Verabschiedung Gemischter Chor Birlenbach

Abschiedsstimmung … Wehmut … Tränen.

 
Gemischter Chor Birlenbach – wöchentlich – Do. 20 Uhr – „mittendrin“. Diesen Eintrag wird man unter den regelmäßigen Veranstaltungen im Gemeindebrief ab sofort vergeblich suchen. Und auch auf der Homepage ist der Chor nicht mehr zu finden: Er hat sich aufgelöst! Offiziell wurde es so formuliert: „Aufgrund der Tatsache, dass uns seit Jahren Nachwuchskräfte fehlen und wir aus Altersgründen perspektivisch keinen singfähigen Chor mehr vorhalten können, haben wir uns schweren Herzens dazu entschieden, die Chorarbeit zum 31. Dezember 2016 zu beenden.“ Will heißen: Hoher Altersdurchschnitt, fehlender Nachwuchs, zu wenige Stimmen im Alt und im Bass. Und: Intensivste Bemühungen, die Auflösung des Chores zu verhindern. Letztlich ohne Erfolg! Leider! Man kann sich vorstellen, wie den Mitgliedern wochenlang zumute war und vielleicht auch jetzt noch zumute ist; denn der Gemischte Chor Birlenbach bestand immerhin 92 Jahre, und einige Sängerinnen und Sänger waren jahrzehntelang dabei. Allen gefiel nicht nur das Proben und Singen, sondern auch das gute Miteinander, die vielen Gespräche und Unternehmungen, das gemeinsame Lachen, die Herzlichkeit, Harmonie und Hilfsbereitschaft untereinander, das wohltuende Gefühl der Verbundenheit und der Zusammengehörigkeit, der gute Geist des Chores, der auch vielen Außenstehenden nicht verborgen blieb. „Schade“ sagen auch viele Gemeindeglieder, die das eingängige Liedgut und den stets engagierten und freudvollen Gesang schätzten und nun schmerzlich vermissen werden.
Im Jahr 1924 begann die Geschichte der Singgemeinschaft. Als einige Birlenbacher unter „Lehrer Wirth“ beschlossen, einen „Gemischten Chor“ zu gründen. Ein Gemeindesaal – in der Furth gelegen – war vorhanden, eine Satzung schnell ausgearbeitet. Besonderen Wert legten die Gründer damals auf die Feststellung, dass der Chor seinen Dienst auf christlicher Basis verrichtet. Die Übungsstunden unter Leitung des Lehrers fanden regelmäßig mittwochabends statt. Überliefert ist, dass man voller Eifer mit dem Üben begann. Ein unvergessenes Erlebnis war das 1. Jahresfest der Birlenbacher Chöre auf dem Kälberhof, an dem der Gemischte Chor, die Posaunenchöre aus Birlenbach und Klafeld, der Jünglingsverein und der Blaukreuzchor aus Klafeld teilnahmen. Bis Anfang der 30er Jahre dirigierte Lehrer Wirth den Chor, es folgten die Herren Bischhof (Geisweid), Gustav Dittmann und Fritz Klappert (beide Klafeld). Während der Kriegsjahre ruhte die Arbeit des Chores. Bis 1965 fungierten dann Karl Müller und Helmut Müller als Dirigenten.
Am 21. Juli 1963 zog die Gemeinde aus dem Gebäude in der Furth quer durchs Dorf, um die neuerbaute Kirche „Am Sonnenhang“ ihrer Bestimmung zu übergeben. Hier fanden jetzt auch die Chorproben statt. Von 1965 bis 1993 lag das Dirigat in den Händen von Kurt Böcking. 1974 feierte man das 50-jährige Bestehen. Alle Aktivitäten des Gemischten Chores von der Gründung an wurden in enger Zusammenarbeit mit dem ortsansässigen Posaunenchor durchgeführt. „Dieses enge Verhältnis hat sich für beide Chöre stets segensreich ausgewirkt.“ 1993 übernahm Bertram Krieger den Dirigentenstab. Am 3. Oktober 1999 fand unter seiner Leitung ein Jubiläumskonzert anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Chores mit seinen damals 32 aktiven Mitgliedern statt. Zwölf Monate später verstarb Bertram Krieger im Alter von 39 Jahren – ganz plötzlich und viel zu früh. Im Bezirk Birlenbach, ja, in der gesamten Kirchengemeinde Klafeld, herrschte große Trauer.
Im Januar 2001 übernahm Ingo Gieseler den Gemischten Chor. Mit ihm bekam man erneut einen kompetenten und engagierten Leiter. Im Herbst 2007 dann die Schließung der Kirche. Der Chor verabschiedete sich am 8. September mit „Musik und Impressionen“ und wirkte 22 Tage später auch im Gottesdienst zur Stilllegung mit. Zu den Übungsstunden wechselte man in den Gemeinderaum in der Gerberstraße. Nach beruflichen Veränderungen gab Ingo Gieseler die Leitung im Frühjahr 2012 an Rena Nothnagel ab. Sie fungierte nur vierzehn Monate, bis dann Mechthild Heide ab 2013 das Dirigat übernahm. Im Januar 2016 konnte man im Chor zwei besondere Jubiläen feiern: Doris Bernhard und Walfried Utsch wurden für ihre 65-jährige Mitgliedschaft geehrt. Das heißt, die beiden waren seit 1951 dabei und haben während dieser Zeit viele Höhepunkte, aber auch so manche traurige Begebenheit erlebt. Mitte 2016 zog der Chor zum Üben und zum Zusammensein ins neue Gemeindezentrum „mittendrin“ an der Talkirche um.
92 Jahre Chorgeschichte. Komprimiert dargestellt in drei Abschnitten, mit großem „Mut zur Lücke“. Nur ganz wichtige Daten und Ereignisse konnten hier aufgeführt werden. Dabei hätte man leicht mehrere Sonderausgaben mit Geschichtlichem, mit Begebenheiten aus dem Chor-Alltag, mit Anekdoten und mit besonderen Vorkommnissen füllen können. Denn es wurde akribisch Buch geführt. Über alles gab es Eintragungen und Vermerke, über die einzelnen Übungsstunden, über die Mitgestaltung von Gottesdiensten, über Konzerte, über jedes Ständchen, über das Singen bei Festen, Konfirmationen, Hochzeiten und Geburtstagen, über alle Fahrten, Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen sowie über die Singeinsätze in Krankenhäusern und Seniorenheimen. Bei allem stand folgendes im Vordergrund: „Wir wollen durch unser fröhlich´ Singen Gottes Wort den Menschen bringen.“ So formuliert von Friedhelm Hanisch, dem langjährigen 1. Vorsitzenden, in einem Gedicht als Einladung zum Jubiläumskonzert am 3. Oktober 1999.
Jetzt zum letzten Kapitel der Chorgeschichte: So ganz sang- und klanglos wollte man nicht von der Bühne abtreten. Zu klären waren nur noch das „Wann“, das „Wie“ und das „Wo“. Man kam überein, sich am 19. Februar im Gottesdienst in der Talkirche von der Gemeinde zu verabschieden und ´Danke´ zu sagen. Danach noch die Teilnahme am Kirchcafé und ein Abschiedsessen in der Gaststätte Gründel. Beim Einsingen am Sonntagmorgen herrschte bei den Mitgliedern des Chores eine gedrückte Stimmung. Ich hörte: „Mir ist zum Heulen zumute“, „Ich bin mehr als traurig“ und „Mir wird etwas ganz Wichtiges fehlen!“ Einige Sängerinnen und Sänger reagierten gefasster: „Auch andere Chöre haben Nachwuchssorgen und müssen ihre Arbeit beenden“, „Alles hat seine Zeit“, „Wir haben uns gesagt: Lieber ein geordnetes Ende als ein langes Dahinsiechen“, „Es ist schade, aber es gab nur diese Lösung“, „Auch das gehört zum Leben einer Kirchengemeinde.“
Pfarrerin Almuth Schwichow, schon über zwei Jahrzehnte eng mit dem Chor verbunden, leitete den Gottesdienst. Für die erkrankte Dirigentin Mechthild Heide sprang – dankenswerterweise – Friedhelm Hanisch ein, und Uli Veltzke begleitete die Lieder des Chores mit seiner Gitarre. Schon beim ersten, „Ich lasse dich nicht fallen und ich verlass´ dich nicht“, dem Lied zur Jahreslosung von 2006, war den 19 Chormitgliedern eine Portion Wehmut anzumerken; trotzdem trug man die drei Strophen frisch und unbeirrt vor. Pfrn. Almuth Schwichow predigte über Markus 4, 26 -29, über „die von selbst wachsende Saat“. Zusammengefasst sagte sie: „Wir brauchen uns um das Reich Gottes keine Sorgen machen; es wächst ohne unser Zutun. Das ist eine große Entlastung für uns. Aber ´Aussäen´ sollen wir schon!“ Und weiter:

"Meine Zeit steht in deinen Händen."
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“

„Das hat der Gemischte Chor Birlenbach in den gut neun Jahrzehnten seines Bestehens so verstanden und immer praktiziert.“ Nach der Erwähnung der wichtigsten Daten und Ereignisse der Chorgeschichte dankte die Pfarrerin allen Sängerinnen und Sängern ganz aufrichtig für ihren treuen Dienst und das stets große Engagement.

Nach der Predigt das zweite Lied: „Meine Zeit steht in deinenHänden.“ Wieder sang man sehr gefühlsbetont, aber auch beherzt und mutig. Michael Utsch oblag es dann, das restliche Chorvermögen – immerhin über 1.000 € – unter starkem Beifall an Angelika Kohl von der Kindernothilfe zu

"Das Chorvermögen geht an die Kindernothilfe."
„Das Chorvermögen geht an die Kindernothilfe.“

übergeben. Anschließend verlas er eine Mail von Ingo Gieseler. Darin heißt es u.a.: „Der Chor hat in all den Jahren so viel Gutes bewirkt und die Herzen vieler Menschen erfreut oder auch getröstet. Er war ein Segen für viele, für andere und auch für euch.“ Besser kann man es nicht formulieren. Oder: Wahre Worte an der richtigen Stelle! Dann das dritte Vokalstück, das „Vater unser“. Vielen Sängerinnen und

Sängern standen die Tränen in den Augen, und auch der einen oder dem anderen im Kirchenschiff war die Abschiedsstimmung deutlich anzumerken. Nach dem Segen das letzte Lied. Alle Chormitglieder und alle Gottesdienstbesucher stellten sich in die äußeren Gänge und fassten sich bei den Händen. „Mögen sich die Wege vor deinen Füßen ebnen … und bis wir uns wiedersehn, möge Gott seine schützende Hand über dir halten.“ So hatte man sich nach jeder Übungsstunde verabschiedet. Und so klang jetzt auch der letzte Auftritt aus. … Der Gemischte Chor Birlenbach existiert nicht mehr. … Eine Ära ist zu Ende gegangen.

Peter – Christian Rose