| Evangelische Kirche von
 Westfalen
 Der Präses
|   An die Pfarrerinnen
 und Pfarrer
 Presbyterinnen und Presbyter
 Mitarbeiterinnen
 und Mitarbeiter in den Gemeinden,
 Kirchenkreisen,
 Ämtern und Einrichtungen
 Mitglieder der Synoden
 und
 Kreissynodalvorstände
 | 
 |  20.06.2006   Liebe Schwestern und Brüder, in diesen Wochen beherrscht eine Frage dieDiskussionen und Beratungen in Presbyterien, Synoden und anderen
 Leitungsorganen unserer Kirche: Wie kommen wir in den vor uns liegenden
 Jahren mit erheblich geringeren Finanzzuweisungen aus der Kirchensteuerverteilung
 zurecht? Diese Frage geht für viele Beteiligte über die Schmerzgrenze
 hinaus und ruft Ratlosigkeit, Ärger, Unsicherheit und Existenzangst
 hervor.
 Ich wende mich mit diesem Brief an alle, die haupt-
 oder ehrenamtlich in unserer Evangelischen Kirche von Westfalen
 (EKvW) Leitungsaufgaben wahrnehmen und in ihr haupt- oder nebenamtlich
 Dienst tun. Dabei leiten mich drei Motive:
 
Zum einen liegt mir daran, Ihnen dieszu sagen: In der Kirchenleitung, im Landeskirchenamt und bei
 mir kommt an, was Sie in den Gemeinden, Kirchenkreisen, Ämtern
 und Einrichtungen unserer EKvW umtreibt. Wir müssen die Probleme
 jetzt besonders genau kennen und wahrnehmen, damit wir auf allen
 Ebenen der EKvW in unserem Tun und Lassen geerdet bleiben.
Zum anderen sollen Sie Informationendarüber bekommen, welche Faktoren zu dieser Situation in unserer
 Kirche geführt haben und welche Entwicklung – nach menschlichem
 Erkenntnisvermögen – zu erwarten ist.
Zum dritten möchte ich Ihnen einige Aspektenennen, die mir aus unserem Reformprozess Kirche mit Zukunft
 und aus Diskussionen innerhalb der EKD auf dem Herzen liegen.
 
   I.  Was heute ist: Situation Die Finanzentwicklung innerhalb der EKvW sowieEindrücke aus Gesprächen, Briefen, Besuchen, Visitationsberichten,
 Synodalversammlungen, Pfarrkonferenzen oder Synoden zeigen mir,
 dass die Solidarität zwischen den verschiedenen Handlungsebenen
 und Berufsgruppen in unserer Kirche auf eine harte Probe gestellt
 ist. Ohne Zweifel stehen wir allerorten vor der Aufgabe, eine große
 Kirche kleiner zu setzen. Das erfordert harte Schnitte, die nicht
 nur Sachen betreffen, sondern Beziehungen zwischen Menschen erheblich
 berühren.
 Presbyterinnen und Presbyter bringen ihreGaben und Kräfte ehrenamtlich ein, um Kirche mitzugestalten. Unversehens
 stehen sie in dem Konflikt, die Schließung von Kirchen, Gemeindehäusern
 oder das Ende ganzer Arbeitsbereiche mit verantworten zu müssen.
 Immer häufiger stehen Arbeitsplätze von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
 zur Disposition, weil die finanzielle Absicherung nicht mehr gewährleistet
 werden kann. Oft ist nicht klar, ob es für die Betroffenen einen
 neuen Arbeitsplatz gibt. Pfarrstellen geraten unter Druck, weil
 die Zahl der Gemeindeglieder schwindet. Der Arbeitsumfang und die
 Konflikte wachsen, das Gehalt aber wird kleiner. Junge Theologinnen
 und Theologen kommen kaum in reguläre Pfarrstellen, weil sie nicht
 ausgeschrieben werden können. Zwischen Menschen, die lange Zeit
 vertrauensvoll als Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche zusammengearbeitet
 haben, gerät die Kommunikation in Schieflage.
