An größeren Geschenken gingen ein: von der
Provinzialsynode 2.400,- Mark, von der SAG 2.500,- Mark, von der
Bremerhütte 1.500,- Mark, von den Geisweider Eisenwerken 15.500,-
Mark, von der Grube “Neue Haardt” 100,- Mark, von Direktor Weinlig
(Eisenwerke) 500,- Mark, von Geheimrat Dresler in Kreuztal 500,-
Mark, von der politischen Gemeinde Klafeld ein Drittel der Turmuhrkosten
mit 336,- Mark, schließlich ein Legat von Frl. Luise Stein in Dillnhütten
für Orgel und das mittlere Chorfenster in Höhe von 8.000,- Mark.
Die Kirchengemeinde war gezwungen, eine Anleihe in Höhe von 76.500,-
Mark aufzunehmen. Der Restbetrag dieser Anleihe erledigte sich mit
der Inflation im Jahre 1923. Erstaunlich bleibt die ungeheure Leistung,
die die junge Kirchengemeinde mit diesem Bauwerk erbracht hat. Beachtlich
ist die Spendenbereitschaft in der Arbeitergemeinde und die Mobilisierung
breiter Bevölkerungsschichten. Hier ist sicher an erster Stelle
Pfarrer Heinrich Bergmann zu nennen, der von 1892 bis 1922 als Seelsorger
in Geisweid wirkte. Beim Kirchbau stand ihm eine gewählte Baukommission
zur Seite, der vom Presbyterium Handlungsvollmacht erteilt war.
Diesem Gremium gehörten an: Kirchmeister Karl Heinbach, die Presbyter
Julius Textor und Karl Jung, die Repräsentanten (Gemeindevertreter)
Wilhelm Steffe, Artur Gotschalk, Karl Giebeler, der Gemeindevorsteher
(Bürgermeister) Karl Dilling und Heinrich Lohenner. Pfarrer Bergmann
führte den Vorsitz. Der Architekt Gustav Mucke nahm mit beraten
der Stimme an den Sitzungen der Kommission teil. “Sie hat in einer
Unzahl kurzer und langer Sitzungen mit rührender Treue und unter
einstimmiger Anerkennung ihres Amtes gewaltet. Der Erfolg hat ihre
Mühen belohnt” (Pfr. Bergmann). Für die Inneneinrichtung stifteten
die Hebammen den Taufstein, die Presbyter und Repräsentanten (Kirchenvertreter)
die Kanzel und den Altar. Die Kaiserin schenkte zur Einweihung die
Altarbibel und der Evangelische Arbeiterverein die Kanzelbibel.
Die Pläne für den Kirchbau stammten von dem
renommierten Hagener Architekten Gustav Mucke, der auch die Bauleitung
hatte. Dieser baute zeitgleich eine neue evangelische Kirche in
Dortmund – diese zeigt bis in Details große Ähnlichkeit mit der
Talkirche. In Geisweid baute Mucke außerdem das Haus Lohenner in
der Bodelschwinghstraße und das Haus Flender (heute Hagen) in der
Sohlbacher Straße. Die Baukommission war bemüht, möglichst ortsansässige
Handwerker am Kirchbau zu beteiligen. Aus den Bauakten zu ermitteln
sind: Fa. Johannes Schmeck (Maurerarbeiten), Fa. Hermann Bender
(Zimmerarbeiten), Fa. Römer (Dachdeckerarbeiten), die Firmen Busch,
Kappest, Moll, Brückner, Bode und Giesler (Schreinerarbeiten), die
Firmen Heinrich und Dornseifer (Klempnerarbeiten), die Firmen Grüdelbach
und Irle (Schlosserarbeiten). Der leitende Architekt Mucke fasste
die örtlichen Handwerker offensichtlich hart an und führte ein straffes
Regiment. Zwischen bei den Parteien kam es öfters zu Unstimmigkeiten.
Nach Beendigung der Bauarbeiten machten die Handwerker sich Luft
in einem sarkastischen Gedicht, in dem es u.a. heißt:
Se wolle no e Klage-feld en
nöuje Kir che bauje. “Ihr Jonge, mir ha zemlich Geld, mir
wonn itzt speln dr Schlauje! Mit mosse ha nen Architekt, os
Handwerkern ha Nubbe, dä hält se ehjer em Respekt, da konn
die sich net mucke."
