Predigt, Klafeld, Sonntag, 7. Februar 2021

PREDIGT FÜR DEN SONNTAG SEXAGESIMAE

Text: Lukas 8,4-8 und 11-15

Als eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu Jesus eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertre­ten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dor­nen; und die Dornen gingen mit auf und erstick­ten’s. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Eine große Menge war beieinander, heißt es. Von überall her ström­ten die Leute zu Jesus. Aber nur wenige hatten Ohren, die wirklich hörten. Die Zahl seiner echten Nachfolger blieb klein. Vor allem für sie hat Jesus wohl dieses Gleichnis erzählt. „Seid getrost“, sagt er ihnen damit, „es fängt klein an mit Gottes Reich, und vieles, was ich rede und tue, scheint verge­bens, aber Gott kommt doch ans Ziel.“ Denn auch wenn nur ein Bruchteil des Saatguts Frucht bringt: der hundertfache Ertrag – das Zehnfache selbst einer guten Ernte – macht die Verluste mehr als wett.

Zwei Generationen später war die Hoffnung Jesu schon ein gutes Stück vorangekommen. An vielen Orten gab es inzwischen christli­che Gemein­den. Aber auch sie machten wieder entmutigende Erfahrun­gen: Manchem ging der Glaube nach guten An­fängen wie­der verlo­ren, und Menschen, die sich für eine Weile zur Ge­meinde gehal­ten hatten, blieben wieder weg. Nun hörte man Jesu Gleichnis noch mal anders und gab ihm fol­gende Deu­tung:

Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ih­rem Herzen, damit sie nicht glau­ben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freu­den an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sor­gen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem fei­nen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Es ist gut, dass diese Deutung mit im Evangelium steht. Denn sie spricht die Situation an, die im Grunde auch noch unsere ist. Sie weiß darum, wie schwierig das mit dem Glauben ist: dass er bei vielen erst gar nicht zu­stande kommt, dass er bei vielen nur ein Stroh­feuer bleibt, dass er bei vie­len von anderen Dingen erstickt wird und dass er nur bei weni­gen echte Früchte trägt.

Vier verschiedene Typen von Menschen werden uns hier vorge­stellt. Es gibt sie wahrscheinlich nie in Reinkultur. Deshalb entdecken wir vielleicht in allen vieren etwas von uns wieder.

Da sind erstens die Weg-Typen. Für mich sind das die, die alles erst­mal kritisch durchdenken – auch das mit dem christlichen Glau­ben. Das ist ja auch gut und richtig. Nur wenn es dabei bleibt, dann wird aus dem kriti­schen Verstand so eine Art Teflon-Schicht. An der perlt alles ab, was in das Innerste gelangen möchte. Weg-Typen kön­nen deshalb über das Christen­tum bestens Bescheid wissen. Sie können die Bibel für großar­tige Literatur halten, mit Begeiste­rung Kir­chen besichtigen und Konzerte besu­chen und doch nie ein einziges Wort Got­tes in ihr Herz gelassen haben. Vielleicht sind Theologen sogar in der größten Gefahr, solche Weg-Typen zu sein. Deshalb sage ich mir und allen von Ihnen, die diesen Typ bei sich entdecken: Der Glaube will und soll unser Denken und Wissen erfassen, aber er ist mehr als das. Er will uns ganz durchdringen und verändern. Erst dann kann er wach­sen und Frucht bringen.

