Auf ein Wort…. Mai/Juni

Liebe Leserinnen und Leser,

als Kind habe ich mich immer besonders gefreut,
wenn ich in den Osterferien zu meinen Großeltern nach Ostfriesland
fahren konnte. Dort gab es nämlich einen Brauch, den man im Siegerland
damals nicht kannte: das Osterfeuer. Schon Tage vor Ostern waren
vor allem wir Kinder unermüdlich unterwegs, um alles Brennbare zu
sammeln und aufzuschichten. Jedes Dorf hatte natürlich den Ehrgeiz,
ein möglichst großes Osterfeuer abzubrennen. Am Karsamstag konnte
ich es dann kaum erwarten, dass es dunkel wurde und das Feuer endlich
angezündet wurde. Meterhoch schlugen die Flammen in den nächtlichen
Himmel. Von diesem Anblick war ich jedes Mal wieder begeistert.
Aber mir war dabei auch immer etwas mulmig zumute. So ganz geheuer
war mir dieses riesige Feuer nie.
 

Feuer fasziniert und erschreckt uns zugleich.
Wir erschrecken vor seiner Zerstörungswut, sind fasziniert von seinem
Licht, seiner Energie und seiner Beweglichkeit. Wir finden es behaglich,
an einem Lagerfeuer oder vor dem Kamin zu sitzen und in das offene
Feuer zu schauen, zu sehen, wie die Flammen züngeln und das Feuer
lebt, wie die Glut schließlich in sich zusammenfällt und doch noch
lange glüht.

Aber wir wissen auch, wie schnell ein Feuer
außer Kontrolle geraten kann. Wir fürchten uns vor einem Brand im
eigenen Haus und sind erleichtert, dass wir nicht dort leben, wo
Vulkanausbrüche oder Waldbrände ganze Landstriche bedrohen und von
Zeit zu Zeit verwüsten.
 

Feuer fasziniert und erschreckt uns zugleich.
Und weil die Erscheinungsformen des Feuers so vielfältig sind, ist
es auch zum Bild menschlicher Leidenschaft geworden. Im übertragenen
Sinne steckt das Feuer auch in uns selbst. Wir fühlen brennenden
Schmerz, flammende Liebe, glühenden Zorn. Und so, wie wir Angst
vor der Intensität des Feuers haben und versuchen, es unter Kontrolle
zu halten, so versuchen wir häufig, intensiveGefühle auszulöschen
und zuzudecken, versuchen weder Aggressionen noch Leidenschaft zu
zeigen.


Manchmal sind wir Feuer und Flamme für
etwas, sind ganz und gar von einer Sache begeistert. Doch sehr schnell
melden sich Bedenken und die bange Frage: Was werden die anderen
sagen, wenn ich mich so zeige? Das Feuer der Begeisterung wird im
Keim erstickt. 

„Sie sind voll des süßen Weins“, das sagten
die anderen, als die Anhänger Jesu vom Heiligen Geist erfüllt wurden
und vor Begeisterung außer sich gerieten. Mit Spott, Angst oder
Vernunft engen wir intensive Gefühle ein. Oft fehlt es am Feuer,
auch in unseren Beziehungen. Wir gehen kühl miteinander um, bleiben
immer möglichst cool und beherrscht. Kaum jemand traut sich, im
Alltag Gefühle zu zeigen, es sei denn, er oder sie ist verliebt
bis über beide Ohren. Das Feuer der Liebe ist vielleicht das einzige,
das nichts von seiner Kraft verloren hat.

Wo das Feuer fehlt, da fehlt oft auch die
Erfahrung, Gott unmittelbar zu begegnen. In der Bibel ist das Feuer
das Symbol, das Gottes Wesen am nächsten kommt. Gottes Geist, Gottes
Liebe und Gottes Zorn sind wie Feuer, und wenn Gott den Menschen
erscheint, dann häufig in Gestalt des Feuers: in einem brennenden
Dornbusch, als Rauch oder Feuersäule, in der überwältigenden Klarheit,
die die Hirten von Bethlehem umleuchtete, oder in dem Blitz, der
Paulus vor Damaskus traf und zu Boden warf.

Wissen Sie eigentlich, dass dieses Feuer auch
in uns brennt? In allen, die sich anstecken lassen von dem, was
Jesus gesagt und getan hat – so wie seine Jünger. Eben noch waren
sie niedergeschlagen gewesen. Sie vermissten Jesus noch immer und
wussten nicht so recht, was sie ohne ihn anfangen sollten. Doch
dann, an Pfingsten, erschienen ihnen „Zungen wie von Feuer“, und
sie wurden vom Heiligen Geist erfüllt. Vom Feuer angesteckt, zum
Leben entfacht – so gingen sie zu den Menschen und gaben Gottes
Liebe mit Worten und Taten weiter.

Gott erscheint auch uns im Feuer, wenn auch
nicht im brennenden Dornbusch, in einer Feuersäule oder in kleinen
Flammen, die über unseren Köpfen tanzen. Aber Gott begegnet uns
da, wo wir uns leidenschaftlich für etwas einsetzen, wo wir Feuer
und Flamme sind, wo wir uns von seiner Liebe begeistern und anstecken
lassen.

Feuer ist unser innerer Antrieb, unsere Kraftquelle.
Aber manchmal kochen wir nur noch auf Sparflamme, fühlen uns kraftlos
und ausgebrannt, können uns für nichts mehr begeistern. Wer gibt
dann unserem inneren Feuer wieder Nahrung? Gott, so heißt es in
der Bibel, hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den
Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Kraft, Liebe und
Besonnenheit brauchen wir für uns und unsere alltäglichen Aufgaben,
für unser Miteinander, auch in der Gemeinde, brauchen wir da, wo
wir uns für andere einsetzen. Gott schenkt uns diesen Geist. Denn
er ist das eine Feuer, das sich für uns Menschen in viele kleine
Flammen teilt. Er ist das eine Feuer, von dem wir alle noch heute
zehren.

Ein frohes Pfingstfest wünscht
Ihnen

Ihre Pastorin Almuth Schwichow