Predigt Kirchengemeinde Klafeld via YouTube , 22.3. 2020

GOTTESDIENST FÜR DEN SONNTAG LAETARE („FREUET EUCH“)

Text: Jesaja 66,10-13

Manche werden sich vielleicht noch an dieses Bild erinnern. Im Herbst 2015 war es Teil einer Ausstellung mit Werken des Künstlers Eberhard Münch in unserem Gemein­dezentrum „mitten­drin“. Vier Wochen lang hing es dort an der Wand und hat mit seinen leuchten­den Farben die Blicke besonders auf sich gezo­gen.

Eberhard Münch hat es zur Jah­reslosung 2016 gemalt, zum Kernvers des heutigen Predigttex­tes: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Aber wie alle seine Werke trägt es keinen Titel. Es geht also nicht darum, was der Künstler uns sagen will, son­dern um das, was wir sehen und entdecken.

Ich sehe da erst einmal einen Sonnenuntergang über dem Meer an ei­nem lauen Sommerabend – vielleicht auch ein wärmendes Kamin­feuer im Winter. Eine vierfache Mutter fühlte sich dagegen sofort an den Leib ei­ner hochschwange­ren Frau erinnert. Und der Künstler selbst war von dieser Deutung überrascht, hatte er doch eher die wiegen­den Armbewegungen im Sinn gehabt, mit denen eine Mutter ein kleines Kind trägt und trös­tet. Verschiedene Menschen, verschie­dene Gedanken. Aber Stich­worte wie Wärme, Nähe und Geborgenheit spielen dabei immer eine Rolle.

Ein ungewöhnliches Bild also zu einem ungewöhnlichen Bibelwort. Denn so ist es nun mal: meistens gebraucht die Bibel männliche Bil­der und Vergleiche, wenn sie von Gott redet. Hirte, Richter, König, Vater: diese Begriffe haben unsere Vorstellung von Gott ge­prägt – so sehr, dass eine Konfirmandin, konfrontiert mit diesem Vers, völlig er­staunt feststellte: „Aber Gott ist doch ein Mann!“

Nein, ist er nicht. Gott ist Gott. Er ist weder Mann noch Frau, weder Vater noch Mutter, weder Hirte noch König. Alle diese Bilder sind hilfreich, wenn wir beschreiben wollen, wer Gott für uns ist und wie er ist. Aber wenn wir ihn auf eins dieser Bilder festlegen, dann kön­nen wir ihn damit nur verfehlen. Auch mit „tröstende Mutter“ ist Gott nicht angemessen und ausreichend beschrieben. Und doch bin ich froh, dass es in der Bibel auch diese weibli­chen Gottesbilder gibt – selten, aber dafür umso wertvoller. Denn in der Tat: Was kann man Schöneres und Größeres über Gottes Zuwen­dung sagen, als dass sie dem Trost einer Mutter gleicht? Wer könnte denn ein klei­nes oder auch ein großes Menschenkind besser trösten als eine liebe­volle Mutter? Ich habe es jedenfalls als Kind so erlebt und es als Vater neidlos zugeben müs­sen.

Die Menschen, zu denen der Prophet so spricht, haben diesen bestmög­lichen Trost auch bitter nötig. Sie sind aus dem Exil zu-rückge­kehrt ins zerstörte Jerusalem, um Stadt und Tempel wieder aufzubauen. Große Hoffnungen und Verheißungen haben sie im Gepäck, aber es geht nicht voran. Immer noch liegt alles in Trüm­mern, immer noch leben nur wenige Menschen in der einst volkrei­chen Stadt, immer noch haben fremde Herren das Sagen. Nichts ist zu sehen von der triumphalen Rück­kehr des Herrn zu seinem Heilig­tum auf dem Berg Zion. Nichts ist zu spüren von einer neuen Heils­zeit für Gottes Volk. Enttäu­schung macht sich breit.