Op aimoal koam dr
Architekt gemötlich ahgestewwelt. “Ich weiß net, trenkt dä
Ma och Sekt, mir schint dä ahgenewwelt!" “Eh ich mich
all den Herrn stell vor, ich erst noch einen schlucke: Handwerker,
packe ich am Ohr! Ich bin Architekt Mucke!"
Doa koam och noch
vam “Berg” en “Ma”, on woll noch helfe dröcke, doch hä verstonn
gar nix doava, nur soll sich jeder böcke: “Ihr Handwerker,
reicht billig ein, damit nicht zu ihr gucket, von auswärts
Konkurrenz kommt rein, die Entscheidung hat Herr Mucke."
“Der Mörtel, Maurer,
scheinet mir, der ist ja ein zu sieben, so hab ich beim Vergeben
dir, die Sach’ nicht vorgeschrieben!" “O, Hannes, du
muurscht sost so got, wat jeder kan begucke: doch itzt em
Spießfaß lejt din Hot, en fort jät dich dr Mucke".
Die Zemmerlüh om
hohe Turm, wat moßte di doch kroatsche, on wenn och grad’
net bels dr Sturm, mr konn doch ronner latsche. At Trenkgeld
doachte se em Hirn, se woll’nt bim Rechtfest schlucke, gehostet
– et goaw “Böffelsbirn”, dat Deng, dat hät sin Mucke.
Dr Klempner doachte
obgewäckt: “Ech mache gore Renne on loaße mich vam Architekt net
ahböffeln on schänne." On doch blufft en dä Karle a, als
wöll hä än verschlucke. Bim Bier glas sät dr Klempner schma: “Wat
es de Welt voll Mucke!”
Va wierem koam dr
Glockema bet dä bekränzte Glocke, dä leß sich net so bluffe
a, wie Schöäfersch Katz vom Dogge. De Glockeklonge d, fis,
a, ganz herrlich durch de Lucke, du reist hä heim noa Apolda, he
blew dr Hagener Mucke.
Mr hatte och en
Baukommissioa, die woll doch och war schwätze. Dr. Architekt
schwinn säate doa: “Hier könnt ihr euch hin setzen, ihr dürft
nur von weitem euch die Arbeit schon angucken; denn, kommt
ihr mir in mein Revier, dann fang’ ich an zu mucken."
En schöane Kirche
wur geboujt, dat es net abzestriere, die Handwerker ha sich
geplaujt, woarn fertig och biziere, nur woarn so al berenaij
verkoart, hatte det Herz voll Mucke, dän Architekt am Kircheort woll’n
se net me ahgucke.
Ihr Handwerkslü,
wenn öwer lang de Kircheglocke lüre, da sätzt auj op de Kirchebank, vergeßt
die Drangsalziere, dankt Gott, dat et geroare schöar, dat
Werk lößt sech begucke! En jeder goaw sin bestes her, ihr
on ouj Architekt Mucke!
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Vor 100 Jahren:
Glockenweihe in Geisweid
In diesem Jahr feiern wir das einhundertjährige
Jubiläum der Talkirche. Das ist uns Anlass, an das Geschehen vor
genau 100 Jahren zu erinnern. Am 22. Januar 1906 erfolgte die feierliche
Einholung der neuen Kirchenglocken. Gegossen wurden sie von der
bekannten und renommierten Glockengießerei Franz Schilling in Apolda
in Thüringen und waren auf die Töne d, fis und a gestimmt.
Mit einem
Bahntransport trafen sie auf dem Geisweider Bahn hof ein. Dort lud
man sie auf hohe Wagen des Fuhrunternehmers Eberhard Brücher. Anschließend
wurden die Glocken, die Wagen und die Zugpferde reich bekränzt und
geschmückt. Die Schulkinder der Klafelder, Geisweider und Birlenbacher
Schule bildeten ein Spalier vom Bahnhof bis zur neuen Kirche. Eine
große Menschenmenge versammelte sich an den Straßen und vor der
Kirche, um dem Geschehen beizuwohnen. An der Spitze des feierlichen
Zuges gingen das Presbyterium und die Repräsentanten (Kirchenvertretung)
und Pfarrer Bergmann im Talar. Es herrschte kaltes, klares Winterwetter.
