Predigt Wenschtkirche, Sonntag, 17.04.2016

KONFIRMATIONSGOTTESDIENST

Text: 1.Tim 6,11-12

Du aber, Mensch Gottes, jage nach der Gerechtigkeit, der Frömmig­keit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du be­rufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.

Diese zwei Verse aus dem ersten Brief des Paulus an Timotheus sind einer der klassischen Predigttexte zur Konfirmation. „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“, das war auch mal ein beliebter Konfirma­ti­onsspruch – früher, als die Pasto­ren noch die Sprüche aussuchten. Mein Vater hat ihn zum Beispiel be­kommen, anno 1938, vielleicht auch mancher von den Älteren, die heute hier sitzen. Heute dagegen, wo unsere Kon­fis sich selber für einen Bibelvers entschei­den, kommt kaum noch einer auf 1. Timotheus 6,12. In meiner Auswahl­liste steht der Vers zwar noch drin, aber genommen hat ihn in siebzehn Jahren noch niemand. Anscheinend könnt ihr mit diesem Bibelwort nicht mehr viel anfan­gen. „Kämpfen“ und „Glauben“ – das sind Begriffe, die für euch wohl nicht zusammenpassen.

Wenn man euch fragt, was es für euch heißt, an Gott zu glauben, dann geht es eher um Nähe und Vertrauen. Dass da jemand ist, der mich liebt, der mein Innerstes kennt und bei dem ich in jeder Lage Schutz und festen Halt finde, darauf kommt es euch am meisten an. Wahrscheinlich sind deshalb so viele Psalm- und Verheißungsworte unter euren Konfirmationssprüchen. Sie reden von Gottes Güte und Barmherzigkeit, seiner Wahrheit und seinem guten Geist, die mich führen und begleiten, von seinen Engeln, die mich behüten auf allen Wegen. Sie sprechen euch zu: „Fürchte dich nicht, denn ich, Gott, bin mit dir!“ Und auch in den Sprüchen, wo es mehr ums Handeln geht, ist von Weisheit die Rede, vom Überwinden des Bösen mit Gutem, aber nicht von Kampf.

Also: „guter Kampf des Glaubens“, das klingt fremd, nicht nur in euren Ohren. Gekämpft wird um Stimmen bei der Wahl. Gekämpft wird im Fußballstadion – um die Meisterschaft oder wenigstens ge­gen den Abstieg. Gekämpft wird in Syrien und anderswo – gegen die Unterdrückung, gegen den Terrorismus, gegen die Ungläubigen, je nach Perspektive. Gekämpft wird auch im tägli­chen Leben: um An­erkennung, um gute Noten, um Aus­bildungs­plätze und Arbeitsstellen und über­haupt gegen den Untergang im täglichen Kleinkrieg. Aber Kämpfe um den Glauben oder gar im Namen des Glaubens? Die gab es bei uns früher mal, und es ist gut, dass sie vor­bei sind. Heute ken­nen wir Glaubens­kämpfer nur noch in Gestalt muslimischer Terroris­ten, und die ma­chen uns Angst.

Meint Paulus es auch so? Ruft er seinen Schüler Timotheus zum „Dschihad“ auf wie ein islamistischer Hassprediger? Nein, das tut er nicht. Das „Kämpfen“ ist hier bildlich gemeint, und es ist auch mehr an Wettkampf als an Krieg gedacht. Vielleicht könnte man’s heute so ausdrücken: Setz dich so für deinen Glauben ein, wie ein Sportler, der unbedingt die Goldmedaille gewinnen will. Denn der ist mit Leib und Seele bei der Sache. Der muss nicht nur körperlich hart trainie­ren, sondern sich auch mental auf den Wettkampf vorbereiten, an sich selber und die eigenen Fähigkeiten glauben und den unbedingten Willen zum Sieg mit­bringen. So, sagt Paulus zu Timotheus, so soll auch dein Glaube an Jesus Christus sein. Er soll kein Schattendasein füh­ren in irgendeinem entlegenen Winkel deines Herzens, sondern er soll dein ganzes Leben bestimmen. Du sollst nicht nur dann bei Gott Halt suchen, wenn dir gerade danach ist, sondern dich ganz und im­mer auf ihn verlassen. Und du sollst dann auch so leben, wie es die­sem Glauben entspricht, sollst dich dafür einsetzen, dass es gerecht zu­geht in dieser Welt, und das mit Liebe, Sanftmut und Geduld.

