PREDIGT FÜR DEN SONNTAG SEXAGESIMAE
Text: Lukas 8,4-8 und 11-15
Als eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu Jesus eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Eine große Menge war beieinander, heißt es. Von überall her strömten die Leute zu Jesus. Aber nur wenige hatten Ohren, die wirklich hörten. Die Zahl seiner echten Nachfolger blieb klein. Vor allem für sie hat Jesus wohl dieses Gleichnis erzählt. „Seid getrost“, sagt er ihnen damit, „es fängt klein an mit Gottes Reich, und vieles, was ich rede und tue, scheint vergebens, aber Gott kommt doch ans Ziel.“ Denn auch wenn nur ein Bruchteil des Saatguts Frucht bringt: der hundertfache Ertrag – das Zehnfache selbst einer guten Ernte – macht die Verluste mehr als wett.
Zwei Generationen später war die Hoffnung Jesu schon ein gutes Stück vorangekommen. An vielen Orten gab es inzwischen christliche Gemeinden. Aber auch sie machten wieder entmutigende Erfahrungen: Manchem ging der Glaube nach guten Anfängen wieder verloren, und Menschen, die sich für eine Weile zur Gemeinde gehalten hatten, blieben wieder weg. Nun hörte man Jesu Gleichnis noch mal anders und gab ihm folgende Deutung:
Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.
Es ist gut, dass diese Deutung mit im Evangelium steht. Denn sie spricht die Situation an, die im Grunde auch noch unsere ist. Sie weiß darum, wie schwierig das mit dem Glauben ist: dass er bei vielen erst gar nicht zustande kommt, dass er bei vielen nur ein Strohfeuer bleibt, dass er bei vielen von anderen Dingen erstickt wird und dass er nur bei wenigen echte Früchte trägt.
Vier verschiedene Typen von Menschen werden uns hier vorgestellt. Es gibt sie wahrscheinlich nie in Reinkultur. Deshalb entdecken wir vielleicht in allen vieren etwas von uns wieder.
Da sind erstens die Weg-Typen. Für mich sind das die, die alles erstmal kritisch durchdenken – auch das mit dem christlichen Glauben. Das ist ja auch gut und richtig. Nur wenn es dabei bleibt, dann wird aus dem kritischen Verstand so eine Art Teflon-Schicht. An der perlt alles ab, was in das Innerste gelangen möchte. Weg-Typen können deshalb über das Christentum bestens Bescheid wissen. Sie können die Bibel für großartige Literatur halten, mit Begeisterung Kirchen besichtigen und Konzerte besuchen und doch nie ein einziges Wort Gottes in ihr Herz gelassen haben. Vielleicht sind Theologen sogar in der größten Gefahr, solche Weg-Typen zu sein. Deshalb sage ich mir und allen von Ihnen, die diesen Typ bei sich entdecken: Der Glaube will und soll unser Denken und Wissen erfassen, aber er ist mehr als das. Er will uns ganz durchdringen und verändern. Erst dann kann er wachsen und Frucht bringen.
Dann sind da die Fels-Typen. Die sind das Gegenteil von den Weg-Typen. Denn bei ihnen kommt der Glaube gerade nicht über den Verstand, sondern über das Gefühl. Fels-Typen wollen den Glauben nicht durchdenken, sondern erleben. Sie sind begeistert von Meditation und Kerzenschein, von Kirchentagen, Pilgerreisen oder Worship-Nächten. Von solchen Erlebnissen kommen sie beschwingt und voller Enthusiasmus zurück und zehren auch noch eine Weile davon. Aber die Hitze des Alltags oder eine Erlebnis-Dürre wie die jetzige lässt ihr frisches Glaubensgrün verdorren. Entweder kommen sie dann zu dem Schluss, dass der Glaube für den Alltag nichts taugt, oder sie hetzen von einem Glaubens-Event zum nächsten, müssen die Dosis ständig steigern und verlieren allmählich den Kontakt zur Wirklichkeit. Auch ein solcher Glaube bringt keine Früchte, die wirklich nahrhaft sind.
Am weitesten verbreitet sind aber wohl die Dornen-Typen. Sie sind getauft, konfirmiert und kirchlich getraut, schauen hier und da auch mal im Gottesdienst vorbei. Und siehe da: Es ist dadurch tatsächlich ein kleines Glaubenspflänzchen gewachsen. Doch es führt ein kümmerliches Schattendasein. Denn da gibt es ja so vieles, was es überwuchert. Der Beruf, die Familie, die täglichen Sorgen – das sowieso. Aber dann will man ja auch noch was für die Gesundheit tun und etwas von der Welt sehen und das Leben genießen, und man tut das so, als hätte Gott mit alledem gar nichts zu tun. Also wird das Glaubenspflänzchen zwar ab und zu gegossen – zu Weihnachten oder so – und man käme nie auf die Idee, es einfach auszureißen und wegzuwerfen. Aber es welkt vor sich hin und gedeiht nicht wirklich. Dabei könnte es all die anderen Lebensinhalte befördern und befruchten, wenn man es nur ließe. Es könnte Kraft für die täglichen Pflichten und Entscheidungen geben, Krisen wie die jetzige bewältigen helfen, Lebensfreude vertiefen und manches mehr. Aber dazu bräuchte es Platz zum Wachsen, und den bekommt es nicht – schade!
Und schließlich sind da noch die Typen, die es eigentlich gar nicht gibt: die Gutes-Land-Typen. Es gibt sie deshalb nicht, weil der gute Boden anders als beim Acker nicht einfach da ist. Gott muss diesen Boden überhaupt erst in uns schaffen. Aber das will er tun. Bei uns allen kann das Wort Gottes auf gutes Land fallen, wachsen und Frucht bringen, wenn wir es nur lassen. Dann kann unser Glaubenspflänzchen tiefe Wurzeln schlagen, die niemand mehr herausreißen kann. Es kann aber auch die nötige Festigkeit und Biegsamkeit entwickeln, indem wir unseren Glauben immer neu durchdenken und ihn immer besser verstehen lernen. Und es kann schließlich hundertfache Frucht bringen, wenn wir erkennen, dass der Glaube nicht in eine Ecke unseres Lebens gehört, sondern mitten hinein. Er kann und will in der lästigen Pflicht genauso zu Hause sein wie im reinen Vergnügen. Er trägt uns durch frohe und durch schwere Stunden. Und am Ende werden wir staunen über die große Ernte, die wir mit unserem Glaubensleben eingefahren haben. Was wird das für ein Erntedankfest geben! Gott selber wird es mit uns feiern, und wir dürfen wir uns jetzt schon darauf freuen. Amen.
Ihr Pastor Martin Klein
Weitere Texte zum Sonntag Sexagesimae:
Wochenspruch: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt
eure Herzen nicht.
Hebräer 3,15
Wochenpsalm: Psalm 119,89-92.103-105.116
Atl. Lesung: Jesaja 55,6-12a
Evangelium: Lukas 8,4-15
Epistel: Hebräer 4,12-13
Wochenlieder: Herr, für dein Wort sei hoch gepreist (EG 19)
Gott hat das erste Wort (EG 199)