Rückblick: Reformierte Konferenz

„Eine Kirche, die nicht mehr
wachsen will, will nicht mehr Leben“

Pfarrer Dr. Peter Böhlemann
auf der Reformierten Konferenz Südwestfalen

„Leben bedeutet Wachstum. Eine Kirche, die
nicht mehr wachsen will, will nicht mehr leben, sie stirbt. Eine
Kirche, die Leib Christi ist, lebt und wächst. Gott hat das Leben
für sie gewählt.“ Aufbauend auf diesen Grund entfaltete Dr. Peter
Böhlemann, Villigst,  jetzt auf der Reformierten Konferenz
Südwestfalen im Zinzendorfhaus der Siegener Erlöserkirchengemeinde
vor Presbyteriumsmitgliedern, Gemeindegliedern und Theologen neun
Faktoren, die seines Erachtens zu einer wachsenden Kirche beitrügen,
wenngleich sich Wachstum unter der Herrschaft Gottes nicht machen
ließe. Wachstum bezog er dabei aber nicht nur auf die Menge, sondern
auch auf Tiefe und Qualität.  

Als einen bedeutenden Wachstumsfaktor nannte
der Referent das Ergriffensein von einer Vision für die Gemeinde,
entstehend aus biblischen Hoffnungsbildern. Die Kirche lebe nicht
von Macht, Einfluss und Kirchensteuern, sondern aus der Wirklichkeit
Gottes.

Zudem, so der Theologe, sei die Kirche auf
Beziehungen gegründet und gebaut – auf Gottes Beziehungen zu den
Menschen und den Beziehungen untereinander. Die Pflege der Beziehungen
sei eine lebenserhaltende Maßnahme einer Kirche, die wachsen wolle.
Und dies lasse sich am besten in kleinen Gruppen, in Zellen praktizieren,
die sich gegenseitig trügen. Solche Zellen teilten sich, wenn sie
zu groß würden. So wachse Kirche weltweit.
 

 

Der Leiter des Pastoralkollegs der westfälischen
Kirche plädierte für ein neues Pfarr- und Gemeindebild. Es gehe
nicht an, dass der Pfarrer gleichzeitig den Chor leite und mitsinge,
die Mannschaft trainiere und die Tore schieße. Es gelte, in den
Gemeinden die verschiedenen Charismen zu entdecken und die geistliche
Leitungsverantwortung gemeinsam wahrzunehmen.Als Wachstumsfaktor
der Gemeinde benannte er Mission und Kultur. Es sei und bleibe Aufgabe
der Kirche, so Böhlemann, in alle Welt zu gehen und den Missionsauftrag
umzusetzen. Dazu gehöre auch zu lehren. Missionsauftrag und Bildungsauftrag
gehörten zusammen. Die Menschen hätten einen Anspruch darauf, zu
wissen, zu verstehen und zu erleben was Glauben bedeute. Böhlemann:
„Der missionarische Erfolg von Kirche ist nicht primär von Geld
und Mitgliederzahlen abhängig. Geld kann wie Doping wirken. Es pumpt
kurzfristig die Muskeln auf und ruiniert langfristig die Gesundheit.“
Die Kultur des Evangeliums bezeichnete er als angstfrei, visionär,
gastfreundlich und festlich, partizipatorisch und kinderfreundlich.


(Foto
Karlfried Petri)

Der gebürtige Neunkirchener Pfarrer Dr. Peter
Böhlemann, Leiter des Pastoralkollegs der westfälischen Landeskirche.


Besonders betonte der Pfarrer als Wachstumsfaktor
geistliche Leitung und Teamarbeit. Dazu gehöre auch, die Bedeutung
der biblischen Botschaft für die gegenwärtige Situation und die
kirchliche Struktur aufzuzeigen. Geistliche Leitung habe eine Vision
von der Richtung, in der sich Kirche entwickele, sie habe eine Inspiration
von dem, was Gott wolle. Sie kontrolliere nicht, sondern ermögliche,
befähige und setzte frei. Leitung in der Kirche sorge für Transparenz
und Kommunikation, achte auf das „Wie“ der Veränderungsprozesse.
Sie ermögliche Partizipation und gebe Hoffnung, Richtung und Motivation.

Weitere Wachstumsfaktoren seien die Armut
als Herausforderung wahrzunehmen, aber auch Gottesdienste mit ihrer
therapeutischen Kraft neu zu entdecken. Der Referent sprach sich
dafür aus, behutsam neue Formen auszuprobieren, ohne das Alte aufzugeben.
Nicht zuletzt betonte Böhlemann die Macht des Gebetes: „Beten Sie
mit und füreinander. Gebet ist nicht unsere letzte Chance, – es
ist unsere einzige Chance.“

Nach dem Vortrag war Raum für Rückfragen,
Anregungen und Diskussion. Altkirchmeister Erhard Krämer war überzeugt,
dass man sich über Strukturen nicht mehr zu unterhalten brauche,
wenn die innere Erneuerung nicht gelinge. Altsuperintendent Ernst
Achenbach machte deutlich: „Was wir haben, ist das Wort Gottes.
Was wir brauchen, sind Geist erfüllte Persönlichkeiten, die das
Wort predigen.“ Ergänzend dazu Peter Böhlemann: „Es reicht nicht,
nur richtig zu predigen in der Hoffnung, dass dann die Kirchen wieder
voll werden. Man muss auch die Lebensgewohnheiten und das Freizeitverhalten
der Menschen zur Kenntnis nehmen.“

Superintendentin Annette Kurschus sah eine
Gefahr darin, dass innerhalb der Kirche die, die Visionen hätten,
gegen die ausgespielt würden, die für die Verwendung des Geldes
und die Gestaltung von Strukturen zuständig seien. Beides müsse
zusammengebracht werden.

Wohin kann und soll sich die Volkskirche entwickeln?
Diese Frage habe sich auch der Kirchenkreis Wittgenstein gestellt,
berichtete Pfr. Dieter Kuhli, Vorsitzender der Trägerkreises der
Reformierten Konferenz Südwestfalen. Hier sei man zu der Auffassung
gelangt, eine mündige Beteiligungskirche im ländlichen Raum anzustreben.

kp