Auf ein Wort….(November/Dezember)

Alles hat seine Zeit

Die Sommerferien liegen hinter uns. Jetzt, da ich diese
Zeilen schreibe, habe ich gerade wieder meinen Dienst aufgenommen. Und schon
beginnen die Vor-Überlegungen und Planungen für das letzte Quartal. Im Kreis
der Kollegen und der Kollegin haben wir die Gottesdienste bis zum Neujahrstag
2004 festgelegt. Im Mitarbeiterkreis des Kindergottesdienstes sind wir auf der
Suche nach einem geeigneten Krippenspiel für den Familiengottesdienst am Heiligen
Abend. Bis Sie diese Ausgabe der Gemeindenachrichten in Händen halten, ist es
Oktober geworden. Gewiß: wir alle müssen verantwortlich planen. Das ist notwendig
und wichtig. Doch wir müssen ebenso lernen, daß wir über dem Planen und an-die-Zukunft-Denken
die Gegenwart nicht versäumen. Was ich damit meine, mag eine kleine Geschichte
anschaulich machen. Ein Südseehäuptling kommt von einer Europareise zurück und
erzählt seinem Volk: “Das Leben des Papalagi (Europäers) gleicht vielfach einem
Menschen, der eine Bootsfahrt nach Savaii macht und der – kaum daß er vom Ufer
abstößt – denkt: Wie lange mag ich wohl brauchen, bis ich nach Savaii komme?
Er denkt, sieht aber nicht die freundliche Landschaft, durch die seine Reise
geht. Bald schiebt sich am linken Ufer ein Bergrücken vor. Kaum daß sein Auge
ihn nimmt, so kann er nicht davon lassen. Was mag wohl hinter dem Berge sein?
Ob es wohl eine tiefe oder enge Bucht ist? Er vergißt über solchem Denken, die
Bootsgesänge der jungen Männer mitzusingen; er hört auch die fröhlichen Scherze
der jungen Frauen nicht. Kaum liegen die Bucht und der Bergrücken hinter ihm,
so plagt ihn eine neuer Gedanke: ob wohl bis zum Abend Sturm komme? Er sucht
am Himmel nach finsteren Wolken. Er denkt immer an den Sturm, der wohl kommen
könnte. Der Sturm kommt nicht, und er erreicht Savaii am Abend ohne Schaden.
Doch nun ist ihm, als ob er die Reise gar nicht gemacht habe, denn immer waren
seine Gedanken weit weg von seinem Leibe und außerhalb des Bootes. Er hätte
ebenso gut in seiner Hütte in Upolu bleiben können.”

Soweit die nachdenkliche Geschichte. “Denn immer waren
seine Gedanken weit weg….” Ich glaube, der Mann aus der Südsee hat uns gut
beobachtet. Ich kann dese Beobachtung jedenfalls für mich selbst nur bestätigen.
Immer wieder stelle ich (leider erst im Nachhinein) fest, daß meine Gedanken
und Sorgen unnötigerweise vorausgeeilt waren.

So wichtig verantwortungsvolles Planen ist – aber ist
es nötig, daß ich im Presbyterium  sitze und schon an den nächsten Frauenhilfsnachmittag
denke? Daß ich dann in der Frauenhilfe sitze und beim Kaffee schon mit den Gedanken
im Gesprächskreis am Abend bin? Kennen Sie ähnliche Situationen?

Auch bei anderen Menschen beobachte ich dieses Phänomen.
Z.B. fällt mir auf, daß Tauf- und Traugottesdienste in unserer Gemeinde immer
stärker zu Medienereignissen geworden sind und manche Angehörige das Geschehen
weitgehend nur noch aus dem Blickwinkel der Kamera miterleben.

Schon die alten Römer sagten: carpe diem, d.h. “pflücke
den Tag”, “lebe heute”, “nutze den Augenblick”.

Die beste und schönste Einladung zur Gelassenheit finde
ich aber in den Worten Jesu in der Bergpredigt: “Sorget nicht ….. Sehet die
Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht
in ihre Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht
viel mehr als sie?”

Aus solcher Gelassenheit heraus kann dann auch das Leben
heute und hier gelingen. “Darum sorget nicht für den anderen Morgen, denn der
morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene
Plage habe.” Hier liegt der Schlüssel für ein gelingendes Leben. Ich wünsche
es Ihnen und mir, daß wir in dieses Vertrauen noch immer mehr hineinwachsen,
uns “Gott lassen können” und so zu der Gelassenheit finden, die ganz im Heute
leben kann, ohne daß die Sorgen und Gedanken schon wieder voraus eilen.

Nimm Dir Zeit

Nimm Dir Zeit zur Arbeit –
das ist der Preis für den Erfolg.
Nimm Dir Zeit, nachzudenken
– das ist die Quelle deiner Kraft.
Nimm Dir Zeit zum Spielen
– das ist das Geheimnis der Jugend.
Nimm Dir Zeit zum Lachen
– das ist die Musik der Seele.
Nimm Dir Zeit zum Lesen – das
ist der Ursprung der Weisheit.
Nimm Dir Zeit, freundlich  zu
sein – das ist der Weg zum Glück.
Nimm Dir Zeit zum Träumen –
das ist der Weg zu den Sternen.
Nimm Dir Zeit zum Beten –  es
ist die größte Kraft auf Erden.
Nimm Dir Zeit zum Schlafen –
es erneuert die Kräfte für Leib und Seele.
Nimm Dir Zeit zum
Leben, um Gott zu finden – denn ohne ihn ist jede Zeit vertane Zeit.

Eine gute Erfahrung und Übung habe ich übrigens in dieser
Hinsicht in meinem Urlaub machen können. Ich war für eine Woche zum Bergwandern
in der Steiermark. Wir haben einige hohe Gipfel erklommen. Es waren herrliche,
aber auch anstrengende Aufstiege. Dabei erfährt man ganz körperlich und hautnah,
daß man solche Ziele nicht hastig und hektisch erreicht. Es geht nur ruhig und
konzentriert, indem man bewußt einen Schritt nach dem anderen setzt. Diese Körperübung
verhilft auch zu einer Konzentration der Gedanken. Endlich eilen sie nicht mehr
voraus, sondern im Jetzt und Hier.

Unterhalb der Seckauer Alpen hielten wir Einkehr in dem
herrlichen und weitläufigen Benediktinerstift Seckau. An diesem Ort der Konzentration
und Kontemplation fand ich einen Text, der mich sehr angesprochen hat und der
nun auf meinem Schreibtisch steht:

Daß wir in der nächsten Zeit manches davon zuwege bringen,
das wünsche ich mir und Ihnen

Ihr

Burkhard Schäfer, Pfr.