Auf ein Wort…. November/Dezember 2005

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Advent ist im Dezember

In dieser Woche (also Ende September) passierte
es. Ich hab ihn gesehen: den ersten Weihnachtsmann der Saison. In
einem Mantel aus bunter Alufolie stand er da in der Süßwarenabteilung
eines Kaufhauses. Da neben und darüber fanden sich Spekulatius und
Lebkuchenherzen. Und während die Stimme aus dem Kaufhaus-Lautsprecher
darauf hinwies, dass die Bademoden nochmals reduziert worden seien,
wunderte ich mich nicht wenig – und ärgerte mich auch.
In meiner
Kinderzeit hatte die Adventszeit in unserer Familie einen ganz besonderen
Ablauf und besondere Höhepunkte. Am Samstagnachmittag vor dem ersten
Advent flocht meine Mutter den Adventskranz und verzierte ihn. Mein
Vater brachte aus dem Wald Tannenzweige mit, die in Bodenvasen gestellt
und mit Strohsternen und Lametta behängt wurden. Am ersten Advent
wurde bei einbrechender Dämmerung die erste Kerze angezündet und
die alten Adventslieder gesungen. In dieser Zeit wurden die Bratäpfel
zu einer Delikatesse. Für unsere katholischen Nachbarn waren diese
Wochen Fastenzeit; wir registrierten das mit Respekt.

 

Auch bei uns bemühte sich die Mutter darum,
das Spritzgebäck gut zu verstecken – nicht immer mit Erfolg. Aber
nach all dem Warten und der Vorfreude waren sie doch besonders köstlich.
 “Alles
hat seine Zeit: Advent ist im Dezember”, heißt eine Initiative der
Evangelischen Kirchen. Die Kirche ruft so dazu auf, der Vermarktung
von Advent und Weihnachten schon vor der Zeit zu widerstehen. September,
Oktober und November können auch so schöne und wichtige Monate sein,
ohne dass wir sie schon als “Vorweihnachtszeit” begehen. Der erste
Oktobersonntag ist durch den Erntedank geprägt. Und der November
ist mit der “Dunklen Jahreszeit” und seinen stillen Ta gen eine
Zeit, in der auch die schweren Seiten des Lebens einmal zur Sprache
kommen dürfen. Und ich bin überzeugt: nur wer Selbstkritik zulässt
und über Umkehr nachdenkt, nur wer sich Trauer erlaubt, kann auch
voller Freude feiern.
 Geschäfte und Innenstädte voller Weihnachtsdekoration
schon vor Totensonntag, daran kann und will ich mich nicht gewöhnen.

Plakat: Advent ist im Dezember

www.advent-ist-im-dezember.de



Ist das wieder typisch kirchliche Spießigkeit? Ich glaube nicht.
Für Stollen und Weihnachtsoratorium kann ich mich sehr erwärmen.
Aber im Herbst sind mir Pflaumenkuchen und Federweißer lieber. Alles
zu seiner Zeit.
Darum mein Tipp: Gönnen Sie dem Weihnachtsmann
noch ein paar Wochen Urlaub. Der Weihnachtsmarkt an der Talkirche
und die Christvesper werden dann auch zu besonderen Erlebnissen.

In diesem Sinne eine frohe und gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.

Ihr B. Schäfer