 Auch Kirchen werden – Gott sei Dank – nichtnur als beliebige Mauerwerke wahrgenommen, sondern als Gotteshäuser.
 Mit der Umwidmung von Kirchen werden persönliche Empfindungen angetastet:
 Segen und Fluch, Freude und Trauer, Lob und Flehen fanden für viele
 Menschen ihren Ausdruck an genau diesem Ort. Damit muss sensibel
 umgegangen werden, wenn es keine Alternative zur Entwidmung eines
 Gotteshauses mehr gibt. Gerade in Zeiten des Rückbaus ist es wichtig,
 Sachen zu klären und Personen zu stärken.
 Es liegt zwar im Wesen einer presbyterial-synodalverfassten Kirche wie der EKvW, dass sich Leitungsprozesse vielstimmig
 und auch kontrovers gestalten. Eine wichtige Voraussetzung für ihr
 Gelingen ist aber die Kenntnis und Transparenz der Entscheidungsgrundlagen,
 sonst lässt uns die Not zu vielen Strohhalmen greifen, die nicht
 tragen. Wir müssen nun die Realitäten anerkennen und unsere Kirche
 auf allen Ebenen zurückbauen. Jetzt zeigen sich unübersehbar die
 Folgen früherer Entscheidungen. Vor sieben Jahren wurde in unserer
 Reformschrift Kirche mit Zukunft (S. 25f) festgehalten: „Die finanzielle
 Situation der Evangelischen Kirche von Westfalen wird … auch davon
 bestimmt, dass die seit 1985 bekannte, für die EKvW problematische
 demographische Entwicklung nicht rechtzeitig genug in eine vorausschauende
 und bezahlbare Personalplanung umgesetzt wurde. Die EKvW hat in
 den Jahren 1970 bis 1997 etwa 20 Prozent ihrer Mitglieder verloren,
 in dieser Zeit aber ihre Beschäftigtenzahl um fast 90 Prozent erhöht.“
 
 Die (auf den Seiten 19 bis 28) in der Reformschriftzutreffend beschriebene Entwicklung wird gegenwärtig Realität; in
 den vergangenen Monaten mussten wir allerdings erkennen, dass die
 damit verbundene Finanzproblematik durch zwei weitere „hausgemachte“
 Faktoren verschärft ist: die Versorgungskasse für Pfarrerinnen und
 Pfarrer zeigt erhebliche Deckungslücken; und Rückzahlungen beim
 Clearing in der Kirchensteuerzuweisung innerhalb der EKD sind nicht
 ausreichend durch Rücklagen gedeckt. Durch diese Entwicklung wurden
 den bisherigen Planungen auf allen Ebenen der EKvW die bis dahin
 gültigen Basisdaten entzogen. Der Rückbau muss in noch schärferem
 Tempo vollzogen werden. Dies hat vielerorts Verständnislosigkeit
 und Ärger hervorgerufen.
 II.  Was gestern war: UrsachenVersorgungskasse
 Im gesamten Bereich der Versorgungskasse,also Rheinland, Westfalen und Lippe, stehen heute etwa 5.200 Aktiven
 4.080 Leistungsempfänger gegenüber. 2030 werden nur noch für etwa
 1.500 Aktive Beiträge zahlen, aber mehr als 6.200 Ruheständler zu
 versorgen sein. Die Summe der fälligen Ruhestandsbezüge (2005: 139
 Millionen) wird also bis 2030 um das 2,3-fache zunehmen. Gleichzeitig
 nimmt das Beitragsvolumen wegen der geringer werdenden Zahl der
 Aktiven kontinuierlich ab.
 Die Ursachen reichen in die achtziger Jahrezurück. Damals zeichnete sich ab, dass viel mehr junge Leute Theologie
 studierten, als Pfarrstellen vorhanden waren. Bis 1992 wuchsen die
 Kirchensteuereinnahmen stetig. Damit wuchs auch die Überzeugung,
 dass keine Theologen nach bestandenem Examen arbeitslos werden sollten.
