Alt werden ist nichts für Feiglinge

Gottesdienst zum Sonntag der Diakonie:

Alt werden ist nichts für
Feiglinge

„Kaum jemand
verließ die Kirche, ohne sich aufrichtig zu bedanken oder uns für
den gelungenen Gottesdienst zu gratulieren. Selbst am Montag erreichten
mich noch dankbare und zustimmende Telefonanrufe“, so Pfarrerin
Almuth Schwichow im Nachgang zu dem besonderen Gottesdienst am 14.
Oktober in der Talkirche. Auch von den anderen Mitgliedern des Diakonie-Ausschusses
war Ähnliches zu hören: „Eine überaus positive Resonanz!“
– „Viele Besucher waren wirklich angetan, sie haben sich sehr
angesprochen gefühlt.“

Pfarrerin Almuth
Schwichow und die Mitglieder des zuständigen Fachausschusses hatten
den Gottesdienst auch sorgfältig geplant und gewissenhaft vorbereitet.
Lesungen und Gebete, Lieder und Texte, die Predigt und das Interview
– alles sollte und musste aufeinander abgestimmt sein. Schon Psalm
90 mit seinen Ausführungen zur „Zuflucht in unserer Vergänglichkeit“
und die gesammelten Gedanken der Teammitglieder zu den Stichworten
„Alt ist, wer …“, „Im Alter fürchte ich mich vor
…“ und „Im Alter freue ich mich auf …“ führten
gleich hinein in die Thematik des Gottesdienstes. Dann das interessante
Interview von Pfarrerin Schwichow mit Dr. Horst Bach. Er ist seit
kurzem Vorsitzender des Seniorenbeirates der Stadt Siegen und bezog
während der Befragung engagiert Stellung gegen gängige Formen der
Altersdiskriminierung. Kritisch beleuchtete er auch Begriffe wie
„Senioren“ oder „Ruhestand“. Dr. Bach rief die
Gottesdienstbesucher dazu auf, sich frühzeitig mit dem eigenen Älterwerden
auseinanderzusetzen und auch im Alter aktiv zu bleiben.

Gleich im Anschluss
ein weiterer Höhepunkt: Presbyter Volker Mackenbach verlas einen
Brief eines alt gewordenen Menschen an seinen Sohn bzw. an seine
Tochter. Er bittet ihn/sie um Geduld, um Rücksicht, um Verständnis,
wenn er sich verändern und vergesslich und krank und gebrechlich
werden sollte, wenn er eines Tages nicht mehr leben möchte. Ergreifende
und aufwühlende Zeilen! Es stellt sich die Frage, wie Kinder und
Eltern miteinander umgehen sollen. In der Bibel finden wir dazu
folgende bekannte Weisung: „Du sollst deinen Vater und deine
Mutter ehren, auf dass dir´s wohl ergehe und du lange lebest auf
Erden.“ Noch deutlicher wird dies im Buch Jesus Sirach ausgedrückt:
„Nimm dich deines Vaters und deiner Mutter im Alter an. Betrübe
sie ja nicht, solange sie leben. Habe Nachsicht mit ihnen, wenn
sie kindisch werden, und verachte sie ja nicht im Gefühl deiner
eigenen Kraft.“

In der Predigt
griff Pfarrerin Schwichow dann noch einmal ganz direkt das Thema
des Gottesdienstes auf, einen Ausspruch der amerikanischen Schauspielerin
Mae West: „Alt werden ist nichts für Feiglinge.“ Sie führte
aus: „Im Rückblick auf unser Leben können wir erkennen, dass
Gott uns nie im Stich gelassen hat, und daraus Mut und Tapferkeit
schöpfen, um auch dem Alter gelassen entgegenzugehen.“ In den
abschließenden Fürbitten, vorgetragen von Friedhelm Bäcker, Edith
Kunze und Volker Mackenbach, wurde besonders für die alten Menschen
gebetet. Dass ihnen Verständnis entgegengebracht wird, dass sie
Wertschätzung und Achtung erfahren, dass sie nicht unter Bevormundung
und Abhängigkeit leiden müssen. Und: „Bewahre sie vor der Sorge,
nicht mehr gebraucht zu werden, und vor der Angst, den Herausforderungen
des Lebens nicht mehr gewachsen zu sein.“ Zum Schluss eine
allgemeine Bitte: „Schenke uns allen im Angesicht des Todes
die Zuversicht, dass wir von dir angenommen und bei dir geborgen
sind bis in Ewigkeit!“

Peter-Christian Rose