Vor der Kirche an gekommen stieg Pfarrer Bergmann auf den Wagen
neben die große Glocke und stimmte das Lied “Du, meine Seele, singe”
an, las den 100. Psalm und sprach – nach verschiedenen Liedvorträgen
der Schulkinder – über 1. Kor. 13, 13: “Nun aber bleiben Glaube,
Hoffnung, Liebe; aber die Liebe ist die größte unter ihnen”. Diesem
Vers waren die Namen der Glocken entnommen. Die größte Glocke trug
den Namen “Glaube”, war auf d gestimmt, wog 32 Zentner und hatte
einen Durchmesser von 1,39 m. Auf ihr fand sich die Jahreszahl Anno
Do mi ni MDCCCCV (1905) und die Inschriften “Kommt, denn es ist
alles bereit. L.UC. 14,17" und ”Gen Himmel schweb’ ich, zum
Himmel heb’ ich des Menschen Herz; das Leben weih’ ich, die Klänge
leih’ ich zu Freud und Schmerz". Die mittlere Glocke, die fis-Glocke,
wog 15 Zentner und hatte einen unteren Durchmesser von 1,08 m. Sie
trug den Namen “Liebe” und die Inschriften “Die Liebe hört nimmer
auf. 1. Kor. 13,13" und ”Zum Tagwerk weck’ ich, am Abend wink’
ich zu sanfter Ruh; den Festtag grüß’ ich, die Jugend führ’ ich
dem Altar zu". Die kleinste Glocke, auf a gestimmt, wog 9 Zentner
und hatte einen Durchmesser von 0,90 m. Sie zeigte die Inschrift
“Hoffnung” als Name und die Worte “Hoffnung läßt nicht zu schanden
werden. Röm. 5, 5" und ”Zur Hilfe läut’ ich, zur Andacht lad’
ich der Christen Chor; um Tote klag’ ich, Gebete trag’ ich zu Gott
empor".
Der Kirchmeister Carl Heinbach war zuvor zu Metall-
und Klangproben in Apolda gewesen und mit sehr günstigen Resultaten
zurückgekommen. Der Glockensachverständige hatte die Tonreinheit
und die Tonfülle als sehr befriedigend bewertet. Pfarrer Bergmann
schrieb später: “Unser Geläute wurde und wird allgemein für eins
der schönsten und besten des Siegerlandes erklärt”. Der Gesamtpreis
für die Glocken, Fracht, Glockenstuhl und Montage betrug 6.532,35
Mark. Die Glocken wurden in den folgenden Tagen außen am Turm in
die Höhe gezogen und in den eisernen Glockenstuhl gehängt. Es wurde
zu einem großen Ereignis im Ort, als am 27. Januar 1906 – dem Geburtstage
des Kaisers – die Glocken erstmals geläutet wurden. Zu gleich schickte
man S. Majestät ein Huldigungstelegramm nach Berlin. Pfarrer Bergmann
war ein großer Patriot und von Herzen Monarchist. Die Glocken erklangen
dann nochmals am da rauffolgen den Sonntag und am 27. Februar zur
Feier der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares. Nun schwiegen sie
bis zum Vorabend der Kirchweihe am 11. Juli 1906.
Leider konnten
sich die Geisweider und Klafelder nicht lange erfreuen an ihrem
schönen Geläute: schon 1917 mussten die große und die mittlere Glocke
für Kriegszwecke abgeliefert werden. Seit 1919 hängen nun drei Gussstahlglocken
des Bochumer Vereins im Turm der Kirche. Sie tragen u.a. die Inschrift
“Als Bronze mußt’ gehn ich in ehrener Zeit”. Leider sind sie nicht
so wohltönend wie ihre vielgerühmten Vorgänger. Immerhin stehen
sie mittlerweile schon 86 Jahre im Dienst.
Burkhard Schäfer
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