Berichte von der Sondersynode

Diakonie – Strukturen für
die Zukunft

Sonderkreissynode tagt in
der Stadthalle Kreuztal

Sie war nicht
unumstritten, die Sondersynode des Kirchenkreises Siegen zum Thema
Diakonie, die jetzt in der Stadthalle Kreuztal tagte. Etliche Diskussionen
um das Für und Wider hatte es bereits im Vorfeld gegeben. Überfällig
war sie längst, aber warum soll sie jetzt stattfinden? Wisst ihr,
was ihr wollt? Was kann die Synode entscheiden? Diese Fragen hätten
sich viele im Vorfeld gestellt, so die Superintendentin Annette
Kurschus bei ihrer Einführung in die Thematik. Das diakonische Geschehen
im Kirchenkreis Siegen wird zurzeit weitgehend vom Krankenhausverein
und dem Diakonieverein verantwortet. Kirchenkreis und Kirchengemeinden
sahen ihre Einflussmöglichkeiten schwinden. Und auch der Diakoniekonflikt
aus 2005 ist noch nicht wirklich verarbeitet.


 

Die Synodalen
im Kirchenkreis Siegen ließen sich auf einer Sondersynode
über die Strukturen der Diakonie in Südwestfalen und
die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten  informieren.
In ersten Überlegungen wurden Schwerpunkte für die weiteren
Beratungen aufgezeigt. Auf der nächsten regulären Synode
sollen die konkreten Prüfaufträge für den KSV beschlossen
werden

Grund für den
Termin der Sondersynode, so Kurschus, sei der zu erwartende Verbund
des Kreiskrankenhauses mit den drei Diakoniekrankenhäusern gewesen.
Der hätte für die Diakonie eine Zäsur bedeutet. Grund für die Synode,
die Gelegenheit zu nutzen und frühzeitig ihre eigenen Vorstellungen
von Diakonie im Kirchenkreis zu beschreiben und nicht nur auf bereits
Vollzogenes zu reagieren. Dadurch, dass der große Krankenhausverbund
in absehbarer Zeit nun doch nicht zustande komme, könne das Thema
ohne konkreten Handlungsdruck von außen beraten werden. Zu dem erscheine
der Informationsbedarf bei den Synodalen hoch. Die Synode sei das
Forum, um zu informieren, diskutieren und zu erläutern.

Sie nahm den Befürchtungen
den Boden, dass es vielleicht doch geheime innerkirchliche Vorstellungen
gäbe, die nun auf der Synode einem Beschluss zugeführt werden sollten.
Kurschus: „Auf dieser Synode kann alles mögliche ungeschützt gedacht
und gesprochen werden. Die Synode hat keine Entscheidungskompetenz.
Die hat sie vor Jahren an den Krankenhausverein und den Diakonieverein
abgegeben, aus damals sicherlich guten Gründen. In den beiden Vereinen
sind zwar alle Kirchengemeinden und der Kirchenkreis vertreten.
Diese Mitbestimmung funktioniert offensichtlich nicht mehr zufriedenstellend.“
 Zudem ist die solidarische Finanzierung der Diakonie durch
die Kirchengemeinden nicht mehr gesichert. Einige Kirchengemeinden
hatten ihren Austritt erklärt. Daher müssten die Strukturen nach
ihrer Tauglichkeit hin befragt werden. Die Synode sei aufgerufen,
Anregungen, Prüfaufträge und Zielvorstellungen zu geben.

Wie kompliziert
die Vereins- und Gesellschaftsstruktur von Diakonischem Werk, Krankenhausverein
und Diakonie in Südwestfalen ist, machten die Ausführungen von Unternehmensberater
Michael Worschischek deutlich, der gemeinsam mit dem synodalen Diakoniebeauftragten
Pfr. Thomas Weiß die Strukturen und die Verantwortlichkeiten in
der Diakonie erläuterte. Eine Unternehmensberatung war seinerzeit
von der Arbeitsgruppe „Zukunft der Diakonie“ eingeschaltet worden,
um die Struktur des verflochtenen Unternehmens mit Sachkompetenz
von außen zu prüfen.

