„Ich wünsche mir ein neues
Bewusstsein für das Gemeinsame“
Rückblick und Ausblick der
Superintendentin vor der Kreissynode Siegen
Das zu Ende gehende
Kirchenjahr war für den Kirchenkreis Siegen nach Darstellung von
Superintendentin Annette Kurschus in ihrem Bericht vor der Kreissynode
geprägt von weit reichenden Veränderungen und schwer wiegenden Entscheidungen,
von notgedrungenen Abbrüchen und schmerzlichen Abschieden, von wagemutigen
Neuanfängen und hoffnungsvollen Aufbrüchen. Und: Auch bei uns werde
neu nach Gott gefragt. Ein „Pfund“ des Kirchenkreises Siegen
liegt nach ihrer Einschätzung zweifellos im Bereich der gottesdienstlichen
Aktivitäten. Die tiefe theologische Überzeugung, dass der Gottesdienst
nach wie vor die Mitte des Gemeindelebens bilde, mache die Verantwortlichen
an dieser Stelle besonders erfinderisch und lasse sichtbar und spürbar
Neues wachsen. In fast allen Gemeinden würden inzwischen zusätzlich
zum traditionellen Gottesdienst am Sonntagmorgen weitere Gottesdienst-
und Andachtsformen ausprobiert, die jeweils besondere musikalische,
inhaltliche oder liturgische Akzente setzten und eine Vielzahl von
Menschen ansprächen, teilweise weit über die eigene Gemeinde hinaus. Der
Blick auf die geringer werdenden Finanzen, so die Superintendentin,
habe inzwischen eine neue Wendung ins Konstruktive genommen. Neue
Finanzierungswege würden beschritten, fantasievolle Spendenmöglichkeiten
eröffnet und Menschen gewonnen, die ihr Geld gezielt für konkrete
Vorhaben der Gemeinde einsetzten. Das Projekt eines freiwilligen
Kirchgeldes unter dem Motto „Meine Kirche – dafür habe ich was übrig“
sei in einigen Gemeinden bereits verheißungsvoll angelaufen und
auf einem guten Weg. Als Besorgnis erregend schildert sie, dass
es einem guten Drittel der Gemeinden nicht gelungen sei, genügend
Kandidatinnen und Kandidaten für die bevorstehenden Presbyteriumswahlen
zu finden. Presbyterien seien zunehmend mit unliebsamen Aufgaben
konfrontiert. Es müssten Gebäude geschlossen, Mitarbeitende entlassen
und Haushaltssicherungskonzepte erstellt werden. Großen Respekt
habe sie vor denen, die sich diesen Aufgaben seit Jahren stellten.
Menschen, denen ihre Gemeinde etwas bedeute, würden gebraucht. Als
elementar und unaufgebbar zum Auftrag der Kirche gehörend bezeichnete
Kurschus, dass Kinder und Jugendliche in den Gemeinden ein Zuhause
finden könnten, wo sie willkommen seien, wo sie gefördert und angesprochen
würden, wo sie in lebendigen Kontakt gerieten mit dem christlichen
Glauben und dadurch Orientierung für ihr Leben erhielten. Dies sei
Gemeindeaufbau in seiner ursprünglichen Form. Kurschus: „Arbeit
mit Kindern kostet Zeit und Einsatz und Liebe und – Geld. Arbeit
mit Kindern und Jugendlichen braucht kompetente, gut ausgebildete
Männer und Frauen, die hauptamtlich in unseren Gemeinden tätig sind
und andere dazu ermutigen und befähigen und dabei begleiten können,
ehrenamtlich mitzuarbeiten. Ich beobachte mit Sorge, dass die Kapazitäten
ausgerechnet an dieser Stelle einzubrechen drohen.“ An dieser Stelle
sieht sie den Kirchenkreis in die Pflicht genommen, der die Kirchengemeinden
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen habe. Im
Blick auf die Gesamtheit der Gemeinden wünscht sich die Superintendentin,
dass „unter uns ein neues Bewusstsein wächst für das, was unsere
gemeinsame Sache ist.“ Die Sorge für die eigene Gemeinde dürfe nicht
das einzige Motiv des Handelns sein. Die Kindergärten in evangelischer
Trägerschaft, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder die gemeindenahe
Diakonie gehörten zu den gemeinsamen Aufgaben, bei denen die entscheidende
Frage nicht laute, was die Gemeinden davon hätten, sondern „Wie
wollen wir unsern Auftrag als Kirche für die Menschen in unserer
Region evangeliumsgemäß und glaubwürdig gestalten?“ Sie hebt
hervor, die Bürgermeister und Landräte im Rahmen des Präsesbesuchs
hätten deutlich gemacht, dass sie auf das unverwechselbare Profil
der evangelischen Kindergärten aus inhaltlichen Gründen nicht verzichten
möchten. Deshalb setze der Kirchenkreis derzeit alles daran, die
Arbeit von Kindertageseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft
möglichst flächendeckend zu sichern. Auch bezogen auf die Arbeit
der hauptamtlichen Jugendreferenten und Gemeindepädagogen
sieht sie den Kirchenkreis in der Pflicht, diese Arbeitsfelder auf
Kirchenkreisebene anzusiedeln und sie damit zu sichern. Die Arbeit
der Diakonie, so betonte die leitende Theologin im Kirchenkreis
Siegen, geschehe für alle Kirchengemeinden. Sie werde von den meisten
Menschen als kirchliche Arbeit wahrgenommen und geschätzt. Die
Bildung des Krankenhausverbundes aus den drei evangelischen Krankenhäusern
und der beiden Häuser des Siegener Kreisklinikums böten die Chance,
das Miteinander als Gemeinde, Diakonie und Kirchenkreis noch einmal
gründlich zu bedenken und möglicherweise hier und da neu zu gestalten.
