Auf ein Wort ….

 

Strandgut

Oder: Wie aus Bruchstücken
neues wachsen kann

Am
Strand kann man nicht nur in der Sonne liegen, sondern auch viel
entdecken. Im Urlaub an der Ostsee, waren es besonders die Steine,
die ich mit meiner Familie sammeln ging. Und das war nicht die Jagd
nach Bernstein oder anderen wertvollen Dingen. Es machte einfach
Spaß auf die Suche zu gehen. Manchmal findet sich auch Unrat oder
Strandgut, angetrieben von der Strömung, Abfall oder Reste von Verlorengegangenem.
Meistens lässt man es achtlos liegen, oder denkt: die hätten
aber auch einmal den Strand reinigen können. Das solches Strandgut
nicht einfach wertlos ist zeigt das Kunstwerk von Markus Wengrzik.

Alte Bretter,
manche mit Muschelstücken besetzt, Bruchstücke mit scharfen rissigen
Kanten, verblichene Farbreste hier und da, alte Nagellöcher. Mehrere
solcher alten vergessenen und gesammelten Holzbretter hat der Künstler
aneinander gefügt. Unterschiedlich in ihrer Länge werden sie unten
durch dunkelblaue Farbe miteinander verbunden. Ein Stück verbogener
Draht, ursprünglich verrostet, windet sich rot – wie eine lebendige
blutvolle Ader – aus der blauen Tiefe in die Höhe, weist hin auf
ein ähnliches Drahtstück am oberen Ende der Installation, das spielerisch
und mit einem Augenzwinkern gekrönt wird von einem kleinen Ball.
Er leuchtet wie eine kleine Sonne über diesen Reststücken unserer
Zivilisation.

Strandgut. Fast
unmerklich kommt ein weiteres Detail in den Blick. Ein alter Holzgriff,
in der Mitte des  Kunstwerks. Ein Holzgriff, der die Tiefe
mit der Höhe verbindet. Ein Holzgriff, nun zu einem Kreuz geworden.
Verwandelt. Und für mich stilles Zentrum der Installation.

Faszinierend.
Aus alten, überflüssigen, längst vergessenen Reststücken ist etwas
gänzlich Neues entstanden. Altes wird verwandelt in Neues, Zerbrochenes
findet zu einer neuen Einheit zusammen. Totes wird (wieder) lebendig.

Ich entdecke in
dieser Skulptur viel von dem, was meinen Glauben ausmacht: Das Festhalten
nämlich an einer Hoffnung gegen allen Augenschein. Ja, es gibt sie,
die Situationen, in denen man den Boden unter den Füßen verliert.
Lebenslagen, in denen man meint, nur noch von Tod und Traurigkeit
umgeben zu sein. Erfahrungen, dass etwas zerbricht. Übrigbleiben,
so scheint’s, nur rissige Reststücke. Und dann? Die Skulptur macht
– wie das Kreuz – auf ihre Weise deutlich, dass in dem Zerbrochenen,
dass im Ende der Keim für Neues liegt.

Angesichts von
immer wieder schlimmen Nachrichten in der Welt, angesichts von persönlichem
und großem  gesellschaftlichem Leid, kommen mir Worte der Bibel
in den Sinn, die das ausdrücken.

„Das geknickte
Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er
nicht auslöschen.“ (Jesaja 42,3) Gesprochen hat diese Worte der
Prophet Jesaja. In einer Zeit, in der vielen Menschen ihr Glaube
und ihre Hoffnung zerbrochen waren.  Krieg, Zerstörung, Zerbrechen
überall. Jesaja spricht seinen Menschen Mut zu. Gegen allen Augenschein.
Im Namen Gottes. Gott ist es, der trägt. Der fest hält. Gott ist
es, der durch den Tod ins Leben führt.

Strandgut: unser
Leben ist oft das Erleben von Strandgut, aber es bleibt verbunden
im Kreuz. Ich wünsche Ihnen ein solches Erleben.

Ihr Frank Boes

 

Auf ein Wort ….

