Auf ein Wort…. Juli/August

Liebe Gemeindeglieder,

der neue Bundespräsident Horst Köhler sagte kürzlich in einem
Interview: “Für meine emotionale Verankerung ist der Glaube an Gott
wichtig. Meine Eltern kamen aus einer bäuerlichen, einfachen Welt.
Aber sie hatten ein unmittelbares, fast naives religiöses Verständnis,
daß es da etwas gibt, was der Mensch nicht mitseinem Verstand erfassen
kann, aber braucht, um sich in der Welt Ordnung und Zuversicht zu
erhalten. Dieses Erleben, Zuversicht aus dem Glauben zu nehmen,
hat mich von der frühesten Kindheit an geprägt und mir in meinem
Leben immer wieder geholfen.”

Es ist mein bestimmter Eindruck, daß sich viele Menschen nach
solchem Glauben sehnen – zugleich sind sie sehr verunsichert im
Blick auf Fragen des Glaubens. “Hilf meinem Unglauben!”

Kaum ein Wort in unsere Sprache hat ja auch eine ähnlich bewegte
Leidensgeschichte hinter sich wie gerade der Begriff “Glaube”. Damit
bezeichnen wir heute die unterschiedlichsten Vorgänge und Empfindungen:
das Hoffen und das Meinen, ein ungewisses Vermuten ebenso wie ein
bestimmtes Erwarten. Negatives und Positives liegen hier quer durcheinander.
Zugleich bin ich mir sicher, daß es in Geisweid keinen Menschen
gibt, der nicht glaubt. Fragt sich nur, woran eigentlich?

Es ist ja nicht so, daß unsere Köpfe bzw. Herzen einfach leer
wären, wenn wir nicht an Gott glauben. Wir glauben dann etwas anderes.
Schlimmstenfalls glauben wir an das Nichts. Martin Luther hat das
im Großen Katechismus einmal so erklärt: “Woran du nun dein Herz
hängst, und worauf du dich verläßt, das ist eigentlich dein Gott.
Es ist mancher, der meint, er habe Gott und alles zur Genüge, wenn
er Geld und Gut hat. Sieh, ein solcher hat auch einen Gott, er heißt
Mammon, h.h.: Geld und Gut. Darauf setzt er sein ganzes Herz. Ebenso
ist es auch mit einem, der darauf vertraut und trotzt, daß er großes
Wissen, Klugheit, Gewalt, Beliebtheit, Freundschaft oder Ehre hat,
der hat auch seinen Gott, aber nicht diesen rechten, alleinigen
Gott.”

Also: Jeder glaubt etwas. Aber vielleicht kann nicht jeder sagen,
woran er wirklich glaubt. Woran hängt mein Herz wirklich? Wovon
erhoffe ich mir im Leben entscheidende Hilfe? Woran orientiere ich
micht? Was gibt mir Rückgrat und Halt? Ich möchte etwas zu denen
von uns sagen, die wirklich gerne glauben möchten, die die Halbheiten
leid sind. Die im Vertrauen leben möchten, aber fragen: Wie mach
ich’s denn?

Zunächst gilt es zu sehen: Vertrauen und Glauben kann man nicht
“machen”. Man kann ihn nicht sich selbst oder anderen einreden.
Man kann ihn nicht erzwingen. Man kann ihn nicht durch schlüssige
Beweise demonstrieren.

Der Glauben, das Vertrauen, das mich trägt, ist ganz und gar
Gottes Geschenk. Sein lebendiger Geist weckt Vertrauen in mir, so
daß ich es nachsprechen lerne: “Von allen Seiten umgibst du mich
und hältst deine Hand über mir” (Psalm 139, 5). Diese Aussage kann
nun mißverstanden werden, so als sei der Glaube ein Lotteriespiel.
Die Bibel sagt deutlich: “Gott will, daß allen Menschen geholfen
werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen” (1. Tim. 2,4).
Er hat jeden von uns längst durch das Evangelium berufen, mit ihm
zu leben, durch ihn zu leben und vor ihm. Jesus Christus hat uns
durch sein ganzes Leben gesagt und durch seinen Tod gezeigt, daß
Du und ich schon längst geliebt sind, daß wir einen Vater im Himmel
haben und daß wir im Vertrauen eines Kindes vor ihm leben dürfen.

Ich kann das nicht wirklich erklären, aber immer wieder geschieht
das Wunder, daß Gott uns in dieses Vertrauen hineinzieht und wir
etwas erfahren von der “herrlichen Freiheit der Kinder Gottes”.

Solcher Glaube ist aber kein statischer Zustand, sondern er bleibt
immer ein Prozeß, ein Weg, der über Höhen und durch Tiefen geht.
Denn es stimmt einfach nicht, daß Christenmenschen von einer großen
Glaubenserfahrung zu nächsten kommen, daß sie nur Gebetserhörungen
kennen.

Vertrauen ist immer durch Mißtrauen gefährdet und zum Glauben
gehört die Anfechtung wie der Schatten zum Licht. Meditatio – oratio
– teutatio, Gottes Wort – Gebet und Anfechtung, darin hat Martin
Luther das Wesen rechten Glaubens gesehen und beschrieben. Manchmal
bleibt nur das Rufen, das Gebet: “Ich glaube, hilf meinem Unglauben!”

Pfr. Burkhard Schäfer
 

Herr, unser Gott, lieber Vater im Himmel,

es
gab Tage in meinem Leben, da war ich mir ganz sicher.
Ich konnte
glauben.
Ich habe mich darüber gefreut, daß du mich liebst.
Ich
habe mich verlassen auf dich und dein Wort.

Aber ich kenne auch
andere Tage.
Dein Wort wurde mir zu fraglich.
Ich habe aufgehört
zu beten.
Die Gemeinschaft in deiner Gemeinde hat mich gelangweilt.

Herr,
auf meinen Glauben kann ich mich nicht verlassen.
Er ist wankelmütig.
Er
ist abhängig von meinen Gefühlen und Stimmungen.

Darum bitte
ich dich um den Glauben,
der sich gründet auf deine Treue,
daß
ich alle Tage meines Lebens aus deiner Hand nehme,
daß ich begierig
bin auf dein Wort,
daß ich dich anbete in der Gemeinde,
daß
ich nicht aufhöre, dich zu suchen
und deinen Willen zu tun,

daß
ich nicht nachlasse,
für die Menschen zu beten, die du mir anvertraut
hast.
Gib du mir den Geist der Kraft und der Liebe
und der
Besonnenheit,
von dir zu erzählen,
deinen Namen zu loben,
den
Frieden zu suchen, wo immer ich kann.

Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger
Geist!

AMEN