 Zuvor hatte es jahrelang starken Mangel an Pfarrern gegeben: Diese
 Erfahrung war noch gegenwärtig.
 Um die Theologenstellen zu finanzieren, senkteman die Versorgungskassenbeiträge von 40 auf 30 Prozent der Bemessungsgrundlage
 (Endgehalt eines Pfarrers) und bildete daraus eine Rücklage für
 die Pfarrbesoldung. 1992 beschloss die Landessynode, für die absehbaren
 hohen Zahlungen an die ostdeutschen Landeskirchen an das Sparbuch
 zu gehen – nämlich an die Rücklage, die ursprünglich für die Bezahlung
 zusätzlicher Theologen auch außerhalb der Pfarrstellen gebildet
 worden war.
 Doch die „blühenden Landschaften“ bliebenaus, die Konjunktur entwickelte sich nicht wie erhofft. Hinzu kamen
 die Reformen der Lohn- und Einkommenssteuer seit 1993: Die Kirchensteuereinnahmen
 brachen weg. Die Landessynode sah sich gezwungen, Beschränkungen
 der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst zu beschließen und erhebliche
 Eingriffe in das Dienstrecht vorzunehmen. Heute stehen in der EKvW
 1540 Pfarrerinnen und Pfarrern auf regulären Stellen 469 Kolleginnen
 und Kollegen im Entsendungsdienst und 131 Beschäftigungsaufträge
 gegenüber.
 Ab 2002 wurde das Beitragssystem der Versorgungskasse
 grundlegend überarbeitet. Heute liegt der Beitragssatz für die Versorgungskasse
 bei 50 Prozent und erhöht sich künftig um jeweils einen Prozentpunkt
 pro Jahr bis zu 60 Prozent. Das wird jedoch nicht ausreichen, um
 die Versorgung auch über das Jahr 2030 hinaus zu sichern. Deshalb
 ist, wie im Rundschreiben vom 23. Dezember 2005 angekündigt, neben
 den jetzigen Stellenbeiträgen auch ein Beitrag für die Leistungen
 der Versorgungsempfänger notwendig. Voraussichtlich muss die Landeskirche
 dazu für 2007 rund 3,5 Millionen Euro aufbringen, für 2008 sieben
 und für 2009 elf Millionen Euro.
 Clearing Das laufende wie auch die nächsten Haushaltsjahrewerden durch erhebliche Rückzahlungen aus dem Kirchenlohnsteuer-Verrechnungsverfahren,
 dem sogenannten Clearing, belastet werden.
 Was ist darunter zu verstehen und wie kommtdas? Die Kirchenlohnsteuer wird zusammen mit der Lohnsteuer vom
 Arbeitgeber einbehalten und an das Betriebsstättenfinanzamt abgeführt.
 Sie steht der Landeskirche zu, in der die evangelischen Erwerbstätigen
 wohnen. Da Betriebsstätten und Wohnsitze ungleich über die Landeskirchen
 verteilt sind, geht die Kirchenlohnsteuer vielfach bei Landeskirchen
 ein, denen sie gar nicht zusteht. Es bedarf daher eines Abrechnungsverfahrens,
 damit die Landeskirchen die Kirchenlohnsteuer ihrer Gemeindeglieder
 erhalten. Dieses Verfahren wird von der Clearing-Stelle beim Kirchenamt
 der EKD durchgeführt: Landeskirchen mit überhöhtem Kirchenlohnsteueraufkommen
 leisten Abschlagszahlungen, Landeskirchen mit zu niedrigem Aufkommen
 erhalten Vorauszahlungen. Die Abrechnung erfolgt, sobald die Finanzverwaltung
 einen abgeschlossenen und ausgewerteten Veranlagungszeitraum vorlegt.
 Damit kann die Abrechnung frühestens nach drei Jahren erfolgen.
 So resultieren die aktuellen Rückzahlungsverpflichtungen für Westfalen
 aus der Abrechnung für das Jahr 2001 und den zu erwartenden Abrechnungen
 für die Jahre 2002 ff.