Doch ich fürchte, auch in diesem Sinne ist der „gute Kampf des Glau­bens“ nicht euer Ding. Denn ehe man für einen Glauben kämpft, müsste man ja erst einmal restlos überzeugt sein. So wie der Sportler, für den Gold bei Olympia oder der WM das Allergrößte ist. Aber in Glaubenssa­chen so eine feste Überzeugung zu haben, das ist ver­dammt schwer heutzutage – nicht nur für Jugendliche, wie ihr es seid, aber für euch erst recht. Ihr habt zwar hoffentlich während eurer Konfir­mandenzeit ein paar Erfahrungen mit dem Glauben gesammelt und wisst jetzt mehr darüber als vorher. Und ihr habt mir auch nicht den Eindruck gemacht, als ob euch die Frage nach Gott völlig kalt lässt. Aber neben dem Glauben, den wir euch zu vermit­teln versucht haben, beansprucht auch vieles andere eure Zeit und euren Einsatz: die Schule, die Freunde und die Familie, der Fußball, das Reiten oder das Turnen – und mal ausruhen oder einfach Spaß haben will man ja zwischendurch auch noch. Außerdem ist das Angebot an möglichen Überzeugungen un­überschaubar geworden. Das macht es schwer, sich für eine zu ent­scheiden. Okay, mögt ihr den­ken, vielleicht hat die Bibel Recht – aber vielleicht ja auch der Koran oder der Buddhis­mus. Oder die, die sa­gen, dass man ohne Religion viel besser klar kommt. Da ist es einfacher, das Grübeln über Gott und die Welt ganz sein zu lassen und das Herz lieber an etwas Hand­festes zu hängen – an Geld und Karriere, an einen Fußballverein oder die neusten Su­perstars, an den Freund oder die Freundin. Schon klar, dass man die alle nicht mit Gott ver­glei­chen kann, aber man kann sie we­nigstens greifen und erleben, und wenn sie uns zu sehr enttäuschen, dann su­chen wir eben was anderes.

Aber wenn das alles so ist, wieso predige ich dann überhaupt über diesen Spruch? Wieso noch vom Kampf des Glaubens reden, wenn ihn kaum noch jemand kämpfen will?

Die Antwort steckt für mich in der Anrede am Anfang des Tex­tes: „Du aber, Mensch Gottes“. Konkret ist damit Ti­motheus gemeint. Aber genauso könnte man nicht nur ihn, sondern alle Menschen anre­den. Wir alle sind „Menschen Gottes“. Denn es geht kein Mensch über diese Erde, den Gott nicht liebt – so sehr, dass er selber Mensch wurde: der Mensch Jesus. Und weil ihr alle getauft seid, gilt das auch für euch persönlich: Du, Christian, Dennis, Dominik, Elena, Frauke, Jonathan, Kevin, Lucas, Mara, Nina, Tim, Vivien, du bist ein Mensch Gottes. Du gehörst zu ihm, egal, was du von ihm hältst, egal, ob du das gut findest oder nicht, egal, ob das für dich Konsequenzen hat oder keine. Gott ist für dich da, jederzeit, und er wartet geduldig dar­auf, dass du das für dich wahr sein lässt – irgendwann oder immer wieder. Er beruft dich zu einem erfüllten Leben – hier und jetzt und über den Tod hinaus – und er möchte, dass du es ergreifst und fest­hältst.

Nichts würde mich mehr freuen, als wenn ihr das tun würdet – und wann wäre dazu eine bessere Gelegenheit als heute bei eurer Kon­firmation? Es wäre toll, wenn ihr das Glaubensbekenntnis gleich nicht nur auswendig aufsagt. Es wäre toll, wenn ihr sagt: „Ja, das ist auch mein Bekenntnis, auch wenn ich das eine oder andere daran so nicht glauben kann, auch wenn ich noch nicht alles verstehe. Aber ich möchte zu der Gemeinschaft der Christen gehören, die durch die­ses Bekenntnis verbunden sind. Ich möchte dabeibleiben und mitma­chen, auch wenn andere das uncool finden.

Aber es könnte auch sein, dass dafür jetzt nicht der richtige Zeit­punkt ist. Denn mit vierzehn ist man eher drauf aus, loszulassen, sich abzuna­beln, endlich eigene Wege zu gehen. Und der heutige Tag ist ja auch ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Ihr seid jetzt „religions­mün­dig“. Ihr könnt also mit eurem Glauben machen, was ihr wollt: be­wusst damit leben, ihn erst mal gut wegpacken oder ihn gleich weg­werfen. Nur eins wünsche ich mir dabei für euch: Wenn ihr den gu­ten Kampf des Glaubens nicht kämpfen könnt, weil euch dazu die nötige Überzeugung fehlt, dann kämpft we­nigstens weiter darum, eure eigene Glaubensüberzeugung zu finden. Gebt euch nicht zufrieden mit dem, was andere euch vorkauen. Hängt euch nicht an vergängliche Dinge oder an Menschen, denn sie kön­nen keinen wirkli­chen Halt bieten, so wichtig und wertvoll sie uns auch sein mö­gen. Fragt weiter nach Gott. Sucht euren eigenen Weg, wie ihr an ihn glauben könnt, auch wenn der vielleicht ganz anders aussieht als das, was ihr bei uns kennen gelernt habt. Wenn es stimmt, dass Gott Mensch ge­worden ist und ihr seine Menschen seid, dann wird er sich von euch finden lassen, auch auf verschlungenen Wegen. Und wenn wir euch dabei helfen können, wie und wann auch immer, dann wol­len wir es gern tun.

Einen alten Segenswunsch aus Irland möchte ich euch dazu noch mitge­ben, und damit höre ich auf:

Möge dein Weg dir freundlich entgegenkommen,

möge der Wind dir den Rücken stärken.

Möge die Sonne dein Gesicht erhellen

und der Regen um dich her die Felder tränken.

Und bis wir beide, du und ich, uns wieder sehen,

möge Gott dich schützend in seiner Hand halten.

Amen.

Pfarrer Dr. Martin Klein