KONFIRMATIONSGOTTESDIENST
Text: 1.Tim 6,11-12
Du aber, Mensch Gottes, jage nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.
Diese zwei Verse aus dem ersten Brief des Paulus an Timotheus sind einer der klassischen Predigttexte zur Konfirmation. „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“, das war auch mal ein beliebter Konfirmationsspruch – früher, als die Pastoren noch die Sprüche aussuchten. Mein Vater hat ihn zum Beispiel bekommen, anno 1938, vielleicht auch mancher von den Älteren, die heute hier sitzen. Heute dagegen, wo unsere Konfis sich selber für einen Bibelvers entscheiden, kommt kaum noch einer auf 1. Timotheus 6,12. In meiner Auswahlliste steht der Vers zwar noch drin, aber genommen hat ihn in siebzehn Jahren noch niemand. Anscheinend könnt ihr mit diesem Bibelwort nicht mehr viel anfangen. „Kämpfen“ und „Glauben“ – das sind Begriffe, die für euch wohl nicht zusammenpassen.
Wenn man euch fragt, was es für euch heißt, an Gott zu glauben, dann geht es eher um Nähe und Vertrauen. Dass da jemand ist, der mich liebt, der mein Innerstes kennt und bei dem ich in jeder Lage Schutz und festen Halt finde, darauf kommt es euch am meisten an. Wahrscheinlich sind deshalb so viele Psalm- und Verheißungsworte unter euren Konfirmationssprüchen. Sie reden von Gottes Güte und Barmherzigkeit, seiner Wahrheit und seinem guten Geist, die mich führen und begleiten, von seinen Engeln, die mich behüten auf allen Wegen. Sie sprechen euch zu: „Fürchte dich nicht, denn ich, Gott, bin mit dir!“ Und auch in den Sprüchen, wo es mehr ums Handeln geht, ist von Weisheit die Rede, vom Überwinden des Bösen mit Gutem, aber nicht von Kampf.
Also: „guter Kampf des Glaubens“, das klingt fremd, nicht nur in euren Ohren. Gekämpft wird um Stimmen bei der Wahl. Gekämpft wird im Fußballstadion – um die Meisterschaft oder wenigstens gegen den Abstieg. Gekämpft wird in Syrien und anderswo – gegen die Unterdrückung, gegen den Terrorismus, gegen die Ungläubigen, je nach Perspektive. Gekämpft wird auch im täglichen Leben: um Anerkennung, um gute Noten, um Ausbildungsplätze und Arbeitsstellen und überhaupt gegen den Untergang im täglichen Kleinkrieg. Aber Kämpfe um den Glauben oder gar im Namen des Glaubens? Die gab es bei uns früher mal, und es ist gut, dass sie vorbei sind. Heute kennen wir Glaubenskämpfer nur noch in Gestalt muslimischer Terroristen, und die machen uns Angst.
Meint Paulus es auch so? Ruft er seinen Schüler Timotheus zum „Dschihad“ auf wie ein islamistischer Hassprediger? Nein, das tut er nicht. Das „Kämpfen“ ist hier bildlich gemeint, und es ist auch mehr an Wettkampf als an Krieg gedacht. Vielleicht könnte man’s heute so ausdrücken: Setz dich so für deinen Glauben ein, wie ein Sportler, der unbedingt die Goldmedaille gewinnen will. Denn der ist mit Leib und Seele bei der Sache. Der muss nicht nur körperlich hart trainieren, sondern sich auch mental auf den Wettkampf vorbereiten, an sich selber und die eigenen Fähigkeiten glauben und den unbedingten Willen zum Sieg mitbringen. So, sagt Paulus zu Timotheus, so soll auch dein Glaube an Jesus Christus sein. Er soll kein Schattendasein führen in irgendeinem entlegenen Winkel deines Herzens, sondern er soll dein ganzes Leben bestimmen. Du sollst nicht nur dann bei Gott Halt suchen, wenn dir gerade danach ist, sondern dich ganz und immer auf ihn verlassen. Und du sollst dann auch so leben, wie es diesem Glauben entspricht, sollst dich dafür einsetzen, dass es gerecht zugeht in dieser Welt, und das mit Liebe, Sanftmut und Geduld.