 Die Festsetzung der Vorauszahlungen beruhtnaturgemäß auf Basiszahlen zurückliegender Jahre. Veränderungen
 wie etwa die Verlagerung von Betriebsstätten, Wanderungsbewegungen
 der Erwerbstätigen und Verschiebungen in der Finanzkraft zwischen
 den Landeskirchen auf Grund der unterschiedlichen regionalen Wirtschaftsentwicklung
 können das spätere Abrechnungsergebnis erheblich verändern. Die
 EKD hat wegen der Risiken des Systems seit jeher die Bildung einer
 Rückstellung in Höhe eines Clearing-Jahresaufkommens empfohlen.
 Wohl unter dem Eindruck, dass Clearing-Abrechnungen regelmäßig zu
 Nachzahlungen führen, wurde dieser Empfehlung lange Zeit nicht gefolgt.
 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die EKvW 1988
 eine Nachzahlung von 70 Millionen Euro erhielt. Damit wurde das
 Initiativ-Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Kirche und
 Diakonie aufgelegt. Die Bildung einer Clearing-Rückstellung erfolgte
 nicht.
 Ab 1997 wurde mit dem Aufbau einer solchenRückstellung begonnen. Bis 2006 wurden rund 25 Millionen Euro zurückgelegt.
 Einschließlich der noch erwarteten Abrechnung für das Jahr 2002
 werden jedoch im laufenden Jahr etwa 40 Millionen Euro zur Rückzahlung
 fällig. Damit muss die Rückstellung aufgestockt werden: Statt rund
 sechs Millionen Euro – wie von der letzten Landessynode in Aussicht
 genommen – sind 20 Millionen notwendig. Die gleiche Summe dürfte
 auch in den Folgejahren anzusetzen sein.
 III. Was morgen sein könnte: Zukunftsmöglichkeiten Mit den hier skizzierten Entwicklungen sinddie in der Vorlage Kirche mit Zukunft prognostizierten Finanzrückgänge
 beschleunigt Realität geworden. Die Folgen treffen die EKvW auf
 allen Ebenen, von der Gemeinde vor Ort bis zur Landeskirche. Jetzt
 gilt es zu sehen, was ist. Eine tiefgreifende Bewusstseinsänderung
 ist nötig. Wir müssen die Größe und die Strukturen unserer Kirche
 der Mitgliederentwicklung anpassen und dabei das Kleinerwerden gestalten.
 
 Die sehr viel geringeren Einnahmen aus derKirchensteuer können nicht annähernd durch andere Mittel ausgeglichen
 werden. Dennoch ist jetzt viel Fantasie und Kreativität gefragt,
 um neue Finanzquellen für wichtige kirchliche Arbeitsbereiche zu
 erschließen. Manches ist auf dem Weg: Wir investieren in Fundraising-Ausbildung,
 Stiftungen werden vielerorts zur Sicherung kirchlicher Arbeitsfelder
 ins Leben gerufen und eine Gesetzesvorlage über die Einführung von
 Kirchenbeiträgen für Bezieher von Alterseinkünften wird der Landessynode
 2006 vorgelegt. Auch müssen wir uns – wahrlich nicht nur aus finanziellen
 Gründen – daran erinnern, dass es in Westfalen etwa 400.000 Getaufte
 gibt, die in den letzten 25 Jahren die EKvW verlassen haben. Etwa
 zwölf Prozent von ihnen sind seitdem wieder in die Kirche eingetreten.