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

2011 ist das Jahr
der Taufe. Mit dem Motto „gottesgeschenk“ soll es darauf aufmerksam
machen, dass die Taufe ein wertvolles Geschenk ist. Als Erkennungszeichen
dient ein weißes Päckchen mit einer roten Schleife. Auf den sechs
Fotos, die als Postkarten und Plakate auf das Jahr der Taufe hinweisen,
ist dieses Päckchen zu sehen: In einem Kinderzimmer, das gerade
liebevoll von einer Schwangeren  eingerichtet  wird. Auf
einem Spielplatz, auf dem ein kleiner Junge fröhlich schaukelt.
In der prall gefüllten Tasche einer jungen Frau, die durch eine
Fußgängerzone geht. Im karg möblierten Zimmer eines Hartz IV-Empfängers,
auf dem Pflegebett einer alten Frau und auf dem Rand eines Taufbeckens.
Diese Motive machen deutlich, dass Gottes Liebe und Treue uns ein
Leben lang begleiten – so wie es uns am Tag unserer Taufe versprochen
wurde: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“


Eines der
sechs Motive erinnert an die Taufe selbst. Es zeigt ein Taufbecken
in einer schönen alten Kirche. Die Bänke sind noch leer, aber es
ist schon alles für eine Taufe vorbereitet: die festliche Beleuchtung,
das mit Wasser gefüllte Taufbecken und die brennende Osterkerze,
an der die Taufkerze an gezündet wird. Jeden Augenblick werden die
ersten Gottesdienstbesucher herein kommen, und auch die Tauffamilie
wird schon bald in  einer der vorderen Bankreihen Platz nehmen.
Eltern und Paten werden am Taufbecken stehen und versprechen, dass
sie ihr Kind und Patenkind im christlichen Glauben erziehen. Sie
werden Segensworte hören und den Taufspruch, den sie ausgesucht
haben, und hoffen, dass alle Gebete, alle guten Worte und Wünsche,
die an diesem Tag ausgesprochen werden, in Erfüllung gehen. Behütet
und geborgen soll ihr Kind aufwachsen und seinen Weg durchs Leben
zuversichtlich gehen.
Im Leben einer Familie gehört die Taufe
zu den besonderen Festen. Großeltern, Paten und Verwandte kommen
zusammen, um das neue Familienmitglied zu begrüßen und zu
sehen, wie sich das Kind entwickelt hat. Es ist ein „Tag, den der
Herr macht“, ein Tag großer Freude und Dankbarkeit. Doch die Taufe
ist nicht nur etwas für einen schönen Festtag, sie ist etwas fürs
ganze Leben. Denn nicht nur dieser eine Tag, sondern das ganze Leben
mit all seinen Tagen – den guten und den weniger guten – steht unter
der Verheißung, dass Gott für uns da ist: im Kinderzimmer und auf
dem Spielplatz, im Lärm und der Hetze des Alltags, in Armut und
Wohlstand, Scheitern und Gelingen, an Kranken- und Pflegebetten
und auch noch auf dem Sterbebett. Denn mit der Taufe knüpft Gott
eine Verbindung, die ewig hält.
Die Taufe ist ein Gottesgeschenk,
etwas Besonderes, das man nur einmal im Leben bekommt. Aber es braucht,
wie Alfred Buß, der Präses unserer westfälischen Landeskirche gesagt
hat, ein ganzes Leben, um dieses Geschenk auszupacken.  Dabei
möchten auch wir in der Kirchengemeinde Klafeld gerne helfen: in
Taufgottesdiensten, in  der Krabbelgruppe und den Kindergärten,
im Kindergottesdienst und im kirchlichen Unterricht oder auch in
dem Tauferinnerungsgottesdienst, den wir Anfang September in der
Talkirche feiern. Vielleicht werden Sie es hier und da dann auch
entdecken: das weiße Päckchen mit der roten Schleife, das Gottesgeschenk.
Machen Sie es ruhig auf und sehen Sie immer wieder nach, was drin
ist. Sie werden staunen!
Einen Sommer mit vielen Tagen, an denen
Sie staunen, sich freuen und fröhlich sein können, wünscht Ihnen

Ihre Pastorin
Almuth Schwichow

 

Auf ein Wort ….