Nicht nur für
die nach den Presbyteriumswahlen neu entsandten Synodalen waren
die grundlegenden Erläuterungen wichtig. Auch manch langjähriger
Synodaler begreift die Gesellschaftsverschachtelungen nicht wirklich.
Pfr. Christoph Siekermann, seit acht Jahren Gemeindepfarrer im Kirchenkreis
Siegen, traute sich auszusprechen, was vermutlich manch eine und
einer auf der Tagung dachte: „Jetzt bekomme ich so langsam eine
Ahnung von den Strukturen.“

In Arbeitsgruppen
berieten die Synodalen vier Themenschwerpunkte: Diakonisches Profil,
Leistungsprofil der Diakonie, Gestaltung gemeindenaher Diakonie
und den Steuerungsanspruch von Kirchengemeinden. Im Plenum wurden
die Arbeitsergebnisse vorgestellt. Es kristallisierte sich heraus,
dass die Seelsorge in den Krankenhäusern einen hohen Stellenwert
hat. Wichtig war den Arbeitsgruppen, dass die Informationsflüsse
und die Transparenz zwischen den Gemeinden und der überörtlichen
Diakonie deutlich verbessert werden sollten. Die komplizierten Strukturen
sollten schlanker gestaltet werden.  Zudem müssten die Diakoniebeauftragten
in den Kirchengemeinden für ihre Aufgabe besser geschult werden.

Während der Sondersynode
reichte die Zeit nicht, um die Arbeitsaufträge im Detail zu beraten
und auszuformulieren. Daher beauftragte die Synode den KSV, bis
zur nächsten Herbstsynode einen Beschlussvorschlag aus den Ergebnissen
der Arbeitsgruppen zu entwickeln, der konkrete Arbeitsaufträge enthält,
die Themen benennt, die bearbeitet werden müssen und einen detaillierten
Zeitplan angibt.

 

Abgespeckter Krankenhausverbund
innerhalb der Diakonie steht

Der Geschäftsführer
der Diakonie Südwestfalen Dr. Josef Rosenbauer informierte die Kreissynode
über den Stand des Krankenhausverbundes. Das Kreisklinikum und die
drei Diakoniekrankenhäuser, so der Kreis Siegen-Wittgenstein und
die Diakonie Südwestfalen, sollten in einem Verbund zu einem Krankenhaus
verschmelzen, um in Zukunft auf dem hart umkämpften Gesundheitsmarkt
finanziell sicher aufgestellt zu sein. 700 der 2100 Kliniken in
Deutschland schreiben derzeit rote Zahlen, berichtete Rosenbauer
den Synodalen
.

Dr.
Josef Rosenbauer, Geschäftsführer der Diakonie Südwestfalen,
(hier im Gespräch mit Verwaltungsleiter Hartmut Menzel)
informierte die Synodalen über den Krankenhausverbund.
Er wünscht sich, dass nun Ruhe einkehrt in die Diakonie.

Eine deutliche Kostenreduzierung
versprach man sich von dem Verbund und eine bessere medizinische
Versorgung. 51% der Gesellschafteranteile sollten bei der Diakonie
verbleiben, 49% beim Kreis Siegen-Wittgenstein. Rosenbauer: "Die
Diakonie Südwestfalen hatte ihre Hausaufgaben erledigt." Dennoch
kommt der große Verbund in absehbarer Zeit nicht zustande. Die Kosten
der Pensionsrückstellungen in die Zusatzversorgungskasse für die
Mitarbeitenden machen dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.
Über 50 Mio. Euro muss der Kreis Siegen-Wittgenstein zusätzlich
finanzieren, um seine  Krankenhausmitarbeitenden in das Diakoniesystem
übernehmen zu lassen. Dennoch, so Rosenbauer, gibt es nun einen
Verbund mit den drei Diakoniekrankenhäuser: Jung-Stilling-Krankenhaus
Siegen, Bernhard-Weiss-Klinik, Kredenbach, und Haus Bethesda, Freudenberg.
Alle drei Häuser haben nun eine gemeinsames Budget. Synergieeffekte
werden sich bemerkbar machen.

Davon profitieren
in erster Linie die beiden kleineren Krankenhäuser in Freudenberg
und Kredenbach, die wirtschaftlich ansonsten schlecht dastehen.
 Die kleinen Häuser haben ähnlich große Fixkosten wie ein großes
Krankenhaus, aber deutlich geringere Einnahmen. Verzichten will
man auf sie nicht, da sie für die Versorgung in der Fläche wichtig
sind. Rosenbauer ist stolz darauf, dass der kleine Verbund innerhalb
von drei Wochen zustande kam. Seit dem 28. August liegt der Feststellungsbescheid
vor. Seit 17. September ist der neue Krankenhausverbund eingetragen.
Nun können die ersten medizinischen Schritte gegangen werden.