 Uns kann es nicht gleichgültig lassen, dass 350.000 Getaufte ihrer
 Kirche den Rücken gekehrt haben. „…weil die Getauften durch ihre
 Taufe in die Kirche, in den Leib Christi eingefügt worden sind,
 bedeutet die Entscheidung zum Austritt eine Wunde an diesem Leib,
 einen Verlust für die Gemeinschaft in der konkreten Gemeinde, aber
 auch einen (ihnen selbst oft nicht bewussten) geistlichen Schaden
 der Getauften, die die Verbindung zu der für das Leben wesentlichen
 Quelle verlieren.“ (aus: Taufe und Kirchenaustritt – Theologische
 Erwägungen der Kammer für Theologie zum Dienst der evangelischen
 Kirche an den aus ihr Ausgetretenen, S. 12)
 Mit Wiedereintrittsstellen erzielen wir beachtlicheErfolge. Die Zahl der Austritte hat sich in den letzten Jahren zu
 den Eintritten vom Verhältnis drei zu eins (drei Austritten stand
 ein Eintritt gegenüber) auf das Verhältnis von zwei zu eins verändert.
 Dennoch: Jeder Austritt ist einer zu viel, und es gilt, den Ausgetretenen
 nachzugehen.
  Im September 2006 werde ich das ProjektMit Kindern neu anfangen eröffnen. Wenn die Glaubensweitergabe in
 den Familien nicht mehr gelingt, müssen Kinder und Jugendliche durch
 ihre Kirche erfahren und erleben, dass sie getauft sind und zur
 Kirche gehören. Die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation
 ist eine unserer vornehmsten Aufgaben. So muss die religiöse Erziehung
 von Kindern und Jugendlichen in unserem Blickfeld bleiben, selbst
 wenn wir mancherorts die Trägerschaft von eigenen Einrichtungen
 nicht mehr finanzieren können.
 „Wir wollen eine Kirche sein, die sichihres Glaubens und ihrer evangelischen Identität in allen Reformen
 bewusst bleibt, die Menschen in ihren Fragen und Problemen wahrnimmt
 und ihnen die bedingungslose Zuwendung Gottes zuspricht. Wir wirken
 an der ethischen Orientierung in unserer Gesellschaft mit und mahnen
 notwendige Veränderungen an“, heißt es im Kirchenbild der EKvW
 (Unser Leben – Unser Glaube – Unser Handeln). Das fordert uns heraus,
 auch die eigenen Realitäten ungeschminkt wahrzunehmen und notwendige
 Veränderungen anzugehen.
  Hauptursache für die Finanzentwicklungin der EKvW ist der Mitgliederrückgang. Hinzu kommen von uns nicht
 direkt beeinflussbare Faktoren wie die wirtschaftliche Entwicklung
 und die Steuerpolitik des Bundes, die zu leeren öffentlichen Kassen
 geführt hat. Finanziell magere Jahre werden auf uns zukommen. Auch
 wenn wir nennenswerte zusätzliche Finanzquellen erschließen sollten,
 stehen wir jetzt auf allen Ebenen unserer Kirche vor der Frage,
 welches eigene Profil wir stärken, was wir mit anderen gemeinsam
 tun und was wir aufgeben müssen. Finanziell magere Jahre sind nicht
 automatisch auch geistlich magere Zeiten. So nannte Josef seinen
 – zwischen fetten und mageren Jahren in Ägypten – Zweitgeborenen
 Ephraim, denn Gott hat mich wachsen lassen im Lande meines Elends
 (1.Mose 41, 52).
 Mir ist daran gelegen, dass auch in Zukunftviele Menschen in unterschiedlichen Milieus und Lebenskulturen vom
 Evangelium erreicht werden. Deshalb bitte ich alle, die in unserer
 EKvW Leitungsverantwortung haben, bei ihren Entscheidungen die in
 unserem Kirchenbild (Unser Leben – Unser Glaube – Unser Handeln)
 aufgeführten Dimensionen kirchlichen Handelns im Blick zu haben.
