125 Jahre auf festem Grund

Man muss ja nicht jedes Jubiläum groß feiern, aber an dieser Stelle sollte es vielleicht doch mal gesagt werden: Am 1. Mai 2023 ist die Kirchengemeinde Klafeld still und unbemerkt 125 Jahre alt geworden. Denn am 1. Mai 1898 trat die Gründungsurkunde in Kraft, die das Königlich-Preußische Konsistorium in Münster und die Königliche Bezirksregierung in Arnsberg Ende April verabschiedet hatten. Damit wurde die bisherige „Obere Gemeinde“, bestehend aus den Ortschaften Klafeld, Geisweid, Birlenbach und Dillnhütten, aus der Kirchengemeinde Weidenau ausgegliedert, und Pfarrer Heinrich Bergmann, der seit 1892 die zweite Weide­nauer Pfarrstelle innehatte, wurde zum ersten Pfarrer der neuen Gemeinde. Sie erfuhr von ihrem Glück am Freitag drauf und feierte es schon am folgenden Sonntag, dem 8. Mai, mit einem festlichen Gottesdienst im überfüllten Lutherhaus. Der Kirchenchor sang (den gab’s nämlich schon fünf Jahre länger), und Pastor Bergmann predigte über 1. Korin­ther 3,11-15 mit dem Kernvers: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“

Wichtigstes Argument für die Gründung einer eigenen Gemeinde war damals das rasante Wachstum der Bevölke­rung. 1885 lebten in den genannten Ortschaften gut 2100 Evangelische, bei Gründung der Gemeinde waren es etwa 3500 und bei der Einweihung der Talkirche 1906 be­reits 6300. Inzwischen waren auf eigenen Wunsch auch Ober- und Niedersetzen dazu gesto­ßen, die bisher zum Kirchspiel Netphen gehört hatten. 1913 wurde deshalb endlich eine zweite Pfarrstelle bewilligt.

Einen weiteren großen Wachstumsschub gab es in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg. Die Spitze war in den 1960er Jahren mit fast 14 000 Gemeindegliedern erreicht. Die Gemeinde reagierte darauf mit einem entsprechenden Ausbau der Infrastruktur. Noch beim 100-Jähri­gen Jubiläum 1998 hatte die Gemeinde fünf Pfarrerinnen und Pfarrer, sieben Kirchen und Gemeindehäu­ser, sechs Kitas mit mehr als 50 Beschäftigten und ein Presbyterium mit fast 30 Mitgliedern.

Schon damals waren diese Kleider allerdings zu groß geworden. Die Gemeindegliederzahl sank kontinuierlich, Personal und Gebäude waren kaum noch zu finanzieren. Dass es 2005 mit Sohlbach, Buchen und dem Kölsbachgrund nochmal Zuwachs gab, änderte daran nichts. Und so kam 2006/07 der große Einschnitt: Haushaltssicherung, Schließung der meisten Ge­bäude, Reduzierung des Personals, nur noch drei Pfarrstellen. 2013 wurde dann auch die Trägerschaft der Kitas an den Kirchenkreis abgegeben.

Mit dieser verschlankten Struktur ist die Gemeinde in den letzten Jahren recht gut gefahren. Mit frei gewordenen Kräften und Mitteln konnte Wichtiges fortgeführt und Neues begonnen werden, und an der Talkirche entstand sogar noch ein neues Gemeindezentrum.

Inzwischen zeichnet sich aber ein neuer Umbruch ab. Zur Gemeinde gehören inzwischen nur noch knapp 5900 Menschen – weniger als 1906 – und die Tendenz ist weiter fallend. Zwischen 2027 und 2031 werden die Pfarrerin und die beiden Pfarrer in den Ruhestand gehen. Danach ist wahrscheinlich nur noch eine Pfarrstelle übrig – auch, weil es an Nachwuchs fehlt. Und viele Ehrenamtliche, die im Moment die Gemeinde tragen, werden irgendwann ebenfalls aufhö­ren oder zumindest kürzer treten. Es wird also leider nicht so bleiben können, wie es ist. Wie es trotzdem gut weitergehen kann, darüber wird sich unser Presbyterium in nächster Zeit verstärkt Gedanken machen – beginnend mit einer Perspektivberatung im Haus Nordhelle im September.

Eins macht mir dabei Hoffnung: Diese Kirchengemeinde hat in 125 Jahren manche Krisen-Zeiten erlebt: schon vor ihrer eigentlichen Gründung, als sie viele Glieder an die freie Ge­meinde verlor, in den beiden Weltkriegen, in der Nazi-Zeit, als die Gemeinde zwischen Deut­schen Christen und Bekennender Kirche gespalten war, auch in den Umbrüchen der 2000er Jahre. Sie ist dabei aber immer eine sehr lebendige Gemeinde geblieben. Sie hat es ge­schafft, wenn auch nicht ohne Mühen und Kämpfe, auf die Herausforderungen der jeweili­gen Zeit zu reagieren und sich den Verhältnissen anzupassen. Und vor allem hat sie das nie aufgegeben, was ihr Pastor Bergmann mit den Worten des Paulus schon 1898 ans Herz gelegt hat: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, wel­cher ist Jesus Christus.“ Er ist es, der seine Kirche trägt und erhält, und deshalb bin ich über­zeugt, dass es auch beim nächsten Jubiläum in Geisweid und Umgebung noch Gemeinde Jesu Christi geben wird. In welcher Form die sich dann organisiert, das wird sich finden.

Ihr Pfarrer Martin Klein

PS: Wer mehr über die Geschichte der Gemeinde wissen möchte, dem sei die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen von 1998 empfohlen. Restexemplare sind über das Gemeindebüro immer noch erhältlich, und es gibt sie sogar umsonst!