Predigten vom 7.2.2010

GOTTESDIENST FÜR DEN SONNTAG
SEXAGESIMAE

Talkirche, 7.2. 2010
Pfr. Dr. Martin Klein
Text:
Hebr 4,12-13

Zurzeit sind unsere
diesjährigen Konfirmanden dabei, sich ihren Konfirmationsspruch
auszusuchen. Das gibt ihnen Gelegenheit, sich noch mal genauer mit
Worten der Bibel zu beschäftigen und dann eines zu finden, das zu
ihnen passt, das ihnen etwas bedeutet und sie durchs weitere Leben
begleiten kann. Ein Spruch, der in den letzten Jahren recht beliebt
war und es wohl auch in diesem Jahr wieder sein wird, ist ein Satz
aus dem ersten Johannesbrief: „Lasst uns nicht lieben mit Worten
noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“

Worte, zeigt mir
diese Wahl, haben heutzutage für viele junge Leute keinen hohen
Stellenwert. Die Menge an Wörtern, mit denen sie und wir alle tagtäglich
„zugetextet“ werden, hat ja auch längst inflationäre Ausmaße angenommen.
Da wird geredet und telefoniert und gemailt und gechattet und gesimst,
was das Zeug hält – morgens, mittags, abends und nachts. Soviel
Kommunikation war nie – und das ist doch gut, könnte man denken.
Aber ich habe den Eindruck, dass es bei all dem, was da geredet
und gesendet wird, immer weniger um echtes Gespräch geht. Reden
dient nicht einer Sache oder der Verständigung und erst recht nicht
der Wahrheit, sondern hauptsächlich der Selbstdarstellung, gern
auch auf Kosten anderer. Selbst wenn man mal nicht von sich selber
redet, redet man noch längst nicht miteinander, sondern abfällig
übereinander oder aggressiv aufeinander ein. Und einfach mal aufmerksam
zuhören statt selber reden, geht schon gar nicht. Es ist das Prinzip
„Talkshow“, das hier regiert, und es durchdringt mehr und mehr alle
Lebensbereiche. Kein Wunder also, dass viele es den Worten nicht
zutrauen, so etwas wie echte Mitmenschlichkeit auszudrücken. Wenn
es um wahre Liebe geht, sei es die Liebe zwischen den Geschlechtern
oder auch die Nächstenliebe, sind Taten statt Worte gefragt. Vielleicht
sind auch die nicht immer ehrlich gemeint, aber sie haben wenigstens
Wirkung.

Eine Kirche wie
unsere, die sich „allein auf das Wort“ stützen will, hat in solchen
Zeiten ein Problem, erst recht, wenn sie – klassisch reformiert
– dieses Wort vor allem als gesprochenes oder geschriebenes Wort
versteht. Alles, was wir von unserem Glauben her sagen, was uns
– wie wir es sehen – zu sagen aufgetragen ist, droht im allgemeinen
Blabla unterzugehen. Eine Predigt, sie mag so eingängig formuliert
sein, wie sie will, ist eben auf die Fähigkeit angewiesen, dass
Menschen eine Viertelstunde oder mehr aufmerksam zuhören können
– aber wer kann das heute noch? Mit einer Bibel, auch wenn’s die
„Gute Nachricht“ oder „Hoffnung für alle“ ist, kann nur etwas anfangen,
wer den Umgang mit Büchern gewohnt ist – aber immer mehr Menschen
haben noch nie freiwillig ein Buch in der Hand gehabt. Ein Gespräch
über Glaubensfragen macht nur Sinn, wenn es dafür eine gemeinsame
Basis gibt – und die ist schwer zu finden, wo alle nur noch von
sich selber reden und jeder nur noch für sich selber glaubt. Und
die wenigen Christen, die in der breiten Öffentlichkeit noch Gehör
finden und da schon mal Klartext sprechen, müssen damit leben, dass
selbst deutliche Worte hinterher hoffnungslos zerredet werden. So
geht es Margot Käßmann gerade mit ihren Äußerungen zu Afghanistan.
Also was nun? Was können wir da noch ausrichten?

Vor Jahren hatte
ich mal einen Konfirmanden, der sich folgendes Bibelwort als Konfirmationsspruch
aussuchte. Es steht im vierten Kapitel des Hebräerbriefs und ist
heute Predigttext:

Das Wort Gottes
ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert,
und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und
Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und
kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und
aufgedeckt vor seinen Augen; ihm müssen wir Rechenschaft geben.