 Es wird von großer Bedeutung sein, dass Menschen im Jahreslauf und
 im Lebenslauf, aber auch in unterschiedlichsten Lebenslagen erfahren:
 Ihre Kirche hat ein Gesicht, und das Evangelium ist zu hören und
 zu spüren. So formuliert es das Kirchenbild der EKvW:
 „Damit
 die christliche Botschaft möglichst viele Menschen erreicht, muss
 kirchliches Handeln in vielfältigen Diensten und Angeboten Gestalt
 annehmen – in Ortsgemeinden und gemeindeübergreifenden Diensten
 im Kirchenkreis und in landeskirchlichen Ämtern und Werken… Durch
 dieses breit gefächerte Angebot in den Ortsgemeinden und den funktionalen
 Arbeitsbereichen ist unsere Kirche vielfältig im Alltag der Menschen
 und der Gesellschaft präsent“ (Unsere Geschichte – Unser Selbstverständnis,
 S. 28 f). Wir fragen jetzt noch intensiver danach, durch welche
 bestehenden Strukturen die Verkündigung des Evangeliums behindert
 oder gefördert wird. Auf allen Ebenen ist jetzt Aufgabenkritik dran:
 Was müssen wir tun, was können wir lassen? Was können wir gut, was
 können andere besser? Was können wir mit anderen tun? Was können
 andere für uns mit erledigen? (Nach den Sommerferien 2006 wird eine
 Arbeitshilfe vorliegen mit dem Titel Gemeinde auf gutem Grund.
 Eine Hinführung zur Erstellung von Gemeindekonzeptionen für Kirchengemeinden
 und Kirchenkreise. Kriterien – Planungshilfen – Arbeitsfolien. Die
 Grundsätze zu Führung, Leitung und Zusammenarbeit in der EKvW sollten
 in der jetzigen Situation unbedingt Beachtung finden: siehe dazu
 www.reformprozess.de.)
 
 Wir haben also jetzt zu entscheiden, welcheArbeitsfelder wir stärken, bündeln oder auch aufgeben wollen. Mir
 hilft es gegenwärtig, bei solchen Entscheidungen im Sieben-Jahres-Duktus
 nach vorne zu denken und zum Beispiel die Frage zu stellen, wodurch
 unsere Kirche in zweimal sieben Jahren herausgefordert und was in
 zweimal sieben finanziell mageren Jahren noch zu finanzieren sein
 wird. Dann fällt es mir leichter, mich den aufscheinenden Konturen
 unserer EKvW in der Zukunft zuzuwenden, statt mich im Abschied von
 liebgewordenen Strukturen zu verheddern. (Vor zweimal sieben Jahren
 – 1992 – hatten wir das höchste Kirchensteueraufkommen; seitdem
 haben wir 25 Prozent an Finanzkraft eingebüßt. Vor einmal sieben
 Jahren begann unser Reformprozess Kirche mit Zukunft.)
 Dies steht mir als Vision vor Augen: In zweimalsieben Jahren wird unsere EKvW viel kleiner sein als jetzt, mit
 bedeutend weniger Mitgliedern, Kirchen und Gemeindehäusern. Statt
 gegenwärtig 2100 tun noch etwa 1200 Pfarrerinnen und Pfarrer in
 ihr Dienst. Weitere Hauptamtliche bilden vor allem ehrenamtlich
 Mitarbeitende fort. Die Kirchensteuer dient der Grundfinanzierung.
 Weitere Arbeitsfelder werden aus anderen Finanzquellen unterhalten.
 Es gibt weniger Kirchenkreise. Gemeinsame Dienstleistungseinrichtungen
 für mehrere Kirchenkreise sind selbstverständlich geworden. Zahlreiche
 unterschiedliche Gemeindeformen ergänzen sich zu einer bunten Landschaft.