Doch ich fürchte, auch in diesem Sinne ist der „gute Kampf des Glaubens“ nicht euer Ding. Denn ehe man für einen Glauben kämpft, müsste man ja erst einmal restlos überzeugt sein. So wie der Sportler, für den Gold bei Olympia oder der WM das Allergrößte ist. Aber in Glaubenssachen so eine feste Überzeugung zu haben, das ist verdammt schwer heutzutage – nicht nur für Jugendliche, wie ihr es seid, aber für euch erst recht. Ihr habt zwar hoffentlich während eurer Konfirmandenzeit ein paar Erfahrungen mit dem Glauben gesammelt und wisst jetzt mehr darüber als vorher. Und ihr habt mir auch nicht den Eindruck gemacht, als ob euch die Frage nach Gott völlig kalt lässt. Aber neben dem Glauben, den wir euch zu vermitteln versucht haben, beansprucht auch vieles andere eure Zeit und euren Einsatz: die Schule, die Freunde und die Familie, der Fußball, das Reiten oder das Turnen – und mal ausruhen oder einfach Spaß haben will man ja zwischendurch auch noch. Außerdem ist das Angebot an möglichen Überzeugungen unüberschaubar geworden. Das macht es schwer, sich für eine zu entscheiden. Okay, mögt ihr denken, vielleicht hat die Bibel Recht – aber vielleicht ja auch der Koran oder der Buddhismus. Oder die, die sagen, dass man ohne Religion viel besser klar kommt. Da ist es einfacher, das Grübeln über Gott und die Welt ganz sein zu lassen und das Herz lieber an etwas Handfestes zu hängen – an Geld und Karriere, an einen Fußballverein oder die neusten Superstars, an den Freund oder die Freundin. Schon klar, dass man die alle nicht mit Gott vergleichen kann, aber man kann sie wenigstens greifen und erleben, und wenn sie uns zu sehr enttäuschen, dann suchen wir eben was anderes.
Aber wenn das alles so ist, wieso predige ich dann überhaupt über diesen Spruch? Wieso noch vom Kampf des Glaubens reden, wenn ihn kaum noch jemand kämpfen will?
Die Antwort steckt für mich in der Anrede am Anfang des Textes: „Du aber, Mensch Gottes“. Konkret ist damit Timotheus gemeint. Aber genauso könnte man nicht nur ihn, sondern alle Menschen anreden. Wir alle sind „Menschen Gottes“. Denn es geht kein Mensch über diese Erde, den Gott nicht liebt – so sehr, dass er selber Mensch wurde: der Mensch Jesus. Und weil ihr alle getauft seid, gilt das auch für euch persönlich: Du, Christian, Dennis, Dominik, Elena, Frauke, Jonathan, Kevin, Lucas, Mara, Nina, Tim, Vivien, du bist ein Mensch Gottes. Du gehörst zu ihm, egal, was du von ihm hältst, egal, ob du das gut findest oder nicht, egal, ob das für dich Konsequenzen hat oder keine. Gott ist für dich da, jederzeit, und er wartet geduldig darauf, dass du das für dich wahr sein lässt – irgendwann oder immer wieder. Er beruft dich zu einem erfüllten Leben – hier und jetzt und über den Tod hinaus – und er möchte, dass du es ergreifst und festhältst.
Nichts würde mich mehr freuen, als wenn ihr das tun würdet – und wann wäre dazu eine bessere Gelegenheit als heute bei eurer Konfirmation? Es wäre toll, wenn ihr das Glaubensbekenntnis gleich nicht nur auswendig aufsagt. Es wäre toll, wenn ihr sagt: „Ja, das ist auch mein Bekenntnis, auch wenn ich das eine oder andere daran so nicht glauben kann, auch wenn ich noch nicht alles verstehe. Aber ich möchte zu der Gemeinschaft der Christen gehören, die durch dieses Bekenntnis verbunden sind. Ich möchte dabeibleiben und mitmachen, auch wenn andere das uncool finden.
Aber es könnte auch sein, dass dafür jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist. Denn mit vierzehn ist man eher drauf aus, loszulassen, sich abzunabeln, endlich eigene Wege zu gehen. Und der heutige Tag ist ja auch ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Ihr seid jetzt „religionsmündig“. Ihr könnt also mit eurem Glauben machen, was ihr wollt: bewusst damit leben, ihn erst mal gut wegpacken oder ihn gleich wegwerfen. Nur eins wünsche ich mir dabei für euch: Wenn ihr den guten Kampf des Glaubens nicht kämpfen könnt, weil euch dazu die nötige Überzeugung fehlt, dann kämpft wenigstens weiter darum, eure eigene Glaubensüberzeugung zu finden. Gebt euch nicht zufrieden mit dem, was andere euch vorkauen. Hängt euch nicht an vergängliche Dinge oder an Menschen, denn sie können keinen wirklichen Halt bieten, so wichtig und wertvoll sie uns auch sein mögen. Fragt weiter nach Gott. Sucht euren eigenen Weg, wie ihr an ihn glauben könnt, auch wenn der vielleicht ganz anders aussieht als das, was ihr bei uns kennen gelernt habt. Wenn es stimmt, dass Gott Mensch geworden ist und ihr seine Menschen seid, dann wird er sich von euch finden lassen, auch auf verschlungenen Wegen. Und wenn wir euch dabei helfen können, wie und wann auch immer, dann wollen wir es gern tun.
Einen alten Segenswunsch aus Irland möchte ich euch dazu noch mitgeben, und damit höre ich auf:
Möge dein Weg dir freundlich entgegenkommen,
möge der Wind dir den Rücken stärken.
Möge die Sonne dein Gesicht erhellen
und der Regen um dich her die Felder tränken.
Und bis wir beide, du und ich, uns wieder sehen,
möge Gott dich schützend in seiner Hand halten.
Amen.
Pfarrer Dr. Martin Klein