Auf ein Wort ….

 

Wir haben hier keine bleibende
Stadt,
sondern die zukünftige suchen wir.

Hebräer 13, Vers 14

Der
Augenblick, an dem ein Schlüssel endgültig übergeben wird, berührt
einen schon besonders. Wenn das Haus leer geräumt ist, der Möbelwagen
abfährt und der Schlüssel der Wohnung an den Nachmieter überreicht
wird. Kennen Sie solche Momente auch? Bilder fallen einem dann ein:
von den Weihnachtsfesten mit der Familie im überhitzten Wohnzimmer,
das Quatschen mit Freunden in der Küche in mitten von schmutzigem
Geschirr, das Ringen um gute Einfälle im Arbeitszimmer und das Toben
der Kinder im Kinderzimmer. Wenn nach all diesen Jahren dann der
Haustürschlüssel in andere Hände gelegt wird, ist dieser Lebensabschnitt
körperlich spürbar vorbei mit den bekannten Begleiterscheinungen:
Karge Worte und  der Kloß im Hals.

Solche „Schlüsselmomente“
erleben wir aber nicht nur, wenn wir die Wohnung wechseln. Sie gehören
zum Leben einfach dazu: wenn das Kind erstmals am Tor der Kita noch
einmal tapfer den Eltern winkt; wenn junge Leute nach dem Abitur
ins Studium gehen; wenn wir alte Überzeugungen schweren Herzens
loslassen müssen; wenn der Ruhestand eintritt und die neue Leere
nach 6 Wochen folgt….Es gibt viele Beispiele für solche „Schlüsselmomente“.

Die Jahreslosung
beschreibt sie als grundlegend für unser Leben: „Wir haben hier
keine bleibende Stadt…“ Wie wahr: Kaum fühlen wir uns an einem Ort
oder in einem Lebensabschnitt beheimatet, bleibt das nicht von Dauer.
„Es muss das Herz bereit zum Abschied sein und Neubeginne.“ So beschrieb
es Hermann Hesse in seinem berühmten „Stufen“-Gedicht. Aber entgegen
einer Melancholie des Vergehens und einem Gefühl, dass wir Altvertrautes
immer nur verlieren, richtet der Hebräerbrief unseren Blick entschlossen
nach vorn. Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir. Das über mittelt der Briefschreiber einer Gemeinde,
die das Gefühl hatte, dass früher irgendwie alles besser war. Da
waren die Kirchen voller, der Glaube selbstverständlicher, die Gegenwart
Gottes eindeutiger zu spüren, meinten sie. Jetzt war man müde und
verließ die Versammlungen. Für einen Blick in die Zukunft reichte
die Kraft nicht. Gegen dieses Verlustgefühl weitet der Hebräer den
Horizont auch unseres Glaubens. Er malt Jesus Christus uns gerade
dann vor Augen, wenn wir aufbrechen und dabei ein ehemaliges Heimatgefühl
heute vermissen. Ihnen zeigt er Christus als den, der „gestern,
heute und derselbe auch in Ewigkeit“ ist und der uns eine dauerhafte
Heimat schon bei Gott erwirkt hat. Zu ihm hin sind wir unterwegs
auf dem Lebensweg. In ihm haben wir

unseren Hauptwohnsitz.
Alle anderen Stationen, Adressen und Zeiten können immer nur Nebenwohnsitze
auf Zeit bleiben – lebt es sich darin noch so schön und intensiv.
Die Jahreslosung lehrt mich darum einen Blick, bei dem ich dankbar
jeden Augenblick leben darf aber nicht vergessen soll, wie kostbar
er ist, gerade weil er nur vorläufig bleibt. Er ist wie ein vergänglicher
Strauß aus Schnittblumen, an dem ich aber heute Freude haben darf,
obwohl er morgen schon welkt.

In den nächsten
Jahren werden wir in unserer Kirche wahrscheinlich immer häufiger
auf unsere innere Bereitschaft zum Aufbrechen befragt. Aber nicht
auf ein „immer weniger“ hin, sondern auf die zukünftige Stadt, zu
der er aufbrach und in der er längst auf uns wartet. Bis dahin gibt
es keinen Ort, an dem er uns nicht schon begegnen will. Christus
wird sich nicht verflüchtigen. Wir dürfen ihn neu und vielleicht
ungewohnt  erfahren in neuem Lebensabschnitt, in neuer
Herausforderung, in neuen  Zusammenhängen. So wünsche ich Ihnen
einen getrosten Blick auf das neue Jahr 2013 mit vielen überraschenden
Gottesbegegnungen und grüße Sie sehr herzlich als

Ihr Peter-Thomas Stuberg
Superintendent.