 Die Trennung zwischen ortsgemeindlichen und gemeinsamen Diensten
 ist weitgehend überwunden. Gemeinden existieren in der klassischen
 Parochie ebenso selbstverständlich wie zum Beispiel im Zusammenhang
 von Stadteilzentren, Citykirchen, Schulen, Freizeiteinrichtungen
 oder als Profilgemeinden mit geistlichem, kirchenmusikalischem,
 sozialem, kulturellem oder jugendbezogenem Schwerpunkt. Viele der
 historischen Kirchen sind Zentren mit großer Ausstrahlungskraft,
 weil hier geistliches, diakonisches, seelsorgliches, ökumenisches
 und gesellschaftspolitisches Leben und Handeln der Gemeinde konzentriert
 worden sind. In strukturschwachen Gebieten entwickeln sich kirchliche
 Zentren zu quirligen Mittelpunkten und wirken der Verödung ganzer
 Landstriche entgegen. Sie beherbergen einen Knotenpunkt ländlicher
 Infrastruktur oder städtischer Kommunikationskultur. In kirchlichen
 Bistros gibt es die Poststelle, Brötchen, Zeitungen, Tickets und
 auch eine einladende Gastronomie. So wird zugleich die Gemeindearbeit
 mit finanziert. Diese kirchlichen Zentren sind auch Anlauf- und
 Ruhepunkt für Leib und Seele. Vielerorts hat man sich ökumenisch
 zusammengetan…
 Das sind meine Vorstellungen. Ich bitte Sieherzlich, selber solche Szenarien für die Zukunft Ihres Verantwortungsbereiches
 zu entwickeln. Sie mögen Ihnen wirklichkeitsnäher erscheinen als
 meine. Ich möchte hier diesen Stein ins Wasser werfen, damit er
 Kreise zieht.
 Der Rat der EKD hat einen solchen Perspektivwechselschon vor einiger Zeit als notwendig herausgestellt. Er verlangt
 eine Umkehrung in der Begründung für die Existenz kirchlicher Arbeitsfelder:
 Nicht die lange Tradition eines Arbeitsgebietes, sondern seine Bedeutung
 für die Zukunft soll maßgeblich für seinen Stellenwert sein. In
 Kürze wird der Rat der EKD unter dem Titel „Kirche der Freiheit“
 eine Ausarbeitung zu Perspektiven der Evangelischen Kirche im 21.
 Jahrhundert vorlegen. Darin sind viele Aspekte unseres Reformprozesses
 Kirche mit Zukunft aufgenommen und weitergeführt. Ich empfehle
 Ihnen allen, sich mit den darin aufgezeichneten Perspektiven auseinanderzusetzen
 und sie auf Ihre konkreten Herausforderungen vor Ort hin zu reflektieren.
 
 Liebe Schwestern und Brüder, Menschen wollenauf vielfältige Weise in ihrer Lebenswirklichkeit angesprochen werden.
 Zu Pfingsten verstanden alle die frohe Botschaft in ihrer Muttersprache.
 Parther, Meder, Elamiter, Juden, Römer, Kreter, Araber –
 und wie sie alle hießen – bedurften keiner Einheitssprache, um zu
 verstehen. Das ist das pure Gegenteil der in unserer Kirche so häufig
 anzutreffenden Milieuverengung: Alle sind von Gott angesprochen
 in seiner Geschichte mit uns Menschen. Zu Pfingsten wird die Sprache
 der Herkunft gerade nicht verleugnet. Die Zugehörigkeit zu einem
 besonderen Volk, einer eigenen Kultur oder Bildung sowie einer ganz
 persönlichen Geschichte wird nicht aufgehoben.
 Auch heute suchen Menschen aus unterschiedlichstenLebenskulturen nach klaren, unverstellten Antworten auf ihre Lebensfragen.
 Sie suchen nach Orientierung und Vergewisserung. Über Religion und
 Glauben wird in der Öffentlichkeit wieder geredet. Es ist an uns,
 diese Chance zu ergreifen. Wir können auf vielgestaltige Weise weitergeben,
 wie schön, notwendig und wohltuend das Evangelium ist, wie Christus
 befreit zu einem ganzen, heilen Leben. Eine evangelische Kirche,
 die dieses Grundes gewiss ist, will viele unterschiedliche Menschen
 erreichen. Keiner kann von sich aus Lebensgewissheit schaffen oder
 Glauben herstellen. Das können wir auch als Kirche nicht. Aber wir
 können darum bitten, dass Gottes Geist mitten unter uns Wohnung
 nimmt. Mit dieser Bitte grüße ich Sie alle herzlich: Veni creator
 spiritus! Komm, heilger Geist, der Leben schafft!
