Feierabendmahl zu Hause

für Gründonnerstag-Abend[1], 1. April 2021

Vorwort

Am 1. April ist Gründonnerstag, der Tag, an dem wir uns besonders an die Einsetzung des Heiligen Abendmahls erinnern. Gern hätten wir diesen Tag wieder mit einem Feierabend­mahl in der Wenschtkirche began­gen. Das ist nun leider auch in diesem Jahr nicht möglich, und das finde ich sehr schade. Denn gerade die­ser Gottesdienst ist mir persönlich einer der liebsten im Kirchen­jahr, weil man da mit allen Sinnen christlichen Glauben erleben und geistliche Gemein­schaft erfah­ren kann – eben „schmecken und sehen, wie freund­lich der Herr ist‘“ (Psalm 34,9).

Allerdings hängt dieses Erlebnis nicht davon ab, dass es in einer Kirche und in einem öffentlichen Gottesdienst stattfin­det. Im letzten Jahr habe ich deshalb einen unge­wöhnlichen Vorschlag gemacht und wieder­hole ihn jetzt: Feiern Sie am Gründonners­tag (oder am Karfreitag oder zu Ostern) doch einfach Abendmahl daheim – mit den Menschen, die dort mit Ihnen zusammenle­ben und die im Moment ja auch meistens zu Hause sind. Und machen Sie daraus ruhig eine richtige Feier – mit gutem Essen und Trinken, mit festlich gedecktem Tisch, aber auch mit Brot und Kelch. Denn in einer Not­situation wie der jetzigen darf nach evangeli­schem Verständnis je­des mündige Gemeindeglied das Abendmahl reichen. Und alle Getauf­ten, einschließlich der Kin­der, dürfen daran teilnehmen.

Wenn wir es so machen, sind wir übrigens ganz nah am Ursprung unseres Abendmahls. Denn nach den Evangelien sprach Jesus die Einsetzungsworte erstmals bei einem Passa­mahl. Und das jüdische Passamahl, die Seder-Feier, findet bis zum heutigen Tag zu Hause, in der Familie statt. Auch in diesem Jahr war es so, am letzten Samstagabend, trotz Corona-Virus. Wenn wir es diesmal ebenso machen, ist das also auch ein Stück christlich-jüdische Verbundenheit.

Und wie geht das jetzt konkret? Dazu gebe ich im Folgenden ein paar Anregungen. Im letzten Jahr habe ich einiges an positiven Rückmeldungen bekommen, und so hoffe ich auch dies­mal, dass Sie gute Erfahrungen damit machen. In jedem Fall wünsche ich Ihnen einen gesegne­ten Grün­donners­tag, einen ebensolchen Karfreitag und dann trotz allem ein frohes Osterfest!

Ihr Pastor Martin Klein

Vorbereitung

  • Nehmen Sie sich bewusst vor, diesen Abend mit den Menschen zu verbringen, mit denen Sie zusammenleben: Partner/Partnerin, Kinder, Eltern vielleicht, oder wer auch immer zu ihrer häuslichen Gemeinschaft gehört. (Auch wenn Sie allein leben, gibt es vielleicht jeman­den, mit dem oder der Sie sich treffen können.) Verabreden Sie sich rechtzeitig, da­mit sich alle für diesen Abend Zeit nehmen. Am besten bereiten Sie die Feier auch gemein­sam vor.
  • Bereiten Sie etwas Gutes zum Essen zu – egal was, Hauptsache es schmeckt allen Beteilig­ten.
  • Zum Trinken darf es für die Erwachsenen passend zum Abendmahl ruhig Wein sein (muss aber nicht) und für die Kinder Traubensaft, zur Ergänzung und zum Mischen Sprudel oder Stilles Wasser. Aber es kann natürlich auch andere Getränke geben.
  • Als Brot fürs Abendmahl eignet sich türkisches Fladenbrot, weil man es gut brechen kann. Es geht aber auch mit anderem Brot.
  • Decken Sie den Tisch festlich (Tischdecke, Servietten, Kerzen, Blumen …) – man soll merken, dass es sich um eine besondere Mahlzeit handelt.
  • Legen Sie das Brot für das Abendmahl auf einen besonderen Teller und füllen Sie den Wein bzw. Traubensaft in ein besonderes Gefäß (eine Karaffe o.ä.), aus dem man am bes­ten allen etwas ins Glas gießen kann.