Eine ungewöhnlicher
Konfirmationsspruch, einer, der auf keiner der gängigen Auswahllisten
verzeichnet war. Und es war lange, bevor er in verstümmelter Form
(„lebendig – kräftig – schärfer“) Kirchentagsmotto wurde. Als ich
den betreffenden Konfirmanden fragte, warum er sich gerade diesen
Spruch ausgewählt habe, konnte oder wollte er mir darauf gar nicht
antworten. Vielleicht hatte ihn einfach das Ungewohnte, Unangepasste
gereizt – das hätte zu ihm gepasst – , vielleicht war es aber auch
einfach die Sehnsucht nach einem klaren und deutlichen Wort in all
dem dummen Geschwätz, das uns umgibt.

Und genau das
ist ja für uns das Wort Gottes, das Wort, auf das sich unsere Kirche
gründet, das Wort, das wir heute dringender brauchen denn je. Das
Wort Gottes selbst – nicht öde und langweilig, wie mancher sicher
auch diese Predigt findet, sondern lebendig und belebend. Nicht
gut gemeint, aber wirkungslos, sondern kräftig wie das Wort des
Schöpfers: „Gott sprach, und es geschah so“. Keine belanglosen Nettigkeiten,
die keinem wehtun und niemandem zu nahe treten, sondern die ungeschminkte
Wahrheit, die uns mit ihrer ganzen Schärfe durch Mark und Bein fährt,
die all unsere sorgsam gehüteten Lebenslügen zerschneidet, die unser
wahres Ich entblößt und uns davor erschrecken lässt, die uns aber
auch den Weg zeigt, auf dem wir Heilung finden.

Ja, das ist das
eine Wort, dass wir bitter nötig haben in all den Wörterfluten,
die über uns hereinbrechen. Es beschränkt sich nicht auf allgemeine
„Gott-hat-dich-lieb“-Sätze, harmlos und deshalb wirkungslos. Es
verteilt keine Streicheleinheiten, dieses Wort, sondern Stiche,
die sitzen. Es lässt nicht den lieben Gott einen guten Mann sein,
sondern es verleiht der Liebe Gottes Kraft und Konturen, denn es
verbindet die Liebe mit der Unbestechlichkeit des Richters.

Noch einmal, wir
haben dieses Wort Gottes heute nötiger denn je. Und doch schrecke
ich vor diesem Bild unwillkürlich zurück. „Das Wort Gottes – schärfer
als ein zweischneidiges Schwert“, das bereitet mir Unbehagen. Ich
kann einfach nicht verdrängen, dass scharfe Waffen in den falschen
Händen schlimmen Schaden anrichten. Ich kann nicht vergessen, was
man mir und anderen gerade hier im Siegerland lange Zeit gepredigt
hat. Da war Gott eben zuerst und vor allem der strenge Richter,
der alles sieht und weiß, und erst dann der Gott der Liebe. Und
so haben viele das Wort Gottes nie als befreiende, froh machende
Botschaft erlebt, sondern nur als Werkzeug einer unbarmherzigen
Erziehung. Aus dem zweischneidigen Schwert wurde ein Messer an der
Kehle, von dem mancher froh war, wenn er es endlich abschütteln
konnte.

In manchen Familien,
manchen engen, abgeschotteten Gemeinschaften mag es heute noch so
zugehen, aber die sind zum Glück klein und selten geworden. Zuviel
religiös verbrämte Strenge ist sicher nicht mehr das Hauptproblem
heutiger Erziehungs- und Gesellschaftsformen – von streng muslimischen
Parallelwelten rede ich jetzt mal nicht. Doch viele, die heute als
Verkündiger des Wortes Gottes arbeiten, ich selber auch, sind noch
von dieser Strenge geprägt. Deshalb ist es uns wichtig, wenn wir
von Gott reden, dass wir immer zuerst und vor allem von seiner grenzenlosen
Liebe reden. Und ein Liebender, der quasi mit dem Schwert auf mich
losgeht, wirkt da einfach immer noch befremdlich.

Andererseits ist
mir klar: einen Gott, der nur noch lieb ist, den nimmt keiner mehr
ernst und den braucht auch keiner. Das ist wohl heute die größere
Gefahr, und ich muss mich als Verkündiger der Liebe Gottes selbstkritisch
fragen, ob und wie ich zu diesem Missverständnis beigetragen habe.
Den strengen Aufpassergott will niemand zurück, doch der feine,
aber entscheidende Unterschied zwischen „Gott ist lieb“ und „Gott
ist die Liebe“, der müsste wieder deutlicher werden, wenn Gottes
Wort mehr Gehör finden soll.