 Ihr  (Alfred
 Buß)
 PS: Der Brief ist auch im Internet zu finden(pdf zum Herunterladen): www.ekvw.de
   Anlage 1. Vorschläge für die Landessynode 2006 Einbußen beim Gehalt Pfarrerinnen und Pfarrer, die jetzt in derVergütungsgruppe A 13 sind, werden nicht mehr in die Gruppe A 14
 „durchgestuft“. Das bedeutet: Wer die Endstufe von A 13 noch nicht
 erreicht hat, wird noch innerhalb dieser Gruppe höhergestuft, doch
 entfällt dann der nächste (bisher nach zwölf Jahren übliche) Schritt
 nach A 14. Pfarrerinnen und Pfarrer bleiben im Einkommen etwa einem
 Studienrat gleichgestellt. Wer bereits eine höhere Vergütung erhält,
 bezieht den über die Endstufe von A 13 hinausgehenden Betrag weiter.
 Bei künftigen Gehaltsanhebungen wird diese Zulage jeweils um die
 Hälfte des Erhöhungsbetrages gekürzt. Für besondere Funktionen des
 Pfarrdienstes ist an eine Zulage gedacht: bei Assessoren in Höhe
 der Differenz zu A 14, für Superintendenten in Höhe der Differenz
 zu A 15. Die Besoldungen für Mitglieder der Kirchenleitung werden
 entsprechend überarbeitet, die Bewertung der Beamtenstellen des
 Höheren Dienstes überprüft.
 Vorruhestand attraktiver machen Weitere Entlastung sollen attraktivere Bedingungenbringen, unter denen Pfarrerinnen und Pfarrer in den Vorruhestand
 gehen können. Wer sich dazu entschließt, soll denjenigen Pfarrern
 und Kirchenbeamten gleichgestellt werden, die bereits jetzt das
 sogenannte vorgezogene Altersruhegeld – mit 63 – beziehen. Damit
 sollen Pfarrstellen für die jüngere Generation freigemacht werden.
 Alle Entscheidungen, ob und wie weitere Vergünstigungen eingeführt
 werden, müssen sich an der Frage nach der Gerechtigkeit gegenüber
 der nachwachsenden Generation, Theologen und andere Mitarbeitende,
 orientieren. Denn die künftige Pfarrergeneration wird im Ruhestand,
 auch wenn er erst mit dem 65. Lebensjahr beginnt, mit deutlich weniger
 Geld auskommen müssen.
 Kirchenbeitrag für Rentner Viele Menschen im Ruhestand, die keine Kirchensteuerzahlen, würden ihre Kirche gerne regelmäßig finanziell unterstützen.
 Voraussichtlich wird der Landessynode im November ein Entwurf vorliegen:
 Bezieher von Alterseinkünften, die nicht kirchensteuerpflichtig
 sind, sollen 0,5 Prozent ihres Einkommens als Kirchenbeitrag entrichten.
 Das gilt aber erst ab einem bestimmten Mindesteinkommen. Wichtige
 Ausnahme: Wer zu einer der Gemeinden gehört, die bereits ein freiwilliges
 Kirchgeld eingeführt haben, wird selbstverständlich nicht noch einmal
 zur Kasse gebeten.
 2. Bereits in Durchführung Fundraising Viele Organisationen, Firmen und Einzelpersonensind unter bestimmten Umständen bereit, Geld oder Sachmittel für
 ihre Kirche zu geben. Fantasie, Gespür für das Mögliche und Beziehungspflege
 können – in Verbindung mit handwerklich guter Arbeit – Geldquellen
 auftun, die bisher verschlossen sind. Deshalb durchlaufen seit Dezember
 2005 aus jedem Gestaltungsraum zwei Personen eine Ausbildung bei
 der Fundraising-Akademie Frankfurt. Nach dem Abschluss im März 2007
 werden sie, auch als Multiplikatoren, zur Verfügung stehen.
 3. Weitere Informationen zur Kirchensteuer:www.ekvw.de
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