Ablauf der Mahlfeier

Überlegen Sie vorab, wer die Rolle des Liturgen oder der Liturgin für die Abendmahlsfeier übernimmt. Es sollte mög­lichst jemand sein, der getauft und konfirmiert ist. Gebete und Lesun­gen können natürlich auch von anderen übernommen werden.

1.  Wenn alle am Tisch sitzen, eröffnet die Liturgin die Feier – entweder ganz schlicht:

„Wir feiern dieses Mahl im Namen Gottes,

des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“

– oder auch etwas ausführlicher:

„Wir feiern dieses Mahl im Namen Gottes, der uns liebt,

im Namen Jesu Christi, der Gottes Liebe zu uns gebracht hat,

und im Namen des Heiligen Geistes, der uns in Liebe verbindet. Amen.“

2.  Dann können Sie vielleicht etwas Kurzes miteinander singen, z.B. einen Tischkanon.

3.  Ein Abschnitt aus der Bibel über die Einsetzung des Abendmahls wird gelesen. Ich schlage dafür diesmal Matthäus 26,17-30 vor, weil es zugleich der Predigttext ist (s. Anhang).

4.  Je nachdem, wieviel Zeit Sie sich nehmen können oder wollen, kann sich daran ein Gedan­ken­austausch über den Text anschließen (Anregungen dazu im Anhang) oder eine An­dacht, die Sie vorlesen (eine von mir zu Matthäus 26,17-30 finden Sie ebenfalls im Anhang).

5.  Danach nimmt der Liturg den Brotteller  in die Hand und spricht dazu ein Gebet, z.B.:

„Wir preisen dich, Herr, unser Gott, König der Welt,

der du das Brot aus der Erde hervorbringst.

Wir preisen dich auch für das Leben,

das du uns schenkst durch Jesus Christus, deinen Sohn.

In ihm hast du alles Leid und alle Schuld der Welt auf dich genommen.

Du hast dich verhaften, misshandeln und verspotten lassen;

du hast unsere Gottverlassenheit ertragen und überwunden.

Wir essen dieses Brot und denken dabei an deinen Tod, der den Tod besiegt hat.

Und wie in diesem Brot viele einzelne Körner eins geworden sind,

so sind auch wir dabei eins mit allen Menschen, die zu dir gehören.

In dieser Verbundenheit beten wir gemeinsam, wie Jesus Christus es uns gelehrt hat:“

(alle sprechen gemeinsam das Vaterunser).

     Dann bricht die Liturgin das Brot und sagt:

„Jesus Christus spricht: Nehmt und esst!

Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“

Auch folgende, in möglichst einfachen Worten erklärende Formulierung ist möglich:

„Jesus hat gesagt: Nehmt und esst! Dieses Brot – das bin ich.

Das Brot wird zerbrochen, und ich werde sterben.

Aber wie das Brot euch gut tut, weil es satt macht und Kraft gibt,

so geschieht auch mein Tod für euch, zu eurem Besten.“

Die Liturgin reicht den Brotteller einem Tischnachbarn. Der bricht sich ein Stück ab, reicht den Tel­ler weiter und sagt evtl. dazu „Christi Leib, für dich gegeben“, „Friede sei mit dir“  o.ä. So geht es weiter, bis alle ein Stück Brot haben. Danach lassen Sie sich Zeit zum Essen und zum Nachdenken.

