„Ihr schreibt Geschichte!“
Premiere! Zum ersten Mal in der 123-jährigen Geschichte unserer Kirchengemeinde fand am 1. August in der Talkirche eine Kronjuwelen–Konfirmation statt. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist es auch die erste Jubelkonfirmation dieser Art im gesamten Kirchenkreis Siegen, der noch um einiges älter ist und bereits im Jahre 1818 gegründet wurde. Eine Kronjuwelen-Konfirmation wird übrigens 75 Jahre nach der Einsegnung gefeiert.
Schon eine Stunde vor dem Festgottesdienst herrschte in der Kirche und im angrenzenden Gemeindezentrum „mittendrin“ rege Betriebsamkeit. Hier spielte sich der Posaunenchor Setzen ein, dort versammelten sich nach und nach die Hauptpersonen des Tages, um noch eine Tasse Kaffee zu trinken, um fotografiert zu werden und um letzte Dinge für die Feierlichkeiten abzuklären. Man tauschte sich aus und erinnerte sich mit gemischten Gefühlen an die beiden Konfirmationsgottesdienste am 7. und 14. April 1946, die damals von Pfarrer Erich Schmidt für die Bezirke Klafeld, Hüttental und Birlenbach sowie von Pfarrer Fritz Gossing für die Bezirke Geisweid, Dillnhütten und Setzen gehalten wurden.
Alfred Sünkel erinnert sich noch gut an die damalige Zeit: „Der Krieg war gerade zu Ende gegangen, und Not und Trauer waren durch den Verlust von Angehörigen sehr groß; manche Väter oder Brüder galten als vermisst. Wie im gesamten Umland herrschte auch in unserer Gemeinde unübersehbare Armut. Aber es kamen keine Flieger mehr, wir brauchten nicht mehr in den Bunker und konnten nachts wieder ruhig durchschlafen.“
Den Einsegnungen war eine vierjährige Vorbereitungszeit vorausgegangen: Zwei Jahre Vorkatechumenenzeit und je ein Jahr Katechumenen- und Konfirmandenzeit. Zum Unterricht traf man sich zweimal pro Woche im alten Vereinshaus bzw. im Lutherhaus. „Die beiden Prüfungen fanden dann am 24. und 31. März statt“, so Alfred Sünkel. „Wir, die 102 Mädchen und Jungen, konnten unsere Aufregung nicht verbergen. Denn die Talkirche, die wir auch noch jedes Mal gründlich zu putzen hatten, war an allen vier Sonntagen brechend voll! Und keine und keiner von uns wollte sich beim Aufsagen des Auswendiggelernten blamieren!“ Bei den Konfirmationen trugen die 14-Jährigen selbst genähte Sachen, manche Hemden waren aus Bettbezügen hergestellt worden. Insgesamt war es schwierig und manchmal auch unmöglich, einen Anzug, ein Kleid oder wenigstens den Stoff für ein Kleid zu ergattern. Zu große oder zu kleine Schuhe oder viel zu hohe Absätze ließen das Laufen für manche zur Qual werden. Für das Mittagessen war in allen Familien lange gespart worden. „Aber trotz aller Not und trotz aller Einschränkungen sind wir damals glücklich und zufrieden gewesen!“
Zurück zur jetzigen Kronjuwelen-Konfirmation am 1. August: Nach dem Einzug der zehn Jubilarinnen und vier Jubilare in das ihnen so vertraute Gotteshaus wurden sie von Pfarrerin Almuth Schwichow mit dem Psalmvers „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein“ besonders herzlich begrüßt. „Wir sind schon seit 1996 miteinander verbunden und haben bereits die Goldene, die Diamantene, die Eiserne und die Gnaden-Konfirmation zusammen gefeiert. So freue ich mich, heute auch diesen besonderen Tag mit Ihnen begehen zu können!“
Wie ein roter Faden zogen sich der Begriff „Dankbarkeit“ und das eigentliche Thema „Treue“ durch den feierlichen Abendmahlsgottesdienst. Alle Lesungen, Gebete und Lieder waren darauf abgestimmt; in der Predigt ging es um die Auslegung des Bibelverses „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“ (Off. 2,10). Dann gedachte man der Verstorbenen und der acht Frauen und Männer, die aus gesundheitlichen Gründen dieses Mal nicht hatten kommen können. Musikalisch wurde der Gottesdienst vom Posaunenchor Setzen unter der Leitung von Volker Nöll und von Kantorin Andrea Stötzel an der Orgel mitgestaltet.
