der Sommer mit der Ernte auch für das Jüngste Gericht.

In Zeiten und Gegenden, wo man bei Sommer nicht nur an die Ernte dachte, sondern auch einen Blick für seine Schönheit hatte, konnte sich dieses Bild aber noch mal wandeln. Seit dem Mittel­alter steht der Sommer auch für das Paradies, für Gottes Ewigkeit. Das ist auch das eigentliche Thema von Paul Gerhardts Sommerlied.

Nun sollte ich zwar die mahnenden Worte der Bibel über das Ge­richt bestimmt nicht in den Wind schlagen. Aber weil ich nun mal kein Bauer bin und der Sommer für mich nicht nur Erntezeit ist, liegt es mir näher, an einem schönen warmen Tag an den Himmel zu denken. Und deshalb gebe ich mir und Ihnen den Rat: Genieße den Sommer! Freu dich an seiner Schönheit: am blauen Himmel, an der wärmenden Sonne, am frischen Grün und an den Blumen, an den Früchten, die in deinem Garten reifen, am ruhigeren Rhythmus der Ferienzeit. Nimm das alles dankbar aus der Hand Gottes, der den Sommer mit all seiner Pracht geschaffen hat. Gönn dir was Kühles gegen die Hitze und ärgere dich nicht über Mücken und Stechfliegen, denn die hat Gott schließlich auch ge­macht. Tu alles, was in deiner Macht steht, damit auch künftige Generationen am Sommer noch Freude haben können. Und denke daran: Alles, was schön ist an der „lieben Sommerzeit“, das wird noch viel schöner sein, wenn Gottes neue Welt anbricht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Zeit!

Ihr Pastor Klein