Rückblick: Reformierte Konferenz

Du bist mein Gott, den ich
suche

Mit den Psalmen im Alltag
der Kirche leben

Was für einen
reichen Schatz die Psalmen der Bibel bieten, erfuhren jetzt die
Teilnehmenden der Reformierten Konferenz in der Friedenskirche in
Kreuztal-Fellinghausen. Der Trägerkreis der Reformierten Konferenz
Südwestfalen hatte zu der Tagung eingeladen, bei der Theorie und
Praxis gleichermaßen ihren Raum hatten. Prof. Dr. Thomas Naumann,
Alttestamentler an der Universität Siegen, und Kirchenmusikdirektor
Ulrich Stötzel, Kantor des Kirchenkreises Siegen, hatten sich zusammengetan,
um die biblischen Psalmen und die damit in der reformierten Tradition
verbundenen Psalmgesänge lebendig werden zu lassen im Hören und
im Singen. Der in Siegen bekannte Prof. Ingo Baldermann, Fachmann
für die biblischen Psalmen, hat sie als ein Haus bezeichnet, das
zum Wohnen einlädt. Diese Einladung überbrachten Naumann und Stötzel
gleichermaßen.

Welchen Lebensbezug
die Psalmen haben können, hat Rainer Maria Rilke für sich entdeckt:
„Ich habe die Nacht einsam hingebracht und ich habe schließlich
die Psalmen gelesen, eines der wenigen Bücher, in denen man sich
restlos unterbringt, mag man noch so zerstreut und ungeordnet und
angefochten sein.“  

Die Psalmen, so
Naumann, sind das Gebetbuch Israels. Sie werden  im Gottesdienst
und in Familien gebetetAls Gebete der jüdischen Menschen in der
Nachfolge Jesu wurden die Psalmen auch Gebete der christlichen Tradition.
. .

Man findet sie
als Anhang der Einzelausgaben des Neuen Testaments ebenso wie im
Evangelischen Gesangbuch, das auch als Gebets- und Andachtsbuch
dient. Die Psalmen lohnen so gelesen zu werden, dass sie ins Herz
dringen. Sie sind keine theologische Lehre oder amtliche Verlautbarung,
sondern spiegeln persönliche, lebendige und vielgestaltige Lebenserfahrung.
Sie sind ein einziger großer Lobpreis des Gottes Israels.

Über die Sprache
der Psalmen, von ihrer Lyrik voller Metapher und Symbole, von dem
Sinn hinter dem Sinn und der vieldeutigen Uneindeutigkeit erzählte
der Theologieprofessor beispielhaft. Durch ihre sprachliche Offenheit,
also nicht auf ein konkretes Ereignis zugespitzt, lassen sie sich
in unsere Lebenswelt ziehen.

In den 150 Psalmen
kommt die Sprache der Angst und der Gewalterfahrung ebenso zur Geltung
wie die Sprache der Dankbarkeit und des Vertrauens auf erfahrene
Gottesnähe sowie die Sprache der Freude, des Lobes und der Anbetung.
 

Prof. Naumann
drückte sich nicht vor den schweren, dunklen Teilen der Psalmen,
den Feindklagen und Rachegedanken. Sie erscheinen uns fremd, ekelhaft
und als Zumutung. Im Gesangbuch sind diese Stellen weggelassen.
Rachsucht bewirkt nichts Gutes. Was haben also solche Gedanken in
unseren Gebeten zu suchen? Solche Vergeltungswünsche muss man nicht
teilen, aber man kann versuchen, sie zu verstehen, so der Theologieprofessor.
Hier gehe es um die Lebensangst der Beter, es gehe um Leben und
Tod. Der Wunsch nach eigener Lebensenergie drücke sich in diesen
Stellen  aus. Es seien die Schrei der Opfer von Gewalt und
Ungerechtigkeit. Wer selbst Gewalt in seinem Leben erfahren habe,
könne sich in dieses Denken einfinden.


Psalmen
und Psalmgesänge in Theorie und Praxis waren das Thema der Reformierten
Konferenz Südwestfalen in dr Friedenskirche in Kreuztal Fellinghausen.
Prof. Dr. Thomas Naumann (links)
bot eine Fülle hilfreicher
und interessanter Informationen zu den Psalmen. KMD Ulrich Stötzel
(rechts) übte ausgewählte Psalmgesänge ein.

Auch einen praktischen
Tipp hat Prof. Naumann parat. Er empfiehlt den Zuhörenden den Tag
am Morgen mit Einkehr, Andacht und Besinnung zu beginnen, sich morgens
mit dem eigenen Leben in die Arme Gottes zu werfen und so in Gott
geborgen in den Tag zu gehen.

Kirchenmusikdirektor
Ulrich Stötzel zog die Theorie in die Praxis. A capella wurden Psalmen
aus dem Evangelischen Gesangbuch ebenso gesungen wie mit Klavier-
oder Orgelbegleitung. Darunter nicht nur Texte aus dem für die reformierte
Tradition typischen Genfer Psalter aus der Mitte des 16. Jahrhunderts,
sondern auch neuere Texte und Melodien. Sogar eine für die reformierte
Tradition fremd anmutende Antiphon, ein Wechselgesang, wie er in
Klöstern gepflegt wird, übte Stötzel. Der versierte Musiker wusste
in humorvoller Art zu den Tonsätzen die nötigen Hinweise zum Verständnis
zu geben. Die Psalmlieder, so erfuhren die Gemeindeglieder, Presbyter
und Pfarrer, wurden zur Zeit der Reformation einstimmig gesungen
und zunächst nicht auf der Orgel, sondern auf Blasinstrumenten begleitet.

Der Beifall der
Konferenzteilnehmenden aus den Kirchengemeinden machte deutlich,
dass Referent und Kantor die Zuhörenden erreicht hatten.

kp