Für das Haus Kredenbach,
das wirtschaftlich schwere Zeiten hinter sich hat, bringt der Verbund
die Einrichtung einer Geriatrie-Abteilung.

Zum Schluss zeigte
Rosenbauer auf, dass es bei aller Anstrengung Spaß mache, in den
Diakonie-Unternehmen zu arbeiten. Die 2.800 Mitarbeitenden prägten
jeden Tag das diakonische Profil der Einrichtungen.

Er wünschte sich
sehr, dass jetzt Ruhe einkehrt in die Diakonie. Auf die Vereine
sei in der Vergangenheit Verlass gewesen. Er wünschte sich, dass
auch künftig verlässliche Gremien und Strukturen eine gute Basis
für die diakonische Arbeit bieten.

 

Die diakonische Landschaft
in Westfalen

Pfr. Güntehr Barenhoff,
hauptamtlicher Vorstand des neuen Spitzenvereins Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe,
in formiert auf der Diakoniesynode des Kirchenkreises Siegen

Pfarrer
Günther Barenhoff, hauptamtlicher Vorstand des neuen
Spitzenvereins Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, erläuterte,
wie es zu den Vereinsstrukturen der Diakonie gekommen
ist, welche Entwicklungstendenzen zu sehen sind und
gab Kirchenkreis und Diakonie Ratschläge für die weiteren
Überlegungen mit auf den Weg.

Pfr. Günther Barenhoff,
hauptamtlicher Vorstand des neuen Spitzenvereins Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe,
 nahm die Synodalen in seinem Vortrag gedanklich mit in die
Entwicklung der Diakonie in Westfalen.

Von den Anfängen
des Christentums bis in die Gegenwart – das belegen auch alle aktuelle
Umfragen und Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen – haben die diakonischen
Aktivitäten das Ansehen und die Stellung der Kirche in der Gesellschaft
gestärkt.

Dafür nannte er
ein Beispiel aus den Anfängen der Diakonie im 18. Jahrhundert, dem
Entstehen der Inneren Mission. Die vom Evangelium angetriebenen
und bewegten Männer und Frauen hätten die neuen Nöte durch die aufkommende
Industrialisierung – zum Beispiel die Not der Jugendlichen in den
großen Städten – wahrgenommen. Die Vertreter der Verfassten Kirche
seien damals offensichtlich nicht bereit und in der Lage gewesen,
sich intensiv auch um diese neuen Nöte zu kümmern. Für Wichern zum
Beispiel waren dies nicht nur äußere Nöte. Und da er sehr schnell
erkannte, dass man die Botschaft des Evangeliums nicht vermitteln
kann, wenn man die Not der Menschen nicht wirklich ernst nimmt,
gründete er seine Aktivitäten außerhalb der Struktur der Verfassten
Kirche.

In dieser Zeit
entstand das bis heute an vielen Stellen noch praktizierte Modell
des Vereinswesens.

Heute findet Diakonie
im Wesentlichen in den großen diakonischen Unternehmungen, den kreiskirchlichen
Diakonischen Werken und in der Gemeindediakonie statt. Alle diese
Teile  sind Mitglieder im Diakonischen Werk der Evangelischen
Kirche von Westfalen, das laut Satzung die besondere Aufgabe hat,
die Interessen dieser meist selbstständigen Rechtsträger zu vertreten
gegenüber Politik, Öffentlichkeit, Kostenträgern und Ähnlichem und
zugleich den Zusammenhalt aller Träger zum Zwecke einer einheitlichen
Durchführung der gemeinsamen Aufgaben und gegenseitiger Unterstützung
zu fördern.

Zu den großen
traditionellen Unternehmungen der westfälischen Diakonie gehören:
Die v. Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel, das Ev. Johanneswerk,
die Diakonische Stiftung Wittekindshof, die Ev. Stiftung Volmarstein
und das Ev. Perthes-Werk in Münster.

Bei den kreiskirchlichen
Diakonischen Werken hätten, so Barenhoff, in den letzten fünfzehn
Jahren die größten Veränderungsprozesse stattgefunden. Viele der
diakonischen Aufgaben, die früher wie selbstverständlich auch bis
in die personelle Verantwortungsstruktur Aufgaben der Gemeinden
waren, seien in den kreiskirchlichen Diakonischen Werken zusammengeführt
worden. Heute sind alle kreiskirchlichen Diakonischen Werke – bis
auf Lüdenscheid/Plettenberg – in einer selbstständigen Rechtsstruktur,
überwiegend in der Vereinsstruktur organisiert.