6.  Der Liturg nimmt das Gefäß mit dem Wein/Traubensaft und spricht ein Gebet dazu, z.B.:

„Wir preisen dich, Herr, unser Gott, König der Welt,

der du die Frucht des Weinstocks geschaffen hast.

Und wir preisen dich, Herr Jesus Christus!

Wenn wir diesen Wein/Traubensaft miteinander teilen,

bist du mit deiner Liebe mitten unter uns.

Du bist für uns gestorben und auferstanden,

um uns Leben und Freude in Fülle zu schenken.

Und du wirst mit uns zu­sammen von der Frucht des Weinstocks trinken,

wenn du kommst und allen sichtbar wird, dass du die Welt regierst.

Dafür preisen wir dich in Ewigkeit. Amen.“

Dann sagt er:

„Jesus Christus spricht: Nehmt und trinkt alle daraus!

Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut,

das vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“

Auch das alternativ nochmal in möglichst einfach erklärenden Worten:

„Jesus hat gesagt: Nehmt und trinkt alle davon!

Dieses Gefäß mit Wein/Traubensaft ist das Zeichen dafür, dass ihr zu Gott gehört.

So wie der Wein froh und lebendig macht,

so schenkt Gott euch durch meinen Tod neues Leben.

Nichts kann euch mehr von Gott trennen.“

 Der Liturg geht mit dem Gefäß herum und gießt allen etwas daraus ins Glas. Evtl. sagt er dazu: „Christi Blut, für dich vergossen“ o.ä. Lassen Sie sich dann wieder Zeit zum Trinken und Nachdenken.

7. Als Überleitung zum Essen und Trinken spricht jemand ein kurzes Tischgebet.

8. Lassen Sie sich nun Zeit für die gemeinsame Mahlzeit und zum Miteinanderreden.

9. Gehen Sie möglichst erst auseinander, wenn Sie die Mahlzeit mit einem Segensgebet be­en­det haben. Dem Segensgebet vorangehen kann eine kurze Zeit der Stille, in der alle ihre persönlichen Anliegen vor Gott bringen können.

Für das Segensgebet sind hier auch wieder zwei Vorschläge, einer eher klassisch litur­gisch, einer eher schlicht formuliert:

– EG 896 (Georg Christian Dieffenbach, 1853):

„Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden,

und der Tag hat sich geneigt.

Bleibe bei uns und bei deiner ganzen Kirche.

Bleibe bei uns am Abend des Tages,

am Abend des Lebens, am Abend der Welt.

Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte,

mit deinem heiligen Wort und Sakrament,

mit deinem Trost und Segen.

Bleibe bei uns, wenn über uns kommt

die Nacht der Trübsal und Angst,

die Nacht des Zweifels und der Anfechtung,

die Nacht des bitteren Todes.

Bleibe bei uns und allen deinen Gläubigen

in Zeit und Ewigkeit. Amen.“

– EG 908:

„Gott ist mein Licht, wenn es finster ist.

Er ist mein Schutz, wenn ich Angst habe.

Vor wem sollte ich mich fürchten?

Vor den Menschen? Gott ist stärker.

Vor dem Alleinsein? Gott ist bei mir.

Verlass mich nicht, zeig mir meinen Weg, begleite mich.

Wenn du bei mir bist, habe ich Mut.

Wenn du mir hilfst, bin ich stark.

Du, Gott, bist mein Licht, wenn es finster ist,

und mein Schutz in der Nacht.

Segne und behüte mich! Amen.“

Vielleicht kennen Sie noch ein Abendlied, von dem Sie zum Abschluss ein, zwei Stro­­phen singen können. Danach können Sie den Abend ruhig und friedlich aus­klin­gen lassen.

Anhang 1:

Austausch über Matthäus 26,17-30 (angelehnt an die Methode „Bibel teilen“):

17 Aber am ersten Tag der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und sprachen: „Wo willst du, dass wir dir das Passalamm zum Essen bereiten?“

18 Er sprach: „Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passamahl halten mit meinen Jüngern.“

19 Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Passalamm. 20 Und am Abend setzte er sich zu Tisch mit den Zwölfen.