Aber der Prophet redet dagegen an: „Habt Geduld“, mahnt er seine Leute. „Gott hat doch mit euch schon einen neuen Anfang gemacht. Es ist wie bei einer Schwanger­schaft: Das Kind, das Heil Gottes, ist schon unterwegs, ja die Nieder­kunft steht unmittelbar bevor. Sollte Gott es dann nicht auch zu Ende brin­gen, so wie nach langem War­ten, nach Mühen und Schmer­zen das Kind schließlich zur Welt kommt? Und dann ver­gleicht der Prophet Jerusalem mit einer schwan­geren Frau, die schon bald viele Kinder gebären wird. Es wird wieder Leben in die alten Mauern einziehen, und schon bald wird es den Bewohnern zu eng statt zu leer sein. Schon jetzt ruft er dazu auf, sich mit Jerusalem zu freuen, mitzujubeln über ihre neuen Mutter­freuden. Und schließ­lich überbie­tet er das Bild von der Mut­ter Jerusalem noch, indem nun Gott selber zur Mutter wird: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

Mit diesem Trost dürfen wir alle rechnen, seit wir durch Jesus mit zu Gottes Volk gehören. Nicht immer wird durch diesen Trost gleich alles gut. Damals in Mamas Armen war das aufgeschlagene Knie oder der erste Liebeskummer ja auch nicht gleich weg. Aber ihr Trost ließ uns zur Ruhe kommen und Zuversicht schöpfen, dass es wieder gut wird. So ist es auch mit Got­tes Trost. Er schafft nicht so­fort alles Leid und alles Böse aus der Welt und unserem Leben. Aber er richtet uns auf und gibt uns die nö­tige Stärke, damit wir mit dem Leid und dem Bösen leben und es irgend­wann überwinden können.

Vielleicht ist das gerade jetzt besonders wichtig. Denn der Kampf gegen das Corona-Virus sorgt ja nicht nur für nie gekannte Ein­griffe in unserem Alltag, sondern er beschränkt auch die üblichen Mittel, mit denen Menschen einander Trost spenden. Besuche bei Alten und Kranken unterliegen strikten Auflagen, Beerdigungen fin­den nur in kleinem Kreis steht, und man muss sich gut überlegen, wen man noch tröstend in den Arm nimmt, wenn man soziale Kon­takte eigent­lich meiden und bei den unvermeidlichen zwei Meter Abstand halten soll. Es ist keine Frage, dass wir das zu unser aller Wohl im Moment so akzeptieren müssen. Aber wenn in dem alten Prophe-ten­wort Wahrheit liegt, dann leben wir trotzdem nicht in trost-losen Zeiten. Denn der Trost unseres Gottes kennt keine geschlos­senen Grenzen und keine Quarantäne. Und er ist auch nicht weniger wirk-sam, wenn er nicht in unmittelbarem Kon­takt von Mensch zu Mensch vermittelt werden kann. Gott tröstet auch durchs Telefon, über Radio, Fernseher und Musikanlage oder via Internet. Er hält uns zusammen, auch wenn wir uns nicht treffen und nicht Gottes­dienst feiern können. Er hilft uns, miteinander in Kontakt zu blei-ben, aneinander zu denken und füreinan­der zu be­ten. Und weil vie­les von dem, was wir sonst für wichtig halten, ge­rade Pause hat, lässt er uns vielleicht auch entde­cken, was wirklich wertvoll ist und Bestand hat.

In diesem Sinne wünsche ich uns, dass wir heil und getröstet durch diese Tage und Wochen kommen. Möge unsere Mutter im Himmel uns liebevoll auf den Schoß und in die Arme nehmen. Möge unser Vater im Himmel seine Augen nie von uns wenden. Und bis wir uns wiedersehen möge Gott seine schützende Hand über uns halten. Amen.