 

Nein, der Tod
hat zu Ostern wahrlich keinen Grund zur Freude. Und das nicht nur,
weil draußen das Leben grünt und blüht. Darüber könnte er sich ja
hinwegtrösten mit dem Gedanken, dass es irgendwann auch wieder Winter
wird. Aber das Osterfest erinnert ihn daran, dass er schon längst
und ein für alle Mal verloren hat. „Der Tod ist verschlungen in
den Sieg“, schreibt Paulus, „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist
dein Sieg? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren
Herrn Jesus Christus.“ (1. Kor 15,55 u. 57) Deshalb gibt es in der
Kirche die alte Tradition des Ostergelächters. Da wurde dem Tod
von der versammelten Gemeinde eine lange Nase gezeigt: „Ätsch, Tod,
du kannst uns mal, denn du kannst uns nichts mehr anhaben. Denn
Jesus lebt, und mit ihm auch wir!“ Schadenfreude ist ja  bekanntlich
die schönste Freude, und hier ist sie wirklich mal angebracht. Aber
darf man das denn, sich über den Tod lustig machen? Angesichts von
zig-tausend Erdbebentoten in Japan? Angesichts der ungezählten Menschen,
die vor der Zeit sterben müssen – ermordet, verhungert,  von
Seuchen  dahingerafft? Angesichts all der tödlichen Gefahren,
die wir selber für Mensch und Natur herauf beschworen haben, von
A wie Atomkraft bis Z wie Zerstörung der Regenwälder?  Und
ganz abgesehen von all den vermeidbaren Todesfällen, die Menschen
selbst verschuldet haben – gehört der Tod nicht zum Leben? Hat Gott
uns nicht alle als endliche Wesen geschaffen – räumlich, aber eben
auch zeitlich? Kommt der Tod nicht für viele Betagte und Lebenssatte
als Erlösung, nicht als Feind?

All diese Überlegungen
und Erfahrungen haben das Ostergelächter weitgehend zum Verstummen
gebracht. Da hilft es auch nichts, wenn mancher Pfarrer in der Osterpredigt
Witze erzählt, um den einen oder anderen Lacher heraus zu kitzeln.
Das ist dann wie das künstliche Publikumsgelächter in billigen Comedy-Serien:
Es ist nicht wirklich lustig, aber wir tun halt so, als ob.

Nein, so simpel
lässt sich das Ostergelächter nicht wieder gewinnen.  Echtes,
befreites Lachen kann man nicht erzwingen, und nichts ist so verlogen
und nervtötend wie aufgesetzte Fröhlichkeit. Aber vor dem Tod kapitulieren
und ihm das letzte Wort überlassen, das müssen wir als Christen
trotzdem nicht. Wenn es stimmt, dass Gott in Christus war, wenn
es stimmt, dass er in Jesus unseren Tod gestorben ist, dann dürfen
wir auch den Zeugen seiner Auferstehung glauben. Denn wenn Gott,
der Schöpfer und Herr des Lebens, stirbt, dann geht das nicht böse
aus für Gott, sondern für den Tod. Es bleibt zwar dabei, dass wir
alle sterben müssen, aber damit ist nicht alles aus. Der Tod regiert
nicht die Welt, auch wenn es oft den Anschein hat. Das Leben behält
den Sieg kraft der Auferstehung Jesu von den Toten. Deshalb dürfen
wir alle Jahre wieder fröhlich Ostern feiern, auch im Angesicht
des Todes. Und wir können und sollen uns einsetzen: gegen den Tod
und für das Leben. Wir
können noch so viel tun, damit Menschen nicht mehr sterben müssen,
bevor sie wirklich gelebt haben. Die Mittel und Wege sind oft längst
vorhanden, sie müssten nur konsequent und  umfassend umgesetzt
werden. Dazu können wir vieles beitragen: durch eigenes Handeln,
durch Geld und andere Unterstützung, durchs Gebet. Wenn wir das
tun, wird dem Tod noch so manches Schnippchen geschlagen werden.

Und wir werden
es erleben: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Ihr Pastor Klein

 

Auf ein Wort ….

 

Ruhe finden

Orte zum Leben

Welchen
Ort malen Sie sich in Ihrer Fantasie aus? Wie sieht er aus, der
Ort, an dem Sie zur Ruhe kommen oder zumindest die Hoffnung darauf?

