In der Bibel lesen wir im Weisheitenbuch Jesu
Sirach (Kap. 18, 15-17): „Mein Sohn, bring keinen Makel auf deine
Wohltaten und füg zu keiner Gabe kränkende Worte! Wie der Tau die
Hitze kühl, so ist ein gutes Wort besser als eine Gabe. Ja, ein
Wort ist oft wichtiger als eine große Gabe, und ein freundlicher
Mensch gibt sie beide.“ Wenn der Ephesserbrief (Kap. 4, 29) uns
Christen auffordert „über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern
nur ein Gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es
hört, Nutzen bringt“ dann steht dahinter die Erfahrung, dass tröstende,
gütige, anerkennende, aufbauende und ermutigende Worte sich immer
wieder als heilsam erweisen.
Im heutigen Medienzeitalter werden wir fast
pausenlos mit Worten überschüttet. Kein Wunder, dass sie so Wirkung
und Heilkraft verlieren. Die tägliche Flut von Informationen kann
man ja kaum mehr aufnehmen, geschweige den auch wirklich verarbeiten.
Dabei schwindet fast unbemerkt die Fähigkeit aufmerksam hinzuhören.
Hierbei lauert die Gefahr, dass der Einzelne für das Wesentliche
taub und stumm wird.
Jede Beziehung und jede Gemeinschaft lebt
aber auch vom Gespräch, vom Austausch und jedem guten Wort. Dieser
Austausch ist ungemein wichtig, um einander verstehen und um sich
gegenseitig eine Stütze sein zu können. Ein Gespräch unterscheidet
sich allerdings von einer Besprechung, die ein umsetzbares Ergebnis
anstrebt. Deshalb muss sich eine Besprechung immer an ihrer Effizienz
messen lassen. Das Gespräch hingegen bleibt nicht nur auf dieser
objektiven Ebene. Seine Qualität wird davon bestimmt, ob es anderen
und uns selbst weiter hilft, oder ob es nichtssagend und oberflächlich
bleibt und dadurch ins Leere läuft. Wenn es um das gute Wort
geht, das wir einander schenken möchten, dann dürfen wir der Frage
nicht ausweichen: Bringen Gespräche uns tatsächlich einander näher
oder reißen sie womöglich tiefe Gräben auf? Sind sie heilsam oder
verletzend? Fördern sie eine offene vertrauensvolle Atmosphäre oder
schweigt man sich am Ende nur noch gegenseitig an? Finden wahre
Gespräche anderswo statt als dort, wo sie eigentlich hingehören
und wo sie zu Recht erwartet werden?
Wie findet man aber nun zu einem guten Wort
bzw. zu einem förderlichen Gespräch? Für Menschen, die sich in
besonderer Weise um gelingende menschliche Gemeinschaft gemüht haben
– wie der Hl. Benedikt oder auch Dr. Bonhoeffer – hängt das gute
Wort entscheidend mit dem Schweigen zusammen. Ohne diesen Zusammenhang
verkümmert das Wort. Benedikt behandelt in der Ordensregel die Schweigsamkeit
zwischen den Kapiteln über den Gehorsam und die Demut. Offensichtlich
will er betonen: Wer wesentlich sprechen will und tatsächlich etwas
zu sagen haben will, muss zunächst ein aufmerksamer Hörer sein,
einer der horchen und schließlich auch gehorchen kann. Zugleich
darf er, wenn sein Wort wirklich ernst genommen werden soll, nicht
ständig sich selbst in Szene setzen, sondern er spreche mit Demut
und Bescheidenheit.
Ein gutes Gespräch hängt auch nicht von dessen
Lange und von seiner Häufigkeit ab, sondern entspringt der inneren
Haltung, aus der heraus es geschieht. Wir kennen leider auch das
Gegenteil aus Erfahrung. Durch Reden, das unter negativem Vorzeichen
steht, können die Beziehungen und das Zusammenleben vergiftet werden.
Besonders die kleinen und oft unscheinbaren Bemerkungen verpesten
mit der Zeit das menschliche Klima. In solchen Reden kann sich ein
Herz spiegeln, in dem vermutlich Unordnung und Disharmonie wirksam
sind. Folglich setzt das gute Gespräch ein „reines“ Herz voraus.
Das gute Wort ist also ein Widerschein dessen, was man im Herzen
trägt. Es bereichert den persönlichen Austausch, ist ein Instrument
der Mitteilung und kann Gemeinschaft stiften. Gefragt ist daher
immer das Bemühen um ein wohltuendes Gesprächsklima und die stete
Pflege der guten Rede.
Dazu gehört auch eine entsprechende Streitkultur,
wenn kontroverse Meinungen und Standpunkte aufeinander treffen.
Man wird dann nicht mit provokanter Lautstärke sich durchzusetzen
versuchen. Ebenso macht man sich andere nicht dadurch gefügig, dass
man sich schweigend ins eigene Schneckenhaus zurück zieht. Wenn
andere ernst genommen werden, können Brücken gebaut werden, gibt
es ein echtes Miteinander, und es werden keine Barrieren errichtet,
die man vielleicht eines Tages nicht mehr überwinden kann.
Gerne hören wir dagegen jene Menschen, die
wirklich etwas zu sagen haben und deren Wort deshalb auch gewichtig
ist. Wir empfinden ein solches Wort immer als bereichernd, weil
es wirklich aus dem Herzen kommt. Wohl deshalb geht ein gutes Wort
über die beste Gabe.
Pfr. Burkhard Schäfer
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