21 Und als sie aßen, sprach er: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.“

22 Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, jeder einzeln zu ihm zu sagen: „Herr, bin ich’s?“

23 Er antwortete und sprach: „Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten. 24 Der Menschensohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; doch weh dem Menschen, durch den der Men­schensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre.“

25 Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: „Bin ich’s, Rabbi?“

Er sprach zu ihm: „Du sagst es.“

26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: „Nehmet, esset; das ist mein Leib.“

27 Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: „Trinket alle daraus; 28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. 29 Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.“

30 Und als sie den Lobgesang gesungen hat­ten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

  • Wir lesen den Text. Vielleicht reihum. Danach folgt eine kurze Zeit der Stille und der Besinnung.
  • Wir suchen in der Stille Worte oder kurze Sätze aus dem vorliegenden Text, die uns bedeutsam erscheinen, und lesen sie laut vor. Zwischen­durch legen wir kurze Pausen der Stille ein, damit die Worte in uns „einsickern“ können. Dann liest jemand den Text noch einmal im Zu­sammenhang.
  • Danach schweigen wir eine Weile, damit Gottes Wort in der Stille zu uns sprechen kann.
  • Wir sagen den anderen, was uns persönlich besonders angesprochen und berührt hat. Wir öffnen uns und teilen einander unsere Erfahrungen mit dem Text mit. Wir bewerten oder predigen nicht, sondern hören zu.
  • Wir besprechen, was Gott von uns will. Wir fragen nach der Beziehung des Wortes Gottes zu unse­rem Leben. Welche Aufgaben und Konse­quenzen ergeben sich für mich persönlich?
  • In kurzen freien Gebeten können alle ihren Dank, ihre Bitten oder ihre Fragen aussprechen (laut oder leise). Oder jemand spricht für alle ein kurzes Gebet.


Anhang 2:

Andacht zum Predigttext für Gründonnerstag 2021 (Matthäus 26,17-30):

(Text s. Anhang 1)

„Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ – Dieser Satz aus Psalm 23 kommt mir in den Sinn, wenn ich den Text in seinem Zusammenhang lese. Jesus feiert mit sei­nen Jüngern das Passamahl. Er dankt Gott für seine guten Gaben, für Brot und Wein. Er singt die alten Lobgesänge, die an die Befreiung Is­raels aus Ägypten erinnern. Aber um ihn herum zieht sich die Schlinge zu.

Nur einen Steinwurf entfernt, im Palast des Hohenpriesters, versam­melt sich der Hohe Rat. Er hat längst beschlossen, dass Jesus sterben muss. Wer sich von der Menge als Messias feiern lässt, wer im Tempel herumwütet und die heilige Ordnung stört, wer gerüchteweise gar be­hauptet, er könne diesen Tempel abbrechen und in drei Tagen neu bauen, der lästert Gott und gefährdet den Frieden. Er muss weg. Man wartet nur noch auf eine günstige Gelegenheit, um ihn ohne Aufse­hen verhaften zu können.

Aber der Feind ist noch näher. Er sitzt mit Jesus am Tisch. Er taucht seine Hand mit ihm in die gleiche Schüssel. Er nennt ihn Rabbi, „mein Meister“, und gehört zu seinen engsten Vertrauten. Und er wird dem Hohen Rat die gewünschte Gelegenheit verschaffen, drau­ßen in Gethsemane.

