Auf ein Wort…. Januar/Februar 2005

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie reagieren Sie, wenn jemand zu Ihnen sagt: „Ich bete für dich.“?
In mir löst dieser Satz zwiespältige Gefühle und Erinnerungen aus.
Oft freue ich mich darüber, dass jemand an mich denkt und mich in
sein Gebet einschließt. Ich fühle mich eingebunden in eine Gemeinschaft,
gehalten und getragen. Ich kann mich glücklich schätzen, in der
Welt nicht allein zu sein. Manchmal bin ich aber auch unangenehm
berührt. Kennen die anderen mich so gut, dass sie für mich beten
können? Woher wissen sie so genau, was ich gerade brauche? Oder
drücken sie mir im Gebet nur ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen
auf? Als Jugendliche habe ich das in Gebetsgemeinschaften erlebt,
und noch heute kriege ich Beklemmungen, wenn ich daran denke.
 

Ob Petrus es wohl auch anmaßend fand, dass Jesus zu ihm sagte:
„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“? Dass
sein Glaube je aufhören würde, konnte Petrus sich bestimmt nicht
vorstellen. Er war doch Feuer und Flamme für Jesus, war sogar bereit,
für seinen Glauben zu sterben. Niemals würde er Jesus im Stich lassen.
Davon war er fest überzeugt. Als Jesus andeutet, dass sein Glaube
schon bald auf den Prüfstein gestellt wird, ist Petrus empört und
beteuert seine Treue. Noch in derselben Nacht wird er seinen Herrn
dreimal verleugnen und bitterlich darüber weinen. „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“
Jesus betet nicht darum, dass Petrus die Versuchung erspart wird.
Dass er der starke Glaubensheld bleibt, für den er sich selbst hält.
Er macht ihm aber auch keine Vorwürfe und fordert ihn nicht auf,
seinen Glauben mutiger zu bekennen. Er weiß, dass Petrus versagen
wird, lässt ihn aber in seiner Schwäche nicht allein, sondern betet
für ihn und gibt ihm sogar noch den Auftrag, seine Brüder zu stärken.

 

Erst der geprüfte Glaube ist ein gestärkter Glaube. Ein Glaube,
der auch andere stark machen kann. Schwach sein und stark werden
gehören zusammen. Denn das Neue entsteht aus dem, was im Alten nicht
gelungen ist.

Das wäre doch ein guter Vorsatz für das neue Jahr: füreinander
zu beten – so wie Jesus für Petrus gebetet hat. Also nicht, indem
wir uns gegenseitig bloßstellen und uns zu verstehen geben: Bei
dir ist etwas nicht in Ordnung. Du bist nicht fromm genug. Du glaubst
nicht richtig. Sondern indem wir einander etwas und Gott alles zutrauen.
Dann muss der Satz „Ich bete für dich.“ auch kein ungutes Gefühl
mehr hinterlassen. Im Vertrauen darauf, dass Gott mich auch in meiner
Schwäche liebevoll und barmherzig ansieht, kann ich gelassen antworten:
„Tu das!“

Almuth Schwichow