Vielleicht so
wie rechts auf dem Bild. Vielleicht aber ist es Ihnen in den schottischen
Highlands zu kalt und sie zieht es mehr nach Süden. Wie dem auch
sei:

Jeder und jede
hat Bilder und Sehnsüchte von Ruhe für den Körper und die Seele.
Der Glauben an Gott hat dabei immer eine große Rolle gespielt. Für
Menschen, die einen zu fürchtenden Gott anerzogen bekommen haben,
ist das weniger nachvollziehbar. Dabei ist die Bibel voll von Hoffnung
machenden und tröstenden Bildern. Gott wird da ähnlich dem Bild
mit einer Burg verglichen, die Schutz und Geborgenheit vermittelt.
Er wird als Vater von Jesus beschrieben, der sich gerade über die
freut, die zu ihm umkehren.

Ein solcher Gott
ist damit ein Garant für Ruhe; eben keiner, der mich in einen Aktivismus
treibt. So kann der Psalmbeter des 62. Psalms sagen:

„Bei
Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe; denn von ihm kommt meine
Hoffnung.“

Welchen Ort Sie
brauchen, um zur Ruhe zu kommen, ist nebensächlich. Wenn Sie dort
Gott finden, die Möglichkeit erfahren, ihm zu begegnen, dann ist
es ein guter Ort: Ein Ort der Stärkung und des Zuspruchs, ein Ort
des Friedens und der Hoffnung.

Ich hoffe, dass
Sie unsere Kirchen und die darin lebenden und glaubenden Menschen
als einen solchen Ort erleben können.

Ihr
Frank Boes

 

Auf ein Wort ….

 

Lass dich nicht vom Bösen
überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Römer 12,21, Jahreslosung 2011

Die
beste Auslegung dieser Worte ist für mich immer noch eine alte Ballade
von Conrad Ferdinand Meyer. Sie spielt zur Zeit der Hugenottenverfolgung
in Frankreich und heißt „Die Füße im Feuer“.

Da bittet ein
königlicher Kurier in einer stürmischen Nacht um Quartier im Haus
eines hugenottischen Edelmanns. Zu spät erkennt er das Haus wieder:
Vor drei Jahren hat er auf „Hugenottenjagd“ die Ehefrau des Hausherrn
gefoltert, um dessen Aufenthaltsort zu erfahren. Ihre Füße hat er
ins Kaminfeuer gehalten, aber sie hat eisern geschwiegen. Schließlich
ist sie an der Tortur gestorben. Der Kurier verbringt eine ungemütliche
Nacht in diesem Haus, voller Angst vor der Rache des Hugenotten.
Aber der rührt ihn nicht an, gewährt ihm Nahrung und Bett und gibt
ihm am nächsten Morgen noch das Geleit. Sein Haar allerdings ist
über Nacht ergraut. Beim Abschied spricht der Kurier: „Herr, / ihr
seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit / und wisst, dass ich
dem größten König eigen bin. / Lebt wohl! Auf Nimmerwiedersehen!“
Und er bekommt die Antwort: „Du sagsts! Dem größten König eigen!
Heute ward sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir
/ mein Weib! Und lebst … Mein ist die Rache, redet Gott.“

Diese Ballade
macht klar, was es einem Christen abverlangen kann, wenn er die
Worte des Römerbriefs wirklich ernst nimmt: nicht Böses mit Bösem
vergilt, sondern Böses mit Gutem überwindet. Sie macht aber auch
klar, welche Verheißung in diesen Worten liegt: Hier schafft es
einer, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Und er sammelt
dadurch wirklich „glühende Kohlen“ auf das Haupt seines Feindes,
wie es kurz vorher im Römerbrief heißt. Es bleibt zwar unausgesprochen,
aber der Kurier des Königs wird seine Angst vor der Rache, das Bewusstsein
ihrer Berechtigung und die Erleichterung über ihr Ausbleiben sicher
nicht vergessen. Und wenn noch ein Funken Anstand in ihm ist, wird
er wohl nicht noch einmal einem unschuldigen Menschen Gewalt antun.

Wenn ich darüber
nachdenke, kommen mir die deprimierenden Nachrichten aus den Krisengebieten
dieser Erde in den Sinn: Christenverfolgung im Irak, Kämpfe in Afghanistan,
Schüsse zwischen Nord- und Südkorea, Angst vor Terroranschlägen
– immer noch, immer wieder. Wenn doch da endlich mal jemand Böses
nicht mit Bösem vergelten würde! Natürlich: Von denen, die die Gewalt
am eigenen Leib erleiden, kann ich das nicht verlangen. Aber die
Politiker, die religiösen Führer, die, die Verantwortung tragen,
die könnten doch endlich mal zur Besinnung kommen, oder?

Die Verantwortlichen
sind allerdings nur selten die wirklich Betroffenen. Und solange
man nicht selber betroffen ist, ist eben der Krieg bequemer als
der Frieden, die Vergeltung einfacher als die Versöhnung. Wenn man
sich damit abfindet, dass immer wieder zu- und zurückgeschlagen
wird, kann man weitermachen wie bisher. Für Frieden und Versöhnung
dagegen müsste man umdenken, Phantasie entwickeln, über den eigenen
Schatten springen, Anfeindung von den Unversöhnlichen in Kauf nehmen,
der Gefahr des Scheiterns ins Auge sehen – womöglich gar mit dem
Leben bezahlen. Feinde lieben ist anstrengend und gefährlich, Feinde
hassen geht von allein.

Das können wir
ja auch an uns selber beobachten: Es ist viel leichter, sich mit
dem schwierigen Nachbarn oder Familienglied weiterzuzanken als den
Streit zu begraben. Es ist viel bequemer, negative Vorurteile zu
pflegen, als sie durch persönliche Kontakte widerlegen zu lassen.
Ohne ein oder mehrere Feindbilder an der Wand kann offenbar kaum
jemand leben. Deshalb werden diese Feindbilder gepflegt und poliert,
so schlecht sie auch gemalt sein mögen. Sie sind in ihrer Schlichtheit
eben leichter zu begreifen als die komplizierte Wirklichkeit. Wenn
das nun schon uns so geht, die wir ernsthafte Feinde eigentlich
gar nicht haben, wie schwer muss es dann erst für die sein, die
Feindseligkeit und Gewalt Tag für Tag hautnah erleben?

Aber kann man
es dann überhaupt schaffen, das Böse durch Gutes zu überwinden?
In dem Abschnitt aus dem Römerbrief steckt die Antwort in der Anrede,
die Paulus für die Christen in Rom gebraucht: er nennt sie „Geliebte“
und meint damit „von Gott Geliebte“. Gott hat euch seine Liebe bewiesen,
sagt Paulus, indem er in Jesus Christus zu euch gekommen ist. Das
ist so, auch unabhängig von eurem Verhalten. Aber nur, wenn ihr
euch wirklich darauf einlasst, dass Gott euch lieb hat, könnt ihr
die Liebe auch zum Maßstab eures Lebens machen. Was das Gute ist,
das wisst ihr. Denn dieses Gute sieht für Christen nicht viel anders
aus als für Juden oder Muslime oder Atheisten: es bedeutet Achtung
vor der Würde, dem Leben und dem Eigentum jedes Menschen. Aber die
Liebe Gottes in Christus gibt euch die Motivation, dieses Gute auch
in die Tat umzusetzen, aus Gottes Liebe Nächstenliebe zu machen.

Das heißt ja nicht,
dass wir unseren Feinden um den Hals fallen müssen. Für den hugenottischen
Edelmann war Nächstenliebe nicht mehr als schlichte Gastfreundschaft
und der Verzicht auf Rache. Und selbst das wäre ihm unerträglich
schwer geworden, wenn das Bewusstsein, Gott, dem „größten König“,
zu gehören, nicht stärker gewesen wäre als der Drang nach Vergeltung.
Auch wir müssen Menschen, die uns fremd sind oder gar abstoßen,
nicht gleich sympathisch finden, aber wir sollten sie als Menschen
akzeptieren und dann eben, soweit an uns liegt, Frieden mit ihnen
halten. Auf diesem Weg gibt es noch viel zu tun – bei uns und überall
auf der Welt. Aber es gibt auch viel zu gewinnen. Gott verlangt
nicht mehr von uns, als dass wir, seine Geliebten, auf diesem Weg
mit gutem Beispiel vorangehen. Und das wäre doch mal ein wirklich
guter Vorsatz fürs neue Jahr, oder?

Ihr Pastor Klein