Die Motive der jüdischen Oberen kennen wir, oder wir können sie uns zusammenreimen. Was Judas antreibt, das wissen wir nicht. Johannes bietet uns Geldgier als Erklärung an, Lukas schlicht den Teufel, der in Judas gefahren ist. Matthäus lässt die Frage offen, und er tut gut daran. Denn wenn sich das Böse im­mer durch rationale Gründe erklären ließe, dann wäre es vermutlich längst aus der Welt geschafft. Wir wissen also nicht, warum der Freund zum Verräter wurde. Er hat damit Schuld auf sich geladen, aber sie hätte jeden treffen können. „Herr, bin ich’s?“ – das fragen sie alle, weil sie sich’s alle zutrauen.

Und Jesus? Wie verhält er sich im Angesicht seiner Feinde? Wie geht er mit der Situation um? Auf jeden Fall geht er nicht ahnungslos seinem Schicksal entgegen. Er weiß genau Bescheid. Die Passion beginnt bei Matthäus schon damit, dass Jesus seinen Jüngern sagt, was geschehen wird. Und so wird für ihn alles, was geschieht, sei es durch ihn selbst oder durch andere, sei es zu seinen Gunsten oder zu seinem Schaden, zu einem bewussten Schritt auf seinem Weg ans Kreuz. Die Hohenpriester beschießen seinen Tod, Judas plant den Verrat, aber sie tun damit trotz aller eigenen Schuld letztlich Gottes Willen. Jesus feiert mit seinen Jüngern das Passamahl, aber zugleich deutet er ihnen damit im Voraus sein Leiden und Sterben: „Mein Leib, für dich gebrochen – mein Blut für dich vergossen zur Verge­bung der Sünden.“ Jesus wird nicht einfach das Opfer von Intrigen, Verrat und sinnloser Brutalität, sondern in seinem Tod kommen Gottes Wege mit den Menschen zum Ziel, in dem er sich selbst für uns opfert.

Natürlich: Das alles erzählen uns Menschen, die glauben, dass Jesu Leiden und Sterben genau diesen Sinn hatte. Und sie glauben es deshalb, weil sie überzeugt sind, dass der Tod nicht das letzte war, sondern dass Jesus auferstanden ist und lebt. Jedem, der das nicht tat, musste dieser Sinn verborgen bleiben. Und das würde selbst dann gelten, wenn es damals schon Kameras gegeben hätte, die alles aufgenommen hätten.

Und wie sieht es mit uns aus? Was bedeutet uns das Leiden und Sterben Jesu? Ist die Passionsgeschichte für uns nur ein Stück Lite­ratur – wenn auch mit beachtlichen Einblicken in die Abgründe des Menschen? Ist die Kreuzigung Jesu für uns höchstens von histo­rischem Interesse: ein typischer Justizmord halt, aber längst verjährt? Gibt Jesus uns ein Beispiel von vielen, wie man mit Haltung und Gottvertrauen unschuldig in den Tod geht? Oder können wir noch nachvollziehen, was die Abendmahlsworte besagen: „Mein Leib, mein Blut – für euch?“ Kann denn der Tod eines Menschen eine sol­che Bedeutung für alle Menschen und alle Zeiten haben?

Wenn wir das irgendwo lernen und an uns heranlassen können, dann beim Abendmahl. Denn dort hören und beden­ken wir es nicht nur, sondern dort können wir es mit Händen greifen, mit den Augen se­hen, mit dem Mund schmecken und es im wahrsten Sinne des Wortes in uns aufnehmen: So gewiss wie das Brot, das wir teilen, so gewiss wie der Kelch den wir trinken, so gewiss ist Jesus für uns gestorben, hat Gott in seinem Tod den Tod für uns alle be­siegt. Nein, beweisen kann ich das nicht. Ich kann nur immer wieder einladen, jedes Mal, wenn wir Abendmahl feiern – hoffentlich bald auch wieder gemeinsam: „Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist!“ Wohl uns, wenn wir ihm vertrauen können. Amen.


[1] Der Abend passt vom Charakter und der Atmosphäre her am besten. Deshalb gehe ich im Folgenden davon aus. Aber natürlich geht es grundsätzlich auch mittags oder zu einer anderen Tageszeit.