In den Presbyterien wünsche sie sich eine Diskussion darüber, wie
gemeindenahe Diakonie vor Ort konkret gestaltet werden könne, welche
Beratungs- und Hilfsdienste als unentbehrlich angesehen würden,
welche Aufgaben die Diakonie stellvertretend für die Gemeinden übernehmen
müsse. Abschließend weist die Superintendentin in ihrem Synodenbericht
dankbar auf die vielen Zeichen im Kirchenkreis Siegen hin, die von
der Verantwortung in der Welt zeugten, von einem Einsatz in ökumenischer
Weite, von gesellschaftspolitischer Parteinahme für die Schwachen
und Benachteiligten, von der Sorge um Frieden und Gerechtigkeit
und von einem empfindlichen Bewusstsein für die Gefährdung der Schöpfung.
Ergebnis mit Unsicherheiten
Weg offen für Kindertageseinrichtung
auf Kirchenkreisebene
Es war eine lange
und schwere Geburt, die die Kreissynode Siegen jetzt auf ihrer Tagung
in der CVJM-Jugendbildungsstätte Wilgersdorf zu bewerkstelligen
hatte. Zu unterschiedlich waren für eine schnelle Entscheidung die
Einschätzungen der Kirchengemeinden darüber, ob die Trägerschaft
von Kindertageseinrichtungen auf Kirchenkreisebene mehr Nachteile
oder mehr Vorteile bietet. Schlussendlich wurde die Satzung für
die Ev. Kindertageseinrichtungen in der Trägerschaft des Kirchenkreises
Siegen beschlossen und der Weg für eine kreiskirchliche Trägerschaft
frei gemacht. 84 Synodale stimmten dafür, 34 dagegen. Insgesamt
zwar eine Mehrheit, aber bei 181 stimmberechtigten Synodalen wird
in dem Ergebnis die noch bestehende Unsicherheit Vieler deutlich.
Kann es der Kirchenkreis besser als die Gemeinden? Haben die
Gemeinden bei einer Kirchenkreisträgerschaft noch genügend Mitspracherecht?
Was kostet am Ende die Trägerschaft auf Kirchenkreisebene die Gemeinden?