Dann sind da die Fels-Typen. Die sind das Ge­genteil von den Weg-Ty­pen. Denn bei ihnen kommt der Glaube ge­rade nicht über den Ver­stand, son­dern über das Gefühl. Fels-Typen wollen den Glauben nicht durchdenken, sondern erleben. Sie sind begeistert von Medita­tion und Kerzenschein, von Kirchenta­gen, Pilgerreisen oder Worship-Nächten. Von solchen Erlebnis­sen kommen sie beschwingt und vol­ler Enthusiasmus zurück und zehren auch noch eine Weile da­von. Aber die Hitze des Alltags oder eine Erleb­nis-Dürre wie die jet­zige lässt ihr frisches Glau­bensgrün verdorren. Entwe­der kommen sie dann zu dem Schluss, dass der Glaube für den Alltag nichts taugt, oder sie hetzen von einem Glaubens-Event zum nächsten, müssen die Dosis ständig steigern und verlieren allmählich den Kontakt zur Wirklich­keit. Auch ein solcher Glaube bringt keine Früchte, die wirk­lich nahr­haft sind.

Am weitesten verbreitet sind aber wohl die Dornen-Typen. Sie sind ge­tauft, konfirmiert und kirchlich getraut, schauen hier und da auch mal im Gottesdienst vorbei. Und siehe da: Es ist dadurch tatsächlich ein kleines Glaubens­pflänz­chen gewachsen. Doch es führt ein küm­mer­­­liches Schattenda­sein. Denn da gibt es ja so vieles, was es über­wuchert. Der Be­ruf, die Familie, die täglichen Sorgen – das so­wieso. Aber dann will man ja auch noch was für die Gesundheit tun und et­was von der Welt se­hen und das Leben genießen, und man tut das so, als hätte Gott mit alledem gar nichts zu tun. Also wird das Glau­bens­pflänz­chen zwar ab und zu gegossen – zu Weihnachten oder so – und man käme nie auf die Idee, es einfach auszurei­ßen und wegzu­wer­fen. Aber es welkt vor sich hin und gedeiht nicht wirk­lich. Dabei könnte es all die anderen Lebensinhalte befördern und befruch­ten, wenn man es nur ließe. Es könnte Kraft für die tägli­chen Pflichten und Ent­scheidun­gen geben, Krisen wie die jetzige bewältigen helfen, Lebens­freude vertie­fen und manches mehr. Aber dazu bräuchte es Platz zum Wach­sen, und den bekommt es nicht – schade!

Und schließlich sind da noch die Typen, die es eigentlich gar nicht gibt: die Gutes-Land-Typen. Es gibt sie deshalb nicht, weil der gute Bo­den an­ders als beim Acker nicht einfach da ist. Gott muss diesen Boden über­haupt erst in uns schaffen. Aber das will er tun. Bei uns allen kann das Wort Gottes auf gutes Land fallen, wachsen und Frucht bringen, wenn wir es nur lassen. Dann kann unser Glaubenspflänz­chen tiefe Wurzeln schla­gen, die niemand mehr heraus­reißen kann. Es kann aber auch die nötige Festigkeit und Biegsam­keit entwickeln, indem wir unseren Glauben immer neu durch­denken und ihn immer besser verstehen lernen. Und es kann schließlich hundertfache Frucht brin­gen, wenn wir erkennen, dass der Glaube nicht in eine Ecke unse­res Lebens gehört, sondern mitten hinein. Er kann und will in der lästigen Pflicht genauso zu Hause sein wie im rei­nen Vergnügen. Er trägt uns durch frohe und durch schwere Stunden. Und am Ende werden wir stau­nen über die große Ernte, die wir mit unserem Glau­bensleben eingefah­ren haben. Was wird das für ein Erntedankfest geben! Gott selber wird es mit uns feiern, und wir dürfen wir uns jetzt schon darauf freuen. Amen.

Ihr Pastor Martin Klein

Weitere Texte zum Sonntag Sexagesimae:

Wochenspruch:                      Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt
eure Herzen nicht.

Hebräer 3,15

Wochenpsalm:                       Psalm 119,89-92.103-105.116                                  

Atl. Lesung:                            Jesaja 55,6-12a

Evangelium:                           Lukas 8,4-15

Epistel:                                    Hebräer 4,12-13

Wochenlieder:             Herr, für dein Wort sei hoch gepreist (EG 19)
Gott hat das erste Wort (EG 199)