Aber wie kann
das geschehen? Muss ich jetzt sozusagen rhetorisch aufrüsten und
selber das scharfe Schwert schwingen, nur noch einfache Sätze ohne
Zwischentöne von mir geben, die ein schlichtes Ja oder Nein verlangen?
Muss ich es darauf anlegen, Menschen vor den Kopf zu stoßen, indem
ich ihnen ungeschminkt die Wahrheit sage? Muss ich alle Schutzschilde
durchdringen, die meine Zuhörer um sich aufgebaut haben, um sie
in ihrem tiefsten Inneren zu treffen und zu überwinden?

Nein, das muss
ich nicht. Denn ich bin nicht Gott, und meine Worte sind nicht Gottes
Wort. Ich kann nur hoffen, dass Gottes Wort durch meine Worte hindurch
zu den Menschen findet, aber ich habe es nicht in meinen Händen.
Ich kann auf Gottes Wort nur hinweisen, und das tue ich am besten,
indem ich auf Jesus hinweise, denn – so fängt der Hebräerbrief an
– „nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet
hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten
Tagen zu uns geredet durch den Sohn.“ (Hebr 1,1-2) Er ist das Wort
Gottes in Person. Mi ihm und durch ihn hat Gott alles gesagt, was
über Gott und die Welt zu sagen ist. Er verkörpert Gottes Liebe
und hat sie allen Menschen ohne Unterschied zuteil werden lassen.
An ihm sehen wir aber auch, wie nötig wir Gottes Liebe haben – so
nötig, das Gott in seinem Sohn dafür sterben musste. Er sieht nicht
großzügig darüber hinweg, wie fern wir ihm sind, weil er halt so
lieb ist, sondern er weiß, dass diese Gottesferne für uns den Tod
bedeutet, und nimmt sie deshalb auf sich, um sie zu überwinden.
Immer nur lieb sein macht schwach, aber echte Liebe ist lebendig
und kräftig und stärker als der Tod.

Dieses Wort Gottes,
dieses Wort von seiner Liebe, das durchdringt, alles aufdeckt und
allen Schaden heilt, haben wir im Rücken, wenn wir von Gott reden.
Und wir haben die großartige Verheißung, dass durch unser Reden,
so unvollkommen es auch sein mag, Gott zu den Menschen sprechen
wird – nicht, wenn wir meinen, wir hätten es besonders gut und deutlich
gesagt, sondern wann und wo es ihm gefällt. Und wenn das geschieht,
wenn jemand dieses Wort Gottes wirklich vernommen hat, dann will
und wird er oder sie ihm wieder begegnen – auch in Predigten, die
nach den Maßstäben der Redekunst eher misslungen sind, auch in diesem
dicken, eng bedruckten Buch ohne Bilder namens Bibel, auch im Gespräch
mit Glaubensgeschwistern. Und all das belanglose Geschwätz, dass
uns ständig in den Ohren klingelt, kann sie oder er dann getrost
überhören.

Also fassen wir
Mut! Reden wir von Gott, von Jesus, wie uns der Schnabel gewachsen
ist, und handeln wir danach! Es muss in keiner Weise gekonnt sein,
sondern nur echt und ehrlich. Dass das, was wir dann reden und tun,
lebendig und wirksam wird und die nötige Schärfe gewinnt, dafür
wird Gott schon sorgen.

Amen.

 

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PREDIGTTEXT FÜR DEN VIERTEN ADVENT

GOTTESDIENST FÜR DEN VIERTEN
ADVENT

Talkirche, 20.12. 2009
Pfr. Dr. Martin Klein
Text:
Phil 4,4-7

Freuet euch in
dem Herrn allezeit, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte
lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um
nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen
mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher
ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus
Jesus.

Jetzt ist sie
wieder da: die Zeit der guten Wünsche. Je näher das Weihnachtsfest
rückt, desto öfter bekomme ich sie zu hören und zu lesen: „Tschüss
und schöne Feiertage“, werde ich beim Bäcker verabschiedet. „Frohes
Fest und n’ guten Rutsch“ wünscht mir der Bekannte, den ich auf
der Straße treffe. „Firma XY wünscht allen ihren Kunden ein friedvolles
Weihnachtsfest und ein erfolgreiches neues Jahr“, lese ich in der
Zeitung. „Wir wünschen euch allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest“,
schreibt uns meine Schwester. Und auch ich selbst mache von solchen
Wunschformeln im Moment reichlich Gebrauch. Meistens wünsche ich
„frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr“ – nicht besonders originell,
aber dafür fast universell verwendbar.