Und, sind die fünf Gemeinden, die keine Kindertrageseinrichtungen
haben, bereit, diese Arbeit solidarisch mit zu finanzieren? Eine
große Unbekannte in der Diskussion war das neue KIBIZ (Kinderbildungsgesetz),
das zum 1. August 2008 in Kraft tritt. Ein Jahr lang sollen die
Kirchengemeinden mit den KIBIZ-Regelungen Erfahrungen sammeln, um
dann zu überlegen, ob es besser ist, die Trägerschaft der Kindertageseinrichtungen
an den Kirchenkreis abzugeben. Niemand weiß bislang, welche
finanziellen Auswirkungen das Gesetz mit sich bringt. Daher betonte
die Superintendentin Annette Kurschus zu Beginn der Beratungen,
dass auf dieser Synode noch nicht ein Finanzierungsmodell zu beraten
sei. Ziel der Satzung sei, Kindergartenarbeit in kirchlicher Trägerschaft
zu sichern. Pfr. Stefan König, Nikolaikirchengemeinde Siegen,
brachte die Vorlage ein. Er hoffe, dass das Ergebnis künftig für
eine gute Qualität stehe und dass es gelinge, eine Struktur zu schaffen,
die es erlaubt, einen Grundbestand an ev. Kindertageseinrichtungen
in der Fläche und in den Gemeinden zu erhalten. Synodalassessor
Hans-Werner Schmidt machte darauf aufmerksam, dass es sich rechnen
könne, ein gemeinsames Finanzierungspaket für die Kindertageseinrichtungen
und die Jugendarbeit zu schnüren. Das könne aber erst auf der nächsten
Synode beraten werden. Etliche Synodale sahen das neue Trägermodell
skeptisch und nicht losgelöst von der Finanzierung. Pfr. Herbert
Scheckel ist davon überzeugt, dass das Ziel durch die Gemeinden
mit weniger finanziellem Aufwand und Organisationsaufwand erreicht
werden könne. Immer größere Einheiten zu schaffen, hielt Pfr. Christoph
Meyer für die falsche Richtung. Dadurch gehe für die Gemeinden viel
verloren. So mancher Synodale hatte seine Befürchtung, dass durch
die Trägerschaft auf Kirchenkreisebene der Einfluss der Gemeinden
auf die Kindergartenarbeit zu gering werde. Wie eng das Finanzbudget
mittlerweile bei den Gemeinden ist, machten die Kirchengemeinde
Burbach und die Erlöser-Kirchengemeinde deutlich. Die Kirchensteuerzuweisungen
für die Erlöser-Kirchengemeinde in Siegen, so Pfarrer Armin Pulfrich,
betrügen 130.000 Euro. Davon müssten 90.000 Euro für die Kindergärten
aufgegeben werden. Ohne kreiskirchliche Trägerschaft seien ihre
Kindertageseinrichtung in evangelischer Trägerschaft nicht zu halten.
Sichergestellt werden müsse allerdings, da waren sich die Synodalen
einig, dass sich die Kirche gegenüber Stadt und Kreis als ein verlässlicher
Verhandlungspartner erweist.
Verhaltene Zuversicht
Haushaltsplan 2008 beschlossen
Mit einer verhaltenen
Zuversicht beschlossen jetzt die Synodalen des Kirchenkreises Siegen
auf der Herbstsynode den kreiskirchlichen Haushaltsplan für das
kommende Jahr. Rund 14 Mio. Euro stehen dem Kirchenkreis und den
Gemeinden für die vielfältigen Aufgaben zur Verfügung. Pro Gemeindeglied
erhalten die Gemeinden im nächsten Jahr 38 Euro. Drei Euro mehr,
als noch auf der Sommersynode angekündigt. Und sie brauchen keine
Verwaltungskosten mehr abzuführen, was rechnerisch einen Wert von
1,31 Euro pro Gemeindeglied ausmacht. Im vergangenen Jahr
erhielten die Gemeinden allerdings noch 44 Euro pro Gemeindeglied.
Friedhelm Knipp, Vorsitzender des Finanzausschusses des Kirchenkreises
Siegen, freute sich, dass in 2008 der Haushalt wieder ausgeglichen
werden konnte und auch in 2007 die 1,345 Mio. Euro Mehreinnahmen
in die vorgeschriebenen Rücklagen fließen, dank der sich zurzeit
positiv entwickelnden Kirchensteuereinnahmen. Grundsätzliche Entwarnung
konnte Knipp allerdings nicht geben. Die längerfristigen Prognosen
zeigen auf, dass die geschnürten Sparpakete geschnürt bleiben müssen. Die
Kirchengemeinden, die so genannte Überhanggruppen in ihren Kindertageseinrichtungen
unterhalten, erhalten pro Gruppe eine Förderung von 5.000 Euro.
Das macht für die insgesamt 48 Gruppen 240.000 Euro zusätzliche
Fördermittel aus, die der Kirchenkreis zur Verfügung stellt. Ab
1.8.2008 tritt das neue KIBIZ (Kinderbildungsgesetz) in Kraft. Dann
muss die Gesamtfinanzierung der Kindertageseinrichtung neu überprüft
werden. Bereits für 2008 wird ein geringer Einnahmerückgang
gegenüber 2007 erwartet. Für die weiteren Jahre ab 2010 wird allein
aus demographischer Entwicklung eine Abwärtsbewegung von 1,5% jährlich
prognostiziert. Die derzeitigen Mehreinnahmen werden im Wesentlichen
auf Landeskirchenebene für Einzahlungen in die Versorgungskasse
für die Pfarrer und Kirchenbeamte verwendet. Heute kommen in den
drei Landeskirchen in NRW (Lippe, Westfalen und Rheinland) auf 5200
aktive Theologen 4080 Versorgungsempfänger. Im Jahre 2030 werden
bei dann nur noch 1500 aktive Theologen rund 6200 Versorgungsempfänger
zu finanzieren sein.
