Gottesdienst für den neunten Sonntag nach Trinitatis
Text: Mt 13,44-46
Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkaufe alles, was er hat, und kauft den Acker.
Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Im Dezember 2020 haben wir uns ein Elektroauto gekauft. Das hatten wir sowieso irgendwann vor, aber eigentlich hätte es noch ein bisschen Zeit gehabt. Doch es gab damals gerade besonders hohe Zuschüsse für E-Autos und dazu wegen „Corona“ noch eine Senkung der Mehrwertsteuer. Die lief mit Jahresende ab. Also haben wir kurz entschlossen den Kauf noch vor Weihnachten durchgezogen. Das war ein bisschen stressig, aber wir haben dadurch eine Menge Geld gespart. Heute würde uns das Auto viel mehr kosten. Und so haben wir wieder mal die uralte Weisheit aller Schnäppchenjäger bestätigt, die da lautet: Bei günstiger Gelegenheit muss man zugreifen, ehe sie vorbei ist oder jemand anderes einem zuvorkommt.
Diese Weisheit hat auch Jesus schon gekannt. Und er nennt in seinen beiden kurzen Gleichnissen Beispiele dafür, die noch viel überzeugender sind als meine banale Auto-Geschichte.
Da findet jemand – vielleicht als Landarbeiter beim Pflügen, vielleicht auch einfach im Vorübergehen, aber auf jeden Fall völlig unvermutet – einen Schatz in einem Acker. Der genaue Wert dieses Schatzes wird uns nicht genannt, aber wir können davon ausgehen, dass der Finder durch ihn ein reicher Mann würde – viel reicher, als er je durch ehrliche Arbeit werden könnte. Das Problem ist nur: Der Acker gehört ihm nicht, demnach auch nicht der Schatz. Also was tun? Den Schatz zum Fundbüro bringen und hoffen, dass sich kein Besitzer meldet? Dem Eigentümer des Ackers Bescheid sagen und wenigstens mit einem ordentlichen Finderlohn rechnen? Beides ehrbare Verhaltensweisen, aber mit eher bescheidenen Gewinnaussichten. Nein, der Finder ist entschlossen, sich diese einmalige Chance nicht entgehen oder schmälern zu lassen. Er buddelt den Schatz unauffällig wieder ein, kratzt seine bescheidene Habe zusammen, um den Acker zu kaufen und hebt den Schatz dann als rechtmäßiger Eigentümer zur vollen eigenen Verwendung. Vielleicht ist dieses Vorgehen moralisch nicht ganz einwandfrei, aber es ist sicher und effektiv.
Und dann ist da der Kaufmann, der mit Perlen handelt. Die waren damals das Luxusgut schlechthin. Die Reichen und Schönen behängten sich damit noch lieber, als sie es heute tun. Und unser Kaufmann versteht sein Geschäft. Er weiß alles, was man über Perlen wissen kann und wie man damit Geld verdient. Also weiß er sofort Bescheid, als er auf die Perle aller Perlen stößt – schöner und kostbarer als alles, was er je gesehen hat. Diese Perle hat natürlich ihren Preis, aber sein erfahrener Blick sagt ihm, dass sie noch viel, viel mehr wert ist. Wenn er die einem Kenner mit zu viel Geld verkauft, kann er damit ein Vermögen machen, sich zur Ruhe setzen und sich für den Rest seiner Tage ein schönes Leben bereiten. Also gibt es nur eins: Alles, was er hat, zu Geld machen und diese eine Perle kaufen. Das sieht zwar riskant aus, aber er weiß, dass er es nicht bereuen wird.
Mit solchen Geschichten geht es Jesus natürlich nicht um die Frage: Wie werde ich Millionär? Wie alle seine Gleichnisse handeln sie vielmehr vom Reich Gottes, von der Welt des Friedens und der Gerechtigkeit, die Gott schaffen wird und die mit Jesus und seinem Wirken anbricht. An diesem Gottesreich teilzuhaben, ist für jeden Menschen von unendlichem Wert – viel kostbarer als ein Schatz im Acker oder als die wunderbarste Perle der Welt. Denn was Gottes Reich den Menschen bringt, ist Leben – gelingendes Leben auch in lebensfeindlicher Umgebung, heiles, unversehrtes Leben auch angesichts von Krankheit und Tod. Ewiges Leben, schon hier und jetzt, aber erst recht über den Tod hinaus. Für kein Vermögen der Welt kann man dieses Leben kaufen. Kein Einsatz, sei’s mit Körper, sei’s mit Geist, kann sich dieses Leben verdienen. Kein Fasten, kein Beten, kein Meditieren kann dieses Leben hervorbringen. Es gibt überhaupt keinen Weg, auf dem wir von uns aus zu diesem Leben gelangen könnten. Es fällt uns einfach zu. So, wie wenn man auf einem Acker plötzlich über einen Schatz stolpert. So wie unter lauter billigen Klunkern plötzlich die eine kostbare Perle aufleuchtet.