Aber wirklich
nur fast. Manchmal verkneife ich mir auch die guten Wünsche, weil
sie der blanke Hohn wären. In einer früheren Gemeinde musste ich
zum Beispiel einmal kurz vor Weihnachten einen älteren Mann beerdigen,
der an Krebs gestorben war. Bis fast zum Schluss hatte er die Rolle
des starken Beschützers seiner ebenfalls schwer kranken Frau gespielt,
auch als er selber kaum noch aufstehen konnte. Nun stand sie ganz
allein da, denn auch der einzige Sohn lag nach einem Herzinfarkt
im Krankenhaus. Sie hat damals keine „frohen“, sondern sehr einsame
und traurige Weihnachten erlebt. Zahlreiche ähnliche Beispiele könnten
wir auch hier bei uns finden: schwer Kranke, Trauernde und Depressive,
die von der Festfreude ringsum noch zusätzlich bedrückt werden;
arbeitslose Mütter oder Väter, die von Hartz IV leben müssen und
ihren Kindern keine Geschenkeberge auftürmen können; Ehepaare und
Familien, bei denen der Haussegen schon lange schief hängt und bei
denen das erzwungene weihnachtliche Beisammensein regelmäßig im
großen Krach endet.

Und wie steht
es mit Ihnen? Freuen Sie sich auf Weihnachten? Oder haben Sie auch
Angst vor dem Alleinsein oder vor Streit mit Ihren Lieben? Oder
kommen Sie gar nicht dazu, sich zu freuen – vor lauter Putzen, Backen,
Kochen, Einkaufen, Geschenke besorgen, Briefe schreiben und daneben
noch Arbeiten Müssen? Ich selbst jedenfalls merke mal wieder, wie
wenig ich in den letzten Tagen zum Luftholen gekommen bin. Wahrscheinlich
gibt es deshalb zur Zeit diese vielen guten Wünsche. Denn wünschen
tut man sich ja immer das, was man nicht hat. Vielleicht ist das
auch mit Weihnachten so: Wir wünschen uns deshalb ein frohes Fest,
weil wir so oft ein bloß geschäftiges oder gar deprimierendes Fest
erleben. Wir wünschen uns deshalb ein paar sorgenfreie Tage, weil
uns die Sorgen spätestens nach Neujahr sowieso wieder einholen.
Und wir wünschen uns ein friedvolles Fest, weil wir schon so oft
zu Weihnachten Streit zwischen Menschen und Krieg zwischen Völkern
erlebt haben. Wir haben die guten Wünsche also bitter nötig. Aber
ob sie was helfen?

Und da kommt nun
also der Apostel Paulus daher und ruft uns zu: „Freut euch in dem
Herrn allezeit, und abermals sage ich euch: Freuet euch! – Sorgt
euch um nichts! – Der Friede Gottes wird euch bewahren!“ Zu jeder
Zeit sich freuen können? Sich um nichts sorgen? In wirklichem Frieden
geborgen sein? Bitte, lieber Paulus, wie soll das denn gehen? Wo
wir das doch kaum für drei Tage Weihnachten schaffen – und das trotz
des gewaltigen Aufwands, den wir dafür treiben! Wenn im Gottesdienst
am Heiligabend die ausnahmsweise voll besetzte Kirche laut und kräftig
„O du fröhliche“ singt, dann springt vielleicht auch in unserem
Herzen ein ganz kleiner Freudenfunke über. Wenn wir das Glück haben,
unser Fest mit kleinen Kindern zu feiern, die im weihnachtlich geschmückten
Zimmer noch leuchtende Augen bekommen – dann können wir vielleicht
wirklich für einen Moment unsere Sorgen vergessen. Und wenn der
Kerzenschein unser Haus in ein warmes und freundliches Licht taucht,
während es draußen dunkel und still ist, dann kehrt vielleicht für
einen Augenblick tatsächlich Frieden ein. Aber ist es uns jemals
gelungen, davon etwas festzuhalten, es mitzunehmen in den Alltag?
„Immer fröhlich, alle Tage Sonnenschein“ – das haben wir zwar früher
in der Sonntagschule gesungen, aber als Lebensmotto taugt es doch
nur für Traumtänzer.