„Auf dem Weg in die Irre ist
Rückschritt Fortschritt“
Ausschussarbeit neu organisiert
Mit großer Mehrheit
beschloss die Kreissynode eine neue Kreissatzung und eine neue Geschäftsordnung.
Damit wurde der bei Vielen unliebsamen Fachbereichssatzung ein Ende
bereitet. In ihrem Bericht war Superintendentin Annette Kurschus
bereits auf die Neuregelung eingegangen. „Auf dem Weg in die Irre
ist Rückschritt Fortschritt“, zitierte sie den österreichischen
Schriftsteller Josef Viktor Stummer. Die Fachbereichssatzung war
mit einem enormen zeitlichen, kräftemäßigen und finanziellen Aufwand
entwickelt worden. Dennoch erwies sie sich zwar nicht als ein Weg
in die Irre, aber doch als wenig tauglich im Blick auf das angestrebte
Ziel, nämlich eine Vereinfachung der Kooperation in den jeweiligen
Arbeitsbereichen sowie eine Entlastung des Kreissynodalvorstandes
und der Superintendentin herbeizuführen. Die Entscheidungswege seien
komplizierter geworden, so die Superintendentin.
Der Kreissynodalvorstand
hatte eine kleine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine neue Kreissatzung
und Geschäftsordnung erarbeiten sollte. Bis Mitte nächsten Jahres
hatte man das Zeitkontingent gesetzt, bis deutlich wurde, dass die
Presbyterwahlen im Februar 2008 ein sehr viel schnelleres Handeln
erforderten. Zwar gründlich, aber doch mit heißer Nadel musste das
Satzungswerk gestrickt werden.
Herausgekommen
ist eine Struktur mit Aufgabenbereichen, für die synodale Ausschüsse
zu bilden sind. Die Zuständigkeit der Ausschüsse wurde in Ansätzen
deutlich gestärkt, was zu den angestrebten Entlastungen führen kann.
In seiner Einbringungsrede
machte Rechnungsprüfer Hans-Joachim Behm deutlich, dass noch
eine Zuständigkeitsordnung ausstehe, in der konkret die Entscheidungs-
und Beratungszuständigkeiten der Ausschüsse festzuschreiben sind.
Erst dadurch kann die angestrebte entlastende Funktionsfähigkeit
des gesamten Regelwerks herbeigeführt werden. Durch Einwirkung von
Pfarrer Günter Jochum wurde eine Regelung aufgenommen, dass der
Kreissynodalvorstand Ressorts einrichten kann, um die Kommunikation
weiter zu optimieren.
Neu ist auch,
dass die Synodalbeauftragten künftig einem Ausschuss zugeordnet
sind.
Reformierter Bund
Stärkung des Wortes in einer
bilderversoffenen Zeit
Der Generalsekretär
des Reformierten Bundes Pfarrer Jörg Schmidt erläuterte auf der
Kreissynode die Arbeit und den Nutzwert der reformierten Vereinigung
innerhalb des protestantischen Lagers. Auch im Kirchenkreis Siegen,
einem der wenigen reformiert geprägten Kirchenkreisen, überlegen
derzeit immer wieder Kirchengemeinden, aus dem Reformierten Bund
auszutreten, um die Mitgliedsbeiträge zu sparen. Dadurch wird die
reformierte Stimme schwächer. Schmidt machte deutlich, dass es nötig
sei, in einer bilderversoffenen Zeit das reformierte Gottesdienstverständnis
mit dem gebetenen, gesungenen, gelesenen und ausgelegten Wort zu
stärken. Das Nachdenken, Hören und Reflektieren des Gotteswortes
sei wichtiger den je. Dem entsprechend seien auch die reformierten
Kirchenräume gestaltet, die nur dazu da seien, das sich die Gemeinde
dort versammle. Die besondere Prägung des Reformierten mache der
Glaubensgehorsam aus, der sich auch in der Verantwortung gegenüber
Gottes Schöpfung ausdrücke. Um das reformierte Profil zu schärfen,
und die reformierte Tradition zu verlebendigen, biete der Reformierte
Bund Tagungen für Presbyter und Theologen an. Dabei gehe es auch
um Themen wie Gemeindeverständnis, Frömmigkeitsverständnis und Gemeindeleitung.
Auf der Internetseite www.reformiert-info.de
seien Materialien für die Gemeindearbeit zur Verfügung gestellt.
Zu der Finanzierung des Reformierten Bundes merkt er an, dass
die Personalausstattung mit einem Generalsekretär und Bürokraft
auf dem absoluten Funktionsminimum liege.
Karlfried Petri
|