Auf ein Wort ….

 

Trautes Heim – Glück allein?

Jeder Mensch braucht
ein Zuhause, da sind wir uns wohl einig. Wer nicht völlig abgestumpft
ist, dem tun die Menschen leid, die in den Fußgängerzonen sitzen,
betteln und unter Brücken schlafen. Und erst recht tun uns die Menschen
in den Flüchtlingslagern leid, die wir in den Nachrichten sehen
– aus ihrer Heimat geflohen und verjagt, ohne Chance auf baldige
Rückkehr.

Uns geht es, Gott
sei Dank, anders. Wir haben ein Dach über dem Kopf – für uns allein
oder zusammen mit anderen. Und so gern wir verreisen mögen, wir
kommen doch auch gern wieder heim. Wir brauchen unsere vertraute
Umgebung. Wir finden dort Ruhe und Schutz vor dem, was uns umtreibt
und auf uns einstürmt. Keiner gibt gern sein trautes Heim auf und
sucht sich ein neues Zuhause. Denn jeder Umzug ist auch ein Abschied.
Und je älter wir werden, desto schwerer fällt uns das.

Aber trotzdem:
unser Zuhause ändert sich im Lauf unseres Lebens. Ich zum Beispiel
war etliche Jahre im Ruhrgebiet, habe mich dort zunehmend wohl gefühlt,
Freundschaften geknüpft, mich ausgekannt. Als ich dann zurück ins
Siegerland kam, musste ich mich erst wieder neu orientieren, obwohl
ich hier ja schon mal zu Hause war, musste Erinnerungen auffrischen,
Veränderungen wahrnehmen, mich auf neue Leute einstellen.

Andere sind nur
notgedrungen aus ihrer alten Heimat weggegangen – als Flüchtlinge
und Vertriebene nach dem Krieg oder als Aussiedler in späteren Jahren.
Und die hatten es viel schwerer, im neuen Zuhause wirklich heimisch
zu werden. Sie mussten den Verlust verarbeiten, eine neue Existenz
aufbauen und vor allem bei den Alteingesessenen akzeptiert werden.

Aber selbst diejenigen,
die immer in Geisweid und Umgebung zu Hause waren, haben miterlebt,
wie sehr sich ihre Heimat verändert hat: neue Siedlungen wurden
gebaut und sind schon wieder in die Jahre gekommen, Fabriken und
Bürogebäude wurden errichtet und wieder abgerissen, ganze Straßenzüge
sind der HTS zum Opfer gefallen. Und noch mehr als das Äußere hat
sich die Lebensweise verändert. Wenn ich mir ansehe, wie junge Leute
heute leben, kommt mir als Endvierziger schon vieles fremd vor –
wie muss es da erst den 70-, 80-Jährigen gehen!

Ich denke, so
ist es immer: Unsere Heimat mag uns vertraut sein, und doch verändert
sie sich ständig, auch wenn uns das nicht gefällt. Trautes Heim
– Glück allein? Wohl doch eher nicht!

Es passt dazu,
dass auch die Bibel ein eher gebrochenes Verhältnis zur „Heimat“
hat. Schon Abraham bekommt von Gott gesagt: „Geh aus deinem Vaterland.
Verlass deine Verwandtschaft und geh in ein Land, das ich dir zeigen
werde!“ Wenn Jesus ein Zuhause hatte, dann waren es die Menschen,
die mit ihm zogen. Aber einen Ort, wo er sich in Frieden schlafen
legen konnte, den hatte er nicht. Und im Hebräerbrief heißt es:
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen
wir.“

Früher sprach
man deshalb unter Christen davon, dass wir in dieser Welt nur „Gäste
und Fremdlinge“ sind. So reden wir heute kaum noch. Aber wir ahnen
doch, dass unser Gott kein bequemer Gott ist. Mit ihm zu leben heißt,
immer wieder zum Aufbruch bereit zu sein. Auch die Heimat, die wir
uns zu Lebzeiten schaffen, können wir nicht festhalten. Wir haben
immer noch ein Ziel vor uns, das letztlich nicht in dieser Welt
liegt. Die Zeit am Ende des Kirchenjahres erinnert uns jetzt wieder
daran.

Aber auch Gäste
und Fremdlinge brauchen ein Zuhause. Einen Ort, wo sie in Frieden
leben, Kinder großziehen und alt werden können, einen Ort, wo sie
von ihren Nachbarn akzeptiert und unterstützt werden. Das gilt für
uns als „Fremdlinge“ im geistlichen Sinne, die wir ein bleibendes
Zuhause nur bei Gott haben. Das gilt aber auch für die Fremdlinge,
die hier und jetzt unter uns leben: für die Menschen, die von anderswo
zu uns gekommen sind, zum Teil schon vor langer Zeit, und die hier
doch nicht wirklich zu Hause sind – nach unserem und ihrem eigenen
Empfinden. Manches wird uns aneinander wahrscheinlich immer fremd
bleiben. Aber diese Menschen müssen unter uns sicher wohnen und
sich darauf verlassen können, dass sie nicht angefeindet oder gar
misshandelt werden. Gerade wir Christen als „Fremdlinge“ in dieser
Welt sollten das wissen. Und wir sollten so handeln, wie das schöne
Lied „Aufstehn, aufeinander zugehn“ es uns nahe legt: „Dass aus
Fremden Nachbarn werden, das geschieht nicht von allein. Dass aus
Nachbarn Freunde werden, dafür setzen wir uns ein.“ Gott segne uns
dabei!

Ihr Pastor Klein