Seltsam ist allerdings,
dass Paulus wenig Anlass für Traumtänzereien hat, als er diese Sätze
diktiert. Er sitzt im Gefängnis. Ihm wird der Prozess gemacht, weil
er glaubt, dass Jesus Christus und nicht der Kaiser in Rom der Herr
der Welt ist, und weil er das jedem erzählt, der es hören oder nicht
hören will. Er muss mit dem Schlimmsten rechnen, sein Leben hängt
an einem seidenen Faden. Und währenddessen ziehen seine theologischen
Gegner durch die Gemeinden und machen ihn und seine Arbeit schlecht.
Jetzt verunsichern sie sogar die Gemeinde in Philippi, wo er seine
treusten Freunde hat. Paulus muss das alles wehrlos mit ansehen.
Er kann nur Briefe schreiben, aber nicht immer hat er damit Erfolg.
Zum Verzweifeln ist das, aber Paulus ruft zur Freude auf. Sein Prozess
steht auf Messers Schneide, aber er schreibt: „Sorgt euch nicht“.
In seinen Gemeinden herrscht Streit und die Obrigkeit führt Krieg
gegen die neue Lehre, aber Paulus schreibt vom Frieden Gottes. Wenn
wir ihm mal zugute halten, dass er nicht im Knast verrückt geworden
ist, muss er dafür einen triftigen Grund haben.

Das ganze Geheimnis
steckt in einem kleinen Sätzchen, das man leicht übersehen kann:
„Der Herr ist nahe!“ Das ist einer der schlichten, aber doch bedeutungsvollen
Kernsätze, die die ganze Bibel durchziehen. „Wo ist ein so herrliches
Volk, dem ein Gott so nahe ist wie uns der Herr, unser Gott, sooft
wir ihn anrufen?“ So bekennt das alte Israel (Dtn 4,7). „Das Himmelreich
ist nahe herbeigekommen“, das verkündigen Johannes der Täufer und
Jesus (Mk 1,15). „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag nahe herbeigekommen“,
sagt Paulus im Römerbrief (13,14). Gott will seinen Menschen, seinen
Geschöpfen nahe sein, das ist die Botschaft, die hinter all diesen
Aussagen steckt. Und genau darum geht es auch bei Advent und Weihnachten.
So nahe kommt uns Gott, wie Jesus den Kindern nahe war, als er sie
umarmte und segnete. So nahe kommt er uns, wie Jesus seinen Freunden
nahe war, als er mit ihnen aß und trank. So nahe, wie Jesus seiner
Mutter Maria nahe war, bevor sie ihn zur Welt brachte. Und wenn
es wirklich stimmt, dass es Gott selbst war, der uns in Jesus nahe
gekommen ist, dann galt das nicht nur für die Zeit seines irdischen
Lebens. Sondern dann behält es seine Gültigkeit für alle Zeit, bis
es eines Tages allen offen vor Augen steht. Wenn Paulus sagt: „Der
Herr ist nahe“, dann meint er vor allem diese Zukunft, den Tag,
an dem es der ganzen Welt deutlich wird, was Gott durch Jesus Christus
zum Heil seiner Schöpfung getan hat. Aber bis es soweit ist, ist
Gott nicht einfach wieder in der Ferne verschwunden. Dass er uns
nahe ist, weil er in Jesus Mensch geworden ist, dabei bleibt es
auch hier und jetzt. Deshalb sagt Paulus, dass die, die an Christus
glauben, „in Christus“ sind. Da wo sie ihren Glauben leben, einzeln
und als Gemeinde, da leben sie sozusagen im gleichen Raum mit Jesus
Christus. Noch ist es dunkel in diesem Raum, so dass wir ihn nicht
sehen können. Aber wir können Zeichen dafür entdecken, dass er uns
nahe ist: zum Beispiel einen Zuspruch, der uns tröstet, ein Lied,
das uns froh macht, Brot und Wein, die uns miteinander und mit Christus
verbinden.

Weil ich darauf
vertraue, dass das wahr ist, möchte ich Ihnen heute folgenden Wunsch
für die Feiertage mit auf den Weg geben: Ich wünsche Ihnen, dass
sie etwas davon spüren, dass Gott Ihnen nahe ist – auch, aber nicht
nur zur Weihnachtszeit. Vielleicht merken Sie dann, dass man sich
über die Geburt Jesu freuen kann, auch wenn man nicht in fröhlicher
Stimmung ist. Vielleicht erleben Sie, dass da einer ist, der Ihnen
die Sorgen tragen hilft, die auch der Kerzenschein nicht vertreiben
kann. Und vielleicht erfahren Sie etwas von dem inneren Frieden,
den Gott schenkt, auch wenn das Weihnachtsfest seinem Ruf als „Fest
des Friedens“ mal wieder keine Ehre macht. Und wer weiß – vielleicht
wird Ihr Weihnachtsfest gerade dann auch nach außen fröhlicher,
sorgenfreier und friedlicher, als es die beste Weihnachtsstimmung
bewirken kann. In diesem Sinne wünsche ich nun wirklich jedem und
jeder von Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

Amen.

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