Das könnte nun allerdings bedeuten, dass es sich mit dem ewigen Leben so verhält wie mit dem Jackpot im Lotto: Millionen spielen mit, alle wollen den Hauptgewinn, doch nur einer kriegt ihn. So ist es aber nicht mit dem Leben, das Gott uns schenkt. Es fällt uns zu, wie gesagt. Aber es fällt uns genau dort zu, wo wir Jesus begegnen und mit ihm Gott selbst. Und es fällt jedem zu, der Jesus begegnet, nicht nur wenigen Auserwählten.
Und wo begegnet man Jesus heute, werden Sie jetzt vielleicht fragen? Nun, Sie begegnen ihm gerade jetzt, hier in diesem Gottesdienst. Denn wo auch immer wir uns in seinem Namen versammeln, ist er mitten unter uns. Das hat er uns versprochen. Wir sind ihm auch schon begegnet, als wir getauft wurden, als Gott uns zugesagt hat: „Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe.“ So hat er zu Jesus gesprochen, als er getauft wurde, so spricht er um Jesu willen auch zu uns. Wir begegnen ihm beim Abendmahl, wenn er so gewiss in unserer Mitte ist wie das Brot und der Wein. Und viele von uns werden sich an Gelegenheiten erinnern, bei denen er uns ganz unverhofft in unserem Alltag begegnet ist – durch Menschen, die uns Gutes getan haben, durch Erlebnisse, die uns ihm näher gebracht haben.
Wir merken also: Gelegenheiten gibt es genug. Der Schatz des Reiches Gottes, des ewigen Lebens liegt nicht tief vergraben oder auf dem Meeresgrund. Wir alle dürften schon oft in unserem Leben darauf gestoßen sein.
Aber das Entscheidende ist nun, dass wir diese Gelegenheiten auch entschlossen ergreifen, dass wir für uns annehmen und wahr sein lassen, was da auf uns zukommt. Für mich ist das nicht der berühmte eine Schritt, den wir tun müssen, nachdem Gott neunundneunzig Schritte auf uns zugegangen ist. Sondern es muss uns aufgehen, dass Gott längst alle hundert Schritte zu uns hin zurückgelegt hat. Es geht darum, dass wir den Schatz und die Perle für das halten, was sie sind. Hätte der Mensch auf dem Acker seinen Fund einfach für eine alte modrige Kiste gehalten oder der Kaufmann seine Perle für ein Billig-Imitat aus Hongkong, dann hätten sie die Gelegenheit verpasst. Aber das sind theoretische Möglichkeiten. Natürlich wäre jeder so neugierig gewesen, in eine vergrabene Kiste auch hineinzuschauen. Und natürlich kannte der Perlenkaufmann den Wert seines Fundes genau. Und wenn uns der Geist Gottes deutlich macht, dass mit Jesus, und nur mit ihm, das Leben selbst zu uns kommt, dann ist es doch gar keine Frage mehr, dass wir dieses Leben auch ergreifen. Daran hängt also alles, und damit hängt es wieder an Gott. Wir sollten nie aufhören ihn zu bitten, dass er uns den unendlichen Wert dessen begreiflich macht, was er uns schenken will. Dann wird er es auch tun, früher oder später.
Und dann? Der Mensch auf dem Acker und der Kaufmann verkauften alles, um ihren Schatz erwerben zu können. Den vollen Wert hätten sie natürlich nie aufbringen können, aber sie waren bereit alles dranzusetzen, was sie hatten. Tun auch wir das für das Leben, das Gott uns schenkt? Setzen wir unsere Zeit und unsere Kräfte, unser Geld und unser Gut ein, um ihm für sein Geschenk zu danken? Es sollte uns ganz entscheidend dabei helfen, wenn wir uns immer wieder klar machen, was für einen unermesslichen und unersetzbaren Schatz wir als Christenmenschen hüten – für uns selbst und für andere. Er ist Gottes Geschenk, aber auch unsere Verantwortung. Also lasst sie uns wahrnehmen – geschickt wie der Mensch auf dem Acker, entschlossen wie der Perlenkaufmann und begleitet von Gottes gutem Geist. Dann wird das, was wir gewinnen immer viel größer sein als alles, was wir verlieren könnten. Amen.
Ihr Pastor Martin Klein