Ablauf des Gottesdienstes

Begrüßung und Eingang

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich grüße Sie und euch herzlich, wo auch immer ihr gerade seid und euch das hier anschaut. Eigentlich wollten wir an diesem Sonn­tag die Einführung unserer neuen Presbyter feiern und zwei langjährige Mitglieder des Presbyteriums verabschieden – mit Or­gel, Kirchenchor und Sektempfang. Stattdessen stehe ich hier in einer leeren Kirche – Sie alle wissen, warum. Aber trotzdem kön­nen wir miteinander Gottesdienst feiern. Einerseits, weil es dafür dankenswerterweise technische Möglichkeiten gibt – und einsatzbe­reite Menschen, die sich damit auskennen. Andererseits – und das ist noch viel wichtiger – weil unsere Gemeinschaft in Jesus Christus und im Heiligen Geist nicht davon abhängt, dass wir uns physisch am gleichen Ort befinden.

Deshalb können wir diesen kurzen Gottesdienst miteinander fei­ern – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geis­tes. Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Him­mel und Erde gemacht hat, der Bund und Treue hält ewiglich und nicht preisgibt das Werk seiner Hände.

Die vierte Woche der Passionszeit, die heute beginnt steht unter einem Bibelwort aus Johannes 12: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber er­stirbt, bringt es viel Frucht.“

Das passende Lied dazu werde ich nun spielen. Den Text blenden wir dazu ein – zum Mitlesen oder auch zum Mitsingen.

Lied: Korn, das in die Erde (EG 98,1-3)

Lesung: Jes 66,10-14 (Predigttext)

Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie trau­rig gewe­sen seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trin­ken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust. Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie ei­nen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmen­den Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tra­gen und auf den Knien euch liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet wer­den. Ihr werdet‘s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras.

Lied: Jesu, meine Freude (EG 396,1-2)

Ansprache

Lied: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut (EG 326,5-6)

Fürbitten

Vater und Mutter im Himmel, wir begehen diesen Sonntag räum­lich getrennt, weil der Kampf gegen ein Virus uns voneinander fern hält. Wir wissen nicht, wie lange das noch so bleibt und wie schlimm es noch werden wird. Das bedrückt uns, macht uns Sorge und Angst. Wir können nichts Besseres tun, als das alles vor dich zu bringen: Schick uns deinen Trost und deine Kraft, da­mit wir diese Zeit durchleben können. Bewahre uns und mög­lichst viele Menschen vor Ansteckung. Gib uns Geduld und Zuver­sicht. Und zeig uns, was wir trotz aller Einschränkungen füreinan­der tun können.

Stärke alle, die gegen die Ausbreitung des Corona-Virus kämpfen: die Ärzte und das Pflegepersonal, die Fachleute in den Forschungsla­bors, die Verantwortlichen in Poli­tik und Wirtschaft, die Einsatzkräfte der Polizei und der Ar­mee, wo sie nötig sind. Be­wahre sie vor Überlastung und lass sie die richtigen Entscheidun­gen treffen und die dann auch Beach­tung finden.

Sei bei den Menschen, die noch viel schlimmer als wir betroffen sind: in Italien oder Spanien, erst recht in den Flüchtlingslagern auf Lesbos, in Syrien oder an der türkischen Grenze. Lass sie uns nicht vergessen trotz aller eigenen Sorgen. Und mach die Regierun­gen Europas endlich bereit, diesen Menschen beizu­stehen und sie vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Und lass uns alle die Zeit, die wir nun notgedrungen haben, nut­zen, um nachzudenken: Ob wir nicht doch viel mehr aufeinander angewiesen sind, als wir gemeinhin denken. Ob wir die Dinge, auf die wir gerade verzichten müssen, wirklich brauchen. Ob wir nicht gerade auf die harte Tour vermittelt bekommen, wie nichtig unser Streben nach immer mehr von allem ist. Ob es wirklich erst ein Virus und eine schlimme Wirtschaftskrise braucht, damit die Schöpfung mal aufatmen kann. Lass aus die­sem Nachdenken Ein­sicht wachsen, aus der Einsicht Umkehr und aus der Umkehr ei­nen neuen Anfang.

Und alles, was wir persönlich auf dem Herzen haben, bringen wir vor dich in einem Moment der Stille: […] Danke, dass du uns hörst!

Wir beten gemeinsam, wie Jesus Christus es uns gelehrt hat:

Vaterunser

Segen