Auf ein Wort….(März./April.)

Auf ein Wort………….. März
/April 2004

Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort
mit Scheltwort,
sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, daß
ihr den Segen ererbt.

Wenn es im Unterricht um die Friedensliebe Gottes geht,
wie sie z. B. in den zehn Geboten zum Ausdruck kommt, dann beschäftigen wir
uns regelmäßig mit der satirischen Erzählung von Gerhard Zwerenz „Nicht alles
gefallen lassen“. Es fängt ganz harmlos mit einer ausgeliehenen und nicht rechtzeitig
zurückgegebenen Bratpfanne an. Es folgen dann Schritt für Schritt Beschimpfungen,
Verleumdungen und körperliche Auseinandersetzungen, die immer weiter eskalieren,
bis schließlich die Waffen sprechen und am Ende die ganze Stadt der beiden zunächst
befreundeten und dann verfeindeten Familien im atomaren Chaos untergehen.

Natürlich spüren die Kinder die Überzeichnung des Verlaufs,
aber zugleich erkennen sie auch die unaufhaltsame Spirale von erlittener und
sich entäußernder Gewalt.
Der Volksmund sagt: „Ein Wort gab das andere!“,
und wir wissen, was gemeint ist:
Ein falsches oder unbedacht daher gesagtes
Wort löst eine Verletzung aus. Der erlittene Schmerz wehrt sich und „schlägt“
zurück. Diese neue Verwundung setzt den Konflikt in Gang, bei dem schon bald
niemand mehr weiß, wo der Ursprung der Auseinandersetzungen zu suchen ist, denn
jeder macht ihn an einer anderen, zumeist für ihn schmerzlichen Stelle fest.

Irgendwann scheint sich dann gar nichts mehr bewegen zu
wollen, weil die gegenseitigen Vorhaltungen längst dem Willen zum Hinhören oder
gar zur Verständigung gewichen sind.
Schweigen und ein aus dem Wege gehen,
lösen die nicht enden wollenden Gespräche ab.
Es kann dann sein, dass ein
solcher Konflikt mit der Zeit sich scheinbar in ein Nichts aufgelöst hat. Es
sieht so aus, als sei alles in Ordnung, bis die Verletzungen an völlig unerwarteter
Stelle mit aller Vehemenz neu aufbrechen und zu(rück)schlagen. Dann sind vermutlich
Enttäuschung, Resignation und vielleicht sogar Verhärtung die Folge. Nichts
will sich mehr bereden, nichts will sich mehr klären, nichts will sich mehr
bereinigen oder gar lösen lassen.

So muss es unter euch Christen nicht zugehen, mahnt der
1. Petrusbrief:

„Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit
Scheltwort“
. Lasst nicht die menschlich verletzte Seele auf vermeintlich
böse Untat reagieren, sondern die mit Gott versöhnte. Setzt Heil gegen Unheil.
Lasst nicht ein Scheltwort auf das erlittene Scheltwort folgen, sondern antwortet
mit dem Segen, den ihr empfangt.

Das mag mit Verlaub gesagt ein gewaltiger Kraftakt sein,
aber ein lohnender. Zunächst liegt mir nahe zurückzuschlagen, vehement, um alle
gegen mich gerichtete Aggression im Keim zu ersticken. Oder ich neige dazu zu
horten,, um alle jemals erlittenen Verletzungen in einem erdrückenden Beweis
auf den Tisch zu legen und so die Feinde ein für alle mal zum Schweigen zu bringen.
Das alles ist menschlich, das alles ist verständlich, aber unter euch muss es
so nicht sein, vielmehr:

„Vergeltet nicht Böses mit Bösem“, schon allein
weil ihr gar nicht wisst, ob euer Gegenüber überhaupt eine böse Absicht wagte,
vielleicht nur unüberlegt oder unwissend gehandelt hat und dabei noch in bester
Absicht;

„oder Scheltwort mit Scheltwort“, sondern durchbrecht
die Spirale der Gewalt, weil euch die Liebe Gottes zu allen Menschen viel mehr
am Herzen liegt, als immer nur auf das eigene Recht zu pochen;

„sondern segnet vielmehr“, d.h. lasst den Segen
Gottes auch durch euer Empfinden, Denken und Handeln in diese Welt gelangen,
lasst ihn nicht einfach am Ende des Gottesdienstes in der Kirchenbank zurück,
als ob er mit euch und eurem Leben nichts zu tun habe, sondern nehmt ihn mit
hinaus in diese Welt, die diesen Segen doch so bitter nötig hat, wie auch ihr
selbst für euer Leben und Zusammenleben;

„weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt“,
das ist mehr als nur Segen empfangen und ihn womöglich für die eigenen Bedürfnisse
verbrauchen. Das heißt: dem Segen zu seinem Recht verhelfen ihn ausbreiten in
und um uns herum, ihn hindurchfließen lassen in diese unsere Welt.

Das heißt: sich ganz sicher „nicht alles gefallen lassen“,
aber doch diesen Segen Gottes und ihn nicht allein für mich beanspruchen, sondern
vielmehr Gefallen daran finden, ihn wahr werden zu lassen an uns und durch uns
und in dieser Welt. Darum:

Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort,
sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen ererbt.

Pfr. Herbert Siemon