Zur sich anschließenden Feier wechselte man ins lichtdurchflutete Gemeindezentrum. Dort warteten liebevoll gedeckte Tische und ein überaus schmackhaftes Vier Gänge – Menü auf die vierzehn Hauptpersonen, einige Angehörige und Gäste. Professionell zubereitet und aufgetragen wurden die Speisen von Küster Jörn Ackerstaff und seiner Ehefrau Nadine. Als gelerntem Koch und als ausgebildete Hotelfachfrau bereitete den beiden die Aufgabe viel Freude und keinerlei Kopfzerbrechen. Nach dem gemeinsamen Essen wagte Alt-Presbyter Peter-Christian Rose einen recht ausführlichen Rückblick auf die „Reise“ der inzwischen 89- und 90-Jährigen von der Vorkatechumenenzeit im Jahr 1942 bis zur jetzigen Kronjuwelen-Konfirmation. Und er sagte: „Ihr schreibt Geschichte – hier und heute – in der Gemeinde und höchstwahrscheinlich auch im gesamten Kirchenkreis!“ Aber er blickte auch nach vorn und sprach das Jahr 2026 und die mögliche „Eichen-Konfirmation“ an. Ob man dann noch einmal zusammenkommen wird? Darauf wollte natürlich niemand eine verbindliche Antwort geben. „Schön wäre es ja“, konnte man hier und da hören, „aber fünf Jahre sind eine recht lange Zeit!“
Anschließend überreichte Pfarrerin Almuth Schwichow jeder Jubilarin und jedem Jubilar eine wunderschön gestaltete Konfirmationsurkunde mit einem Bild der Talkirche und dem Spruch aus dem Buch der Offenbarung. Aber auch die Schenkende erhielt etwas, nämlich Lob und Anerkennung und Blumen; Alfred Sünkel gratulierte ihr im Namen aller: „Am 13. Juni 1993 wurden Sie vom damaligen Superintendenten hier in unserer Kirchengemeinde in Ihr Amt eingeführt. Und am 13. Juni dieses Jahres konnten Sie jetzt ein besonderes Jubiläum feiern: 28 Jahre Predigerin und Seelsorgerin in Klafeld! Keine andere Theologin und kein anderer Theologe war hier länger tätig! Sie „überholten“ die beiden Pfarrer Wilhelm Biederbeck (1949 – 1976) und Burkhard Schäfer (1981 – 2008), die bisher „die Tabelle anführten“ und auf 27 Jahre gekommen sind. Die nächsten Plätze belegen übrigens Pfr. Emil Buscher (1919 – 1945), Pfr. Heinrich Bergmann (1898 – 1922) und Pfr. Harald Mühlbach (1968 – 1992) sowie Pfr. Hans-Peter Adler (1970 – 1992). Wir alle gratulieren Ihnen zu diesem eher „krummen“, aber doch überaus bedeutsamen und geschichtsträchtigen Jubiläum!“
Der besondere Jubel- und Gedenktag endete nach guten und intensiven Gesprächen und dem Austausch von Erinnerungen sowie einem gemeinsamen Kaffeetrinken mit Worten des Dankes, die Alfred Sünkel an alle die richtete, die zum Gelingen dieser Feier mit „Seltenheitswert“ beigetragen hatten. Dabei gebührt ihm selbst der größte Dank, hat er doch seit 1996 alle Jubelkonfirmationen seiner Gruppe mit viel Herzblut, Geschick und Akribie und unter Mithilfe seiner Ehefrau Renate organisiert. Jede und jeder weiß: Ohne einen guten Motor fährt das beste Auto nicht!
Peter-Christian Rose