Zunehmend bildeten
sich größere Einheiten, die über die Kirchenkreise hinausgehen.

So haben sich
zum Beispiel die Diakonischen Werke der Kirchenkreise Hamm, Unna,
Soest und Arnsberg inzwischen zu einem Diakonischen Werk Ruhr-Hellweg
zusammengeschlossen.

Die Gemeindediakonie
bildet neben Kindergärten und Kindertagesstätten insbesondere das
Feld der zahlreichen ehrenamtlichen Diakonie in Besuchsgruppen und
Initiativen unterschiedlicher Art. Barenhoff: „Und wenn wir in der
Diakonie oft sehr stolz von den ehrenamtlichen Mitarbeitenden –
auch in den beiden anderen Säulen, die ich bereits dargestellt habe,
– sprechen, hier haben sie ihren Ort, ihre Prägung und in der Regel
ihre Motivation für ihr Engagement gefunden.“

Für die Ursache
der Veränderungsprozesse nennt der Diakonieexperte "Mehr Markt
und Wettbewerb und Aufgabe des Selbstkostendeckungsprinzip".
Alle diakonischen Träger, insbesondere die kreiskirchlichen Diakonischen
Werke haben sich entschieden, ein möglichst breites Angebot diakonischer
Dienstleistungen zu erbringen. Dies bringt veränderte Finanzierungen
mit sich. Die kirchensteuerfinanzierten Aufgaben sind zurückgegangen.

Aus seiner Sicht
stellt sich für die Mitglieder der Kreissynode und natürlich für
die Mitglieder der beiden bestehenden Vereine sowie für die Organe
der Diakonie in Südwestfalen folgende Herausforderung:

Im Kirchenkreis
Siegen seien rechtlich – und das entspreche der Verfassungswirklichkeit
in der Evangelischen Kirche – letztlich die Kirchengemeinden die
Träger der Diakonie. Die seien sowohl Mitglieder im Krankenhausverein
als auch Mitglieder im

Diakonischen Werk
und sie bilden zugleich die Gemeinschaft der Kirchengemeinden im
Kirchenkreis.

Seine Vermutung
und zum Teil auch Kenntnis sei, dass jeweils unterschiedliche Personen
aus Kirchengemeinden diese im Krankenhausverein, in der Kreissynode
und im Diakonischen Werk repräsentieren und vertreten. Daraus könnten
Abstimmungsdefizite untereinander entstehen.

Barenhoff vermutet,
dass die einzelnen Personen eher von der Eigendynamik der jeweiligen
unterschiedlichen Vereine und der Kreissynode stärker bestimmt werden
und somit im Ergebnis das, was eigentlich rechtlich ganz eng zusammengehört,
eher starke Tendenzen zur Verselbstständigung entwickelt hat.

Er sehe für die
Synode und die Kirchengemeinden die Aufgabe, zu überlegen, welche
diakonischen Aufgaben und Angebote in den Kirchengemeinden und im
Kirchenkreis in  Zukunft auftragsgemäß angeboten werden sollen
und wie viele Kirchensteuermittel und Spenden für diese Aufgaben
mit eingebracht werden sollen? Dann sei zu überlegen, welche Strukturen
für die optimale Aufgabenwahrnehmung am ehesten geeignet seien und
welche Personen zur Wahrnehmung des diakonischen Auftrages in Siegen
ausgewählt würden.

Barenhoff zitierte
am Schluss den Landeskirchenrat Dr. Hans-Tjabert Conring mit den
Worten: „Diakonie als Dimension der Kirche kann nicht auswandern,
aber auch nicht allumfassend von der überwiegend ehrenamtlich verantworteten
Organisationseinheit Kirchengemeinde geleistet werden.

Kirchengemeinde
ist die Keimzelle der Diakonie, dort wo sie an ihre Grenzen stößt,
können andere kirchlich organisierte oder rechtlich verselbstständigte
Träger diakonische Aufgaben wahrnehmen.

Auch große selbstständige
Träger sind auf die gemeindliche Bodenhaftung und die dort ehrenamtlich
verantwortete Initiativkraft angewiesen."

kp

